8. Januar 2012

Marginalie: Textauszüge aus dem, was Wulff auf Diekmanns Mailbox gesprochen hat. Warum nur hat der Präsident einer Veröffentlichung nicht zugestimmt?

Wie zu erwarten gewesen war, blieb die Abschrift von Bundespräsident Wulffs Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Diekmann nicht lange unter Verschluß. Sie wird unter Journalisten längst von Hand zu Hand gereicht.

Der "Spiegel" der kommenden Woche (Heft 2/2012 vom 9. 1. 2012) bringt etliche Textpassagen wörtlich. Sie zeigen, wie das Magazin schreibt, daß die "Wortwahl der Niederschrift zumindest weniger auffällig und dramatisch" ist, "als es in den bisher veröffentlichten Wortfetzen den Anschein gehabt" hat.

"Ein Anschlag auf die Pressefreiheit? Das ist wohl reichlich übertrieben", heißt es nun im "Spiegel", der von einem solchen Anschlag gewiß gern berichtet hätte, gäbe der Text das denn her.

Er gibt es nicht her. Lesen Sie:
  • "Ich habe alles offengelegt, Informationen gegeben mit der Zusicherung, daß die nicht verwandt werden. Die werden jetzt indirekt verwandt, das heißt, ich werde auch Strafantrag stellen gegen Journalisten morgen, und die Anwälte sind beauftragt."

  • Wulff fragt, warum "Bild" nicht akzeptieren könne, "zu warten, bis ich Dienstag Abend wiederkomme, also morgen, um Mittwoch eine Besprechung zu machen, wo ich mit Herrn ..., den Redakteuren rede, wenn Sie möchten, die Dinge erörtere, und dann können wir entscheiden, wie wir die Dinge sehen, und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen".

  • Wulff sagt, er wolle "einfach, daß wir darüber sprechen, denn wenn das Kind im Brunnen liegt, ist das Ding nicht mehr hochzuholen. Das ist eindeutig".

  • Nicht bis Mittwoch zu warten, so Wulff, "finde ich sehr unverantwortlich von Ihrer Mannschaft, und da muß ich den Chefredakteur schon jetzt fragen, ob er das will, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann".

  • "... wie das gelaufen ist in den letzten Monaten, ist das inakzeptabel, und meine Frau und ich werden Mittwoch Morgen eine Pressekonferenz machen zwischen dem japanischen Ministerpräsidenten und den weiteren Terminen und werden dann entsprechend auch öffentlich werden, weil diese Methoden Ihrer Journalisten, des investigativen Journalismus, nicht mehr akzeptabel sind".

  • "... ich bitte um Vergebung, aber hier ist für mich jetzt ein Punkt erreicht, der mich zu einer [ein Wort nicht verständlich] zwingt, die ich bisher niemals in meinem Leben präsentiert habe. Die hatte ich auch nie nötig".
  • Ein Drohanruf klingt anders. Wulff hat in dem Interview mit ARD und ZDF korrekt wiedergegeben, was er auf Band gesprochen hatte.

    Es ist bei Wulff so, wie hier am Donnerstag zu lesen war (Der Ungeschickte. Ist Wulff ein zweiter Lübke? Schlimmer; ZR vom 5. 1. 2012): Er reiht Ungeschick an Ungeschicklichkeit.

    Die meisten - auch ich - hatten sich diesen angeblichen "Drohanruf" ganz anders vorgestellt. Wulff hätte diesen Spekulationen ein Ende machen und sich zugleich souverän zeigen können, wenn er dem Wunsch von "Bild" nachgekommen wäre, die Veröffentlichung der Abschrift zu autorisieren. Stattdessen lehnte er dessen knappe Anfrage wortreich ab.

    Warum nur? Warum heizte er mit seiner Weigerung die Spekulationen an? Er hatte doch - so weisen es die zitierten Passagen aus - nichts anderes gemacht als viele vor ihm: Sich gegen einen investigativen Journalismus zur Wehr zu setzen versucht, der aus seiner Sicht zu weit ging. Dabei war ihm offenkundig an einer einvernehmlichen Regelung gelegen.



    Am Anfang, Mitte Dezember, war so gut wie nichts gewesen; ein Privatkredit ohne das Potential für eine "Affäre" (siehe Was eigentlich ist Bundespräsident Wulff vorzuwerfen?; ZR vom 17. 12. 2011).

    Wulff hat es durch sein Ungeschick fertiggebracht, innerhalb von drei Wochen die Affäre zu schaffen. Er hat sich benommen wie jemand, an dessen Weihnachtsbaum ein Zweiglein kokelt und der, um das auszublasen, so lange kräftig in die Flamme pustet, bis diese hochzischt und der ganze Baum Feuer fängt.­
    Zettel



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