26. Januar 2012

Marginalie: Wie beurteilen die Amerikaner das US-Wirtschaftssystem? Und was bedeutet das für Obamas Wahlkampf-Strategie? Eine Umfrage von Gallup

In seiner State of the Union Address - seiner Ansprache zur Lage der USA - am Dienstag hat Präsident Obama, so faßt es Gallup heute zusammen, das gegenwärtige amerikanische Wirtschaftssystem als nicht fair dargestellt. Wie aber sehen das die Amerikaner selbst?

Gallup hat dazu am Montag, also noch vor der Rede, eine Umfrage durchgeführt. 1008 erwachsene Amerikaner wurden telefonisch befragt, ob das amerikanische Wirtschaftssystem fair oder unfair sei; und - in einer zweiten Frage - ob es zu ihnen persönlich fair oder unfair sei.

Bei der ersten Frage hielten sich "fair" (45 Prozent) und "unfair" (49 Prozent) ungefähr die Waage. Auf sich selbst bezogen bezeichneten aber 62 Prozent das amerikanische Wirtschaftssystem als fair, nur 36 Prozent als unfair.

Besonders interessant ist die Verteilung der Meinungen unter Demokraten und Republikanern:

Von den Anhängern der Demokratischen Partei Präsident Obamas sehen sogar mehr (68 Prozent) das amerikanische Wirtschaftssystem als fair gegenüber sich selbst an als Anhänger der Republikaner (63 Prozent). Das Bild kehrt sich aber um, wenn man allgemein nach dem Wirtschaftssystem fragt: Das halten dann 55 Prozent der Republikaner für fair, aber nur 31 Prozent der Demokraten.

In seinem Kommentar zu diesen Daten weist Gallup auf die generelle Tendenz der Amerikaner hin, die eigene Lage günstiger zu beurteilen als die Lage des ganzen Landes (auch in Deutschland gibt es diese Tendenz, wenn zum Beispiel nach der Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation gefragt wird).

Was nun aber Obamas Strategie angeht, seinen Wahlkampf wesentlich auf Kritik an einem "unfairen" amerikanischen Wirtschaftssystem zu gründen, ist Gallup skeptisch:
All in all, these findings suggest that Obama's re-election strategy -- focusing on an assumption that the U.S. economic system in this country is unfair and needs to be fixed -- will unfold in an environment in which many Americans already believe the system is fair.

Alles in allem deuten diese Daten darauf hin, daß die Strategie Obamas für seine Wiederwahl - mit Konzentration auf die Prämisse, daß das US-Wirtschaftssystem in diesem Land unfair sei und repariert werden müsse - sich in einer Umgebung entfalten wird, in der viele Amerikaner glauben, daß das System bereits fair ist.
Auf die Ergebnisse bei den Demokraten und den Republikanern geht das Institut in seinem Kommentar nicht ein. Sie dürften aber einen Sachverhalt widerspiegeln, den wir auch aus Deutschland kennen: Anhängern der Linken geht es oft wirtschaftlich gut; sie können überwiegend nicht über die soziale Marktwirtschaft klagen. Sie sind aber überzeugt, daß es der Gesamtheit des Landes schlecht geht. Das ist nun einmal die Grundlage einer linken Weltsicht.
Zettel



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