Am Tag nach den Wahlen zum nationalen Parlament (Madschlis) im Iran schien alles klar zu sein: Ahmadinedschad hatte verloren; die klerikale Partei hatte einen deutlichen Sieg errungen.
So wurde es allgemein gesehen; auch ich hatte aufgrund von Agenturmeldungen am vergangenen Samstag dieses Ergebnis berichtet (Im Iran haben offenbar die klerikalen Islamisten über Ahmadinedschads populistische Islamisten triumphiert; ZR vom 3. 3. 2012). Jetzt hat Stratfor seine Wahlanalyse veröffentlicht. Danach scheint es, daß die ersten Berichte, auf die sich die Agenturen und fast alle Medien stützten, das Ergebnis nicht korrekt wiedergaben.
Nach den Stratfor vorliegenden Informationen hat nicht die klerikale Richtung über die populistische Ahmadinedschads triumphiert, sondern keine der beiden Seiten hat einen entscheidenden Sieg davongetragen.
Die Klerikalen haben die beherrschende Mehrheit, die sie sowohl in der letzten (2008 bis 2012) als auch der vorausgehenden (2004 bis 2008) Madschlis gehabt hatten, nicht wieder erreichen können und haben insofern sogar für sie enttäuschend abgeschnitten. Andererseits hat auch die Fraktion Ahmadinedschads nicht den Durchbruch geschafft, den sie sich erhofft hatte, um sich dauerhaft gegen den Machtanspruch des religiösen Führers Chamenei zu behaupten.
Das entscheidende Ergebnis ist vielmehr die großen Zahl von Unabhängigen, die es in die Madschlis schafften. Eine Opposition konnte zwar nicht antreten; deren Vertreter sitzen seit den Demonstrationen von 2009 im Gefängnis oder stehen unter Hausarrest. Auch Reformer innerhalb der herrschenden Mullah-Regimes wurden mit wenigen Ausnahmen nicht zur Wahl zugelassen. Aber es gab zahlreiche Kandidaten, die sich nicht festgelegt hatten, ob sie den Klerus oder Ahmadinedschad unterstützen. Und sie haben überraschend gut abgeschnitten.
Zu dieser Gruppe der Unabhängigen gehören nach Angaben der klerikalen "Vereinten Volksfront" 34 Prozent der Gewählten. Quellen von Stratfor im Iran beziffern den Anteil sogar auf rund 40 Prozent. Wohin die einzelnen Abgeordneten tendieren, ist derzeit unklar; Stratfor meint, daß die meisten jetzt von beiden Seiten umworben werden würden.
Eine erste Machtprobe wird die Wahl des Parlamentspräsidenten sein. Bisher war das Ali Laridschani, ein Parteigänger der Klerikalen. Es könnte sein, daß er auf diesen Posten verzichtet und ihn Gholam Ali Haddad Adel überläßt, der dies schon einmal gewesen war. Das würde den Ayatollah Chamenei persönlich stärken, denn Ali Haddad Adels Tochter ist mit Chameneis Sohn verheiratet, und Haddad Adel zählt zu Chameneis engsten Vertrauten.
Bei einem solchen Amtswechsel könnte sich Laridschani 2013 um die Nachfolge Ahmadinedschads bewerben. Das Land würde dann von zwei mächtigen Familienclans dominiert werden, denn Laridschanis Brüder Sadek and Mohammad Javad sind schon jetzt in Spitzenpositionen; der eine als Justizminister und der andere als nationaler Sicherheitsberater.
Zu dem sich jetzt anbahnenden Machtkampf gehört auch, daß Ahmadinedschad Versagen vorgeworfen wird, wenn nicht gar Korruption in seinem Umfeld. Voraussichtlich morgen muß er dem Parlament (es ist noch das alte, nicht das jetzt neu gewählte) Rede und Antwort stehen. Es geht um den Umgang mit Milliarden aus dem Ölexport, die nicht bei der Zentralbank abgeliefert worden sein sollen.
Ahmadinedschad wird dieses Verfahren wohl bis in den Mai hinauszuzögern versuchen, wenn die neue Madschlis zusammentritt, die wegen der hohen Zahl der Unabhängigen für ihn günstiger zusammengesetzt sein dürfte.
Anschließend wird es vor allem um die Nachfolge Ahmadinedschads gehen, der 2013 nicht wieder kandidieren kann (siehe Wahlen in Rußland, Frankreich, dem Iran: Welches ist die Ausgangslage? (Teil 2: Iran); ZR vom 2. 3. 2012). Seine beiden Favoriten, Esfandiar Rahim Maschaei und Ali Akbar Javanfekr, die ihm möglicherweise eine Rotation à la Putin und Medwedew ermöglichen würden, werden wahrscheinlich nicht zur Kandidatur zugelassen werden. Ahmadinedschad wird in diesem bevorstehenden Machtkampf vor allem die Kontrolle ausspielen, die er als Staatspräsident über das Ölgeschäft hat.
In dieser Situation zeigt sich wieder einmal das undurchsichtige Bild dieses eigenartigen politischen Systems, in dem eine Theokratie und ein parlamentarisches System sozusagen übereinanderstülpt sind; wobei das parlamentarische System freilich demokratischen Maßstäben in keiner Weise genügen kann. Nach Belieben des Klerus werden Kandidaten zugelassen oder ausgeschlossen; und ohnehin kann sich nur am politischen Leben beteiligen, wer die Theokratie uneingeschränkt bejaht.
Es findet keine demokratische Willensbildung statt, sondern auch Wahlen wie die jetzige sind im Grunde nur Instrumente im Machtkampf zwischen Gruppierungen der herrschenden Machtelite.
So wurde es allgemein gesehen; auch ich hatte aufgrund von Agenturmeldungen am vergangenen Samstag dieses Ergebnis berichtet (Im Iran haben offenbar die klerikalen Islamisten über Ahmadinedschads populistische Islamisten triumphiert; ZR vom 3. 3. 2012). Jetzt hat Stratfor seine Wahlanalyse veröffentlicht. Danach scheint es, daß die ersten Berichte, auf die sich die Agenturen und fast alle Medien stützten, das Ergebnis nicht korrekt wiedergaben.
Nach den Stratfor vorliegenden Informationen hat nicht die klerikale Richtung über die populistische Ahmadinedschads triumphiert, sondern keine der beiden Seiten hat einen entscheidenden Sieg davongetragen.
Die Klerikalen haben die beherrschende Mehrheit, die sie sowohl in der letzten (2008 bis 2012) als auch der vorausgehenden (2004 bis 2008) Madschlis gehabt hatten, nicht wieder erreichen können und haben insofern sogar für sie enttäuschend abgeschnitten. Andererseits hat auch die Fraktion Ahmadinedschads nicht den Durchbruch geschafft, den sie sich erhofft hatte, um sich dauerhaft gegen den Machtanspruch des religiösen Führers Chamenei zu behaupten.
Das entscheidende Ergebnis ist vielmehr die großen Zahl von Unabhängigen, die es in die Madschlis schafften. Eine Opposition konnte zwar nicht antreten; deren Vertreter sitzen seit den Demonstrationen von 2009 im Gefängnis oder stehen unter Hausarrest. Auch Reformer innerhalb der herrschenden Mullah-Regimes wurden mit wenigen Ausnahmen nicht zur Wahl zugelassen. Aber es gab zahlreiche Kandidaten, die sich nicht festgelegt hatten, ob sie den Klerus oder Ahmadinedschad unterstützen. Und sie haben überraschend gut abgeschnitten.
Zu dieser Gruppe der Unabhängigen gehören nach Angaben der klerikalen "Vereinten Volksfront" 34 Prozent der Gewählten. Quellen von Stratfor im Iran beziffern den Anteil sogar auf rund 40 Prozent. Wohin die einzelnen Abgeordneten tendieren, ist derzeit unklar; Stratfor meint, daß die meisten jetzt von beiden Seiten umworben werden würden.
Eine erste Machtprobe wird die Wahl des Parlamentspräsidenten sein. Bisher war das Ali Laridschani, ein Parteigänger der Klerikalen. Es könnte sein, daß er auf diesen Posten verzichtet und ihn Gholam Ali Haddad Adel überläßt, der dies schon einmal gewesen war. Das würde den Ayatollah Chamenei persönlich stärken, denn Ali Haddad Adels Tochter ist mit Chameneis Sohn verheiratet, und Haddad Adel zählt zu Chameneis engsten Vertrauten.
Bei einem solchen Amtswechsel könnte sich Laridschani 2013 um die Nachfolge Ahmadinedschads bewerben. Das Land würde dann von zwei mächtigen Familienclans dominiert werden, denn Laridschanis Brüder Sadek and Mohammad Javad sind schon jetzt in Spitzenpositionen; der eine als Justizminister und der andere als nationaler Sicherheitsberater.
Zu dem sich jetzt anbahnenden Machtkampf gehört auch, daß Ahmadinedschad Versagen vorgeworfen wird, wenn nicht gar Korruption in seinem Umfeld. Voraussichtlich morgen muß er dem Parlament (es ist noch das alte, nicht das jetzt neu gewählte) Rede und Antwort stehen. Es geht um den Umgang mit Milliarden aus dem Ölexport, die nicht bei der Zentralbank abgeliefert worden sein sollen.
Ahmadinedschad wird dieses Verfahren wohl bis in den Mai hinauszuzögern versuchen, wenn die neue Madschlis zusammentritt, die wegen der hohen Zahl der Unabhängigen für ihn günstiger zusammengesetzt sein dürfte.
Anschließend wird es vor allem um die Nachfolge Ahmadinedschads gehen, der 2013 nicht wieder kandidieren kann (siehe Wahlen in Rußland, Frankreich, dem Iran: Welches ist die Ausgangslage? (Teil 2: Iran); ZR vom 2. 3. 2012). Seine beiden Favoriten, Esfandiar Rahim Maschaei und Ali Akbar Javanfekr, die ihm möglicherweise eine Rotation à la Putin und Medwedew ermöglichen würden, werden wahrscheinlich nicht zur Kandidatur zugelassen werden. Ahmadinedschad wird in diesem bevorstehenden Machtkampf vor allem die Kontrolle ausspielen, die er als Staatspräsident über das Ölgeschäft hat.
In dieser Situation zeigt sich wieder einmal das undurchsichtige Bild dieses eigenartigen politischen Systems, in dem eine Theokratie und ein parlamentarisches System sozusagen übereinanderstülpt sind; wobei das parlamentarische System freilich demokratischen Maßstäben in keiner Weise genügen kann. Nach Belieben des Klerus werden Kandidaten zugelassen oder ausgeschlossen; und ohnehin kann sich nur am politischen Leben beteiligen, wer die Theokratie uneingeschränkt bejaht.
Es findet keine demokratische Willensbildung statt, sondern auch Wahlen wie die jetzige sind im Grunde nur Instrumente im Machtkampf zwischen Gruppierungen der herrschenden Machtelite.
Zettel
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