26. Juni 2012

Marginalie: Die Ineffizienz der Energieeffizienz. Denn der Verbraucher, er will nicht so

Gewiß, Deutschland ist nicht Mexiko. In Mexiko wäre vermutlich niemand auf den Gedanken verfallen, über die Frage der künftigen Stromerzeugung ausgerechnet eine Ethikkommission beraten zu lassen. In Mexiko, wie in den meisten Ländern der Welt, sind Erzeugung und Verbrauch von Strom Themen der Wirtschaft und der Technologie, nicht der Ethik und des Gewissens.

Und dennoch - vielleicht sollte auch in Deutschland das zu denken geben, was kürzlich im "Handelsblatt" Malte Buhse über Energiesparen in Mexiko berichtete.

Dort gab es ein staatliches Programm mit dem Ziel, energiefressende Haushaltsgeräte per Verschrottung aus dem Verkehr zu ziehen und sie durch energieeffiziente zu ersetzen. Es ging im heißen Mexiko vor allem um Kühlschränke und Klimaanlagen. 850.000 Kühlschränke und 100.000 Klima­anlagen wurden im Rahmen dieses Programms verschrottet und ersetzt; der Staat subventionierte das mit Pesos im Gegenwert von 143 Millionen Dollar.

Und das Ergebnis? Buhse zitiert eine wissenschaftliche Arbeit des amerikanischen Wirtschafts­wissenschaftlers Lucas Davis und seiner Arbeitsgruppe, die untersuchte, wie sich dieses gewaltige Programm auf den Energieverbrauch in Mexiko auswirkte:

Statt, wie vorausberechnet, um 418 Kilowattstunden im Jahr sank der Durchschnittsverbrauch eines Haushalts nach Kauf eines neuen Kühlschranks nur um 132 Kilowattstunden. Vom Einbau einer neuen Klimaanlage hatte man sich eine Einsparung von rund 1.200 Kilowattstunden im Jahr versprochen. Hier gab es gar keinen Minderverbrauch; im Gegenteil stieg der Verbrauch nach der Auswechslung sogar leicht an.

Man kann sich denken, wo des Rätsels Lösung liegt:

Die Klimaanlage, die weniger Strom pro Stunde verbraucht, kann deren glücklicher Besitzer nun länger laufen lassen; nicht mehr nur zur heißen Mittagszeit, sondern auch zu anderen Tageszeiten. So lange offenbar im Durchschnitt, daß es ungefähr dasselbe kostet wie zuvor. Das Programm verbesserte zwar kaum die C02-Bilanz Mexikos, wohl aber die Lebensqualität der Mexikaner.

Und der Nachfolger des alten, energiefressenden Kühlschranks war oft ein neuer, der größer und besser ausgestattet war - oft einer jener amerikanischen, in deren Tür eine Anlage eingebaut ist, die ständig frische Eiswürfel liefert. Zwar effizienter als der alte, aber dank seiner höheren Leistung mit einem kaum geringeren Stromverbrauch.



Wie gesagt - den Mexikanern dürfte in ihrer Mehrheit ihr Stromverbrauch nicht eine Herzens- und Gewissens­angelegen­heit sein, wie vielen Deutschen. Sie haben sich offenbar in der Regel wie vernünftige Verbraucher verhalten, die sich freuen, wenn sie etwas, was sie gern haben wollen, günstiger bekommen können. Dann leisten sie es sich.

Aber ich würde mich nicht wundern, wenn es auch in Deutschland einen solchen Kompensations­effekt gäbe, wenn auch vielleicht in bescheidenerem Ausmaß.

Ich jedenfalls gestehe hiermit: Als in unserem Haus nach dem Glühbirnen-Verbot die ersten sogenannten Energiesparlampen eingeschraubt wurden - im Flur zum Beispiel - , hat mich diese Warterei, bis sie endlich ihre volle Leuchtkraft erreicht hatten, sehr genervt. Die Lösung war einfach: Jetzt brennen sie bei uns Tag und Nacht. Wir können uns das leisten, denn es sind ja Energiesparlampen.

Und Einbrecher werden dadurch vermutlich auch noch abgeschreckt.­
Zettel



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