Die USA? Nicht wahr, das ist eine Gesellschaft, in der es zwar den ganz Reichen zunehmend besser geht, den anderen in diesem Land aber immer schlechter? Wo die Armen am Rand des Existenzminimums leben und die schrumpfende Mittelklasse in ständiger Angst ist, ihrerseits in die Armut abzusinken; während Millionäre wie Mitt Romney sich ein schönes Leben machen?
So könnte man es sich vorstellen, wenn man seine Informationen aus unseren öffentlich-rechtlichen Medien, aus "Spiegel-Online" und seinen nachgeordneten Medien bezieht. Und wie ist es wirklich?
Warten Sie bitte einen Augenblick. Ich möchte Ihnen zunächst die Daten einer Umfrage vorstellen, die Gallup am 31. Januar 2012 veröffentlicht hat. In ihr ging es um die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem Leben.
Gemessen wird die subjektive Lebensqualität von Gallup mit der Cantril Self-Anchoring Scale. Den Interviewten wird die folgende Frage gestellt:
Um die Ergebnisse anschaulich darzustellen, faßt Gallup die Antworten in drei Kategorien zusammen; sie wurden aufgrund von Analysen zahlreicher Umfragen in vielen Ländern entwickelt:
Die meisten Deutschen - zwischen 50 und 60 Prozent - gehören zur mittleren Kategorie. In der unteren Kategorie befinden sich in Deutschland zwischen 5 und 10 Prozent. Der Prozentsatz derer, die ihr Leben als rundum gut einstufen, schwankt um die 40 Prozent.
Am niedrigsten (34 und 36 Prozent) war dieser Anteil der rundum Zufriedenen in den letzten beiden Jahren der Großen Koalition (2007 und 2008). Unter der neuen schwarzgelben Regierung nahm er bis auf 43 Prozent (Mitte 2010) zu; spiegelbildlich war der Prozentsatz für "schlechtes Leben" mit 5 Prozent in der Mitte des Jahres 2010 am niedrigsten.
Dieser Wert ist auch danach so niedrig geblieben; bis Ende 2011, als es einen abrupten Anstieg auf 8 Prozent gab. Der Anteil der rundum Zufriedenen ging seit Mitte 2010 leicht auf 40 oder 41 Prozent zurück; Ende 2011 auf 39 Prozent. Darin dürfte sich die aktuelle Finanzkrise widerspiegeln.
So also ist es in unserem Wohlfahrtsstaat nach europäisch-sozialdemokratischem Muster: Am größten ist die Gruppe derer, die das Leben als "durchwachsen" sehen.
Nun also zu den USA; dem Land des Raubtier-Kapitalismus, in dem es allen außer den Reichen mehr oder weniger schlecht geht - wenn wir dem glauben, was unsere Medien uns vermitteln.
Hier ist die entsprechende Grafik für die USA:
Zweierlei springt ins Auge:
Die amerikanischen Daten schlüsselt Gallup weiter auf; nach Kriterien wie Alter und Einkommen. Einige interessante Aspekte (Werte für 2011):
Gegen derartige Vergleiche zwischen verschiedenen Ländern, gar auf unterschiedlichen Kontinenten, wird oft der Einwand erhoben, man vergleiche da Äpfel mit Birnen. Amerikaner meinten eben beispielsweise mit einem glücklichen Leben etwas Anderes als Deutsche; schon die Übersetzung der Fragen und der Antwortalternativen sei problematisch.
Bezogen auf diese regelmäßigen Befragungen von Gallup läuft diese Kritik weitgehend ins Leere. Es wurde eben gerade nicht nach Begriffen wie "Glück" oder "Lebensqualität" oder "Zufriedenheit" gefragt; sondern die Befragten sollten sich eine Leiter vorstellen, mit Stufen zwischen einem bestmöglichen und einem schlechtestmöglichen Leben. Da bleibt kaum Spielraum für Semantik; mehr "kulturfrei" (culture free) kann eine Befragung kaum sein.
Man kann natürlich immer noch argumentieren, die Amerikaner hätten eben geringere Ansprüche an ein gutes Leben als die Deutschen. Mag sein, mag nicht sein. Ob Menschen zufrieden, ob sie glücklich sind - das ist etwas Subjektives, nicht wahr? Also zu messen an den Ansprüchen die man hat, den eigenen Erwartungen, den Hoffnungen.
So könnte man es sich vorstellen, wenn man seine Informationen aus unseren öffentlich-rechtlichen Medien, aus "Spiegel-Online" und seinen nachgeordneten Medien bezieht. Und wie ist es wirklich?
Warten Sie bitte einen Augenblick. Ich möchte Ihnen zunächst die Daten einer Umfrage vorstellen, die Gallup am 31. Januar 2012 veröffentlicht hat. In ihr ging es um die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem Leben.
Gemessen wird die subjektive Lebensqualität von Gallup mit der Cantril Self-Anchoring Scale. Den Interviewten wird die folgende Frage gestellt:
Please imagine a ladder with steps numbered from zero at the bottom to 10 at the top.Dies ist meine Übersetzung; die in den Interviews in Deutschland verwendete könnte geringfügig davon abweichen.
The top of the ladder represents the best possible life for you and the bottom of the ladder represents the worst possible life for you.
On which step of the ladder would you say you personally feel you stand at this time? (ladder-present)
On which step do you think you will stand about five years from now? (ladder-future)
Stellen Sie sich bitte eine Leiter vor, deren Stufen von null am Boden bis 10 am oberen Ende durchnumeriert sind.
Das obere Ende entspricht dem besten möglichen Leben für Sie, und der Boden entspricht dem schlechtesten möglichen Leben für Sie.
Was würden Sie persönlich sagen - auf welcher Stufe der Leiter stehen Sie im Augenblick? (Leiter jetzt)
Was glauben Sie, auf welcher Stufe Sie in ungefähr fünf Jahren stehen werden? (Leiter Zukunft)
Um die Ergebnisse anschaulich darzustellen, faßt Gallup die Antworten in drei Kategorien zusammen; sie wurden aufgrund von Analysen zahlreicher Umfragen in vielen Ländern entwickelt:
Die Ergebnisse der aktuellen Befragung in Deutschland und die Veränderungen seit 2005 können Sie hier sehen:Thriving (etwa: ein rundum gutes Leben). In diese Kategorie werden Interviewte eingeordnet, die auf der "Leiter jetzt" mindestens die Stufe 7 und auf der "Leiter Zukunft" mindestens die Stufe 8 angegeben haben. Fragt man sie im einzelnen, dann findet man bei ihnen weniger Gesundheitsprobleme, weniger Sorgen, Traurigkeit, Ärger und mehr Glück, Genuß, Interesse und das Gefühl, respektiert zu werden als beim Durchschnitt. Suffering (etwa: schlechtes Leben; ein Leben mit Leid). In diese Kategorie werden diejenigen eingeordnet, die auf der "Leiter jetzt" und auf der "Leiter Zukunft" jeweils einen Wert von 4 oder weniger genannt haben. Sie geben bei Einzelbefragung häufiger als der Durchschnitt an, körperliche Schmerzen zu haben, an Nahrungs- und Wohnungsmangel zu leiden, viel Streß, Sorgen, Traurigkeit und Ärger zu erleben. Sie haben eine schlechtere Versorgung im Krankheitsfall und leiden mehr als doppelt so häufig unter Krankheiten wie die Gruppe Thriving. Alle Interviewten, die nicht die Skalen-Kriterien für eine dieser beiden Gruppen erfüllen, werden in die Kategorie Struggling eingeordnet (ein durchwachsenes Leben; "man schlägt sich durch"). Sie liegen in den genannten Bereichen der subjektiven Lebensqualität zwischen den beiden anderen Gruppen.
Die meisten Deutschen - zwischen 50 und 60 Prozent - gehören zur mittleren Kategorie. In der unteren Kategorie befinden sich in Deutschland zwischen 5 und 10 Prozent. Der Prozentsatz derer, die ihr Leben als rundum gut einstufen, schwankt um die 40 Prozent.
Am niedrigsten (34 und 36 Prozent) war dieser Anteil der rundum Zufriedenen in den letzten beiden Jahren der Großen Koalition (2007 und 2008). Unter der neuen schwarzgelben Regierung nahm er bis auf 43 Prozent (Mitte 2010) zu; spiegelbildlich war der Prozentsatz für "schlechtes Leben" mit 5 Prozent in der Mitte des Jahres 2010 am niedrigsten.
Dieser Wert ist auch danach so niedrig geblieben; bis Ende 2011, als es einen abrupten Anstieg auf 8 Prozent gab. Der Anteil der rundum Zufriedenen ging seit Mitte 2010 leicht auf 40 oder 41 Prozent zurück; Ende 2011 auf 39 Prozent. Darin dürfte sich die aktuelle Finanzkrise widerspiegeln.
So also ist es in unserem Wohlfahrtsstaat nach europäisch-sozialdemokratischem Muster: Am größten ist die Gruppe derer, die das Leben als "durchwachsen" sehen.
Nun also zu den USA; dem Land des Raubtier-Kapitalismus, in dem es allen außer den Reichen mehr oder weniger schlecht geht - wenn wir dem glauben, was unsere Medien uns vermitteln.
Hier ist die entsprechende Grafik für die USA:
Zweierlei springt ins Auge:
Ansonsten zeigen die US-Daten wenig Änderungen; sieht man von der Turbulenz um die Jahreswende 2008/2009 ab, als kurzfristig mehr Amerikaner ihr Leben mit "durchwachsen" statt mit "gut" einstuften.In den USA gibt es deutlich weniger Menschen als in Deutschland, die ihr Leben als schlecht beurteilen. Ihr Anteil liegt dort fast immer um die 3 Prozent; aktuell bei 3,5 Prozent - also bei weniger als der Häfte des aktuellen deutschen Werts von derzeit 8 Prozent. Die Mehrheit bilden in den USA nicht diejenigen in der mittleren Kategorie, wie in Deutschland; sondern fast stets geben zwischen 50 und 55 Prozent der Amerikaner an, sie führten ein gutes Leben. In Deutschland sind das - wie oben gesehen - nur um die 40 Prozent.
Die amerikanischen Daten schlüsselt Gallup weiter auf; nach Kriterien wie Alter und Einkommen. Einige interessante Aspekte (Werte für 2011):
Nicht wahr, das ist ein anderes Bild als das Klischee der USA, das wir von unseren Medien vermittelt bekommen? Von der schrumpfenden und bedrohten Mittelschicht, den unglücklich in den Slums lebenden Schwarzen, den vielen Menschen am Rand des Existenzminimums?Mehr Frauen (54,6 Prozent) geben für sich ein gutes Leben an als Männer (50,3 Prozent). Mit wachsendem Alter nimmt - wie anders - die Lebensqualität ab. Von den 18 bis 29jährigen führen 62,8 Prozent ein gutes Leben; das reduziert sich kontinuierlich bis auf 42,0 Prozent bei den über 65jährigen. Aber auch damit liegen die Senioren in den USA immer noch etwas über dem Niveau der Gesamtbevölkerung in Deutschland! Daß der Anteil derer, die ein gutes Leben führen, mit dem Einkommen zunimmt, ist nicht verwunderlich; von 38,9 Prozent bei den Ärmsten bis auf 68,7 Prozent bei den Reichsten. Spiegelbildlich geht der Anteil derer mit einem schlechten Leben von 7,1 Prozent auf 1,2 Prozent zurück. Aber auch hier gilt: Die Ärmsten in den USA (Jahreseinkommen unter 24.000 Dollar) liegen in ihrer subjektiven Lebensqualität ungefähr auf dem Niveau der Gesamtheit der Deutschen. Der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt der aufgeschlüsselte Daten betrifft die ethnischen Gruppen: Am häufigsten geben die Asiaten ein gutes Leben an (59,4 Prozent), gefolgt von den Schwarzen (55,5 Prozent). An dritter Stelle liegen die Hispanics (52,7 Prozent); und das Schlußlicht bilden die Weißen (52,4 Prozent). Umgekehrt sind mehr Weiße mit ihrem Leben unzufrieden als Angehörige der anderen ethnischen Gruppen (3,7 Prozent gegenüber 2,2 Prozent bei den Asiaten, 2,5 Prozent bei den Schwarzen und 3,5 Prozent bei den Hispanics).
Gegen derartige Vergleiche zwischen verschiedenen Ländern, gar auf unterschiedlichen Kontinenten, wird oft der Einwand erhoben, man vergleiche da Äpfel mit Birnen. Amerikaner meinten eben beispielsweise mit einem glücklichen Leben etwas Anderes als Deutsche; schon die Übersetzung der Fragen und der Antwortalternativen sei problematisch.
Bezogen auf diese regelmäßigen Befragungen von Gallup läuft diese Kritik weitgehend ins Leere. Es wurde eben gerade nicht nach Begriffen wie "Glück" oder "Lebensqualität" oder "Zufriedenheit" gefragt; sondern die Befragten sollten sich eine Leiter vorstellen, mit Stufen zwischen einem bestmöglichen und einem schlechtestmöglichen Leben. Da bleibt kaum Spielraum für Semantik; mehr "kulturfrei" (culture free) kann eine Befragung kaum sein.
Man kann natürlich immer noch argumentieren, die Amerikaner hätten eben geringere Ansprüche an ein gutes Leben als die Deutschen. Mag sein, mag nicht sein. Ob Menschen zufrieden, ob sie glücklich sind - das ist etwas Subjektives, nicht wahr? Also zu messen an den Ansprüchen die man hat, den eigenen Erwartungen, den Hoffnungen.
Zettel
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. © für die Grafiken: Gallup. Veröffentlichung mit Genehmigung von Gallup. Titelvignette vom Autor Mohs Rahman unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic-Lizenz freigegeben.