Wir alle stecken voller Vorurteile. Niemand käme ohne Vorurteile im Leben zurecht.
Wer in ein Restaurant mit teurer Speisekarte geht, der hat das Vorurteil, daß er dort gutes Essen bekommt. Er weiß nicht, ob es in diesem Fall zutrifft, aber er hat das Klischee "Wenn ich viel bezahlen muß, dann bekomme ich dafür gutes Essen".
Wer Urlaub in Schottland macht, der nimmt Regenkleidung und einen warmen Pullover mit. Er hat das Vorurteil, daß es dort kalt und regnerisch sein wird.
Wer nachts auf einer einsamen Straße einer Gruppe grölender junger Männer begegnet, der macht einen Bogen um sie, weil er das Vorurteil hat, daß solche Leute in einer solchen Situation zum Pöbeln neigen.
Das ist Lebenserfahrung; es sind begründete Erwartungen. Best bet, sagt man im Englischen, die beste Wette. Keine der genannten Erwartungen muß sich erfüllen. Aber das Erwartete ist wahrscheinlich; so daß man sich darauf einstellt.
Man urteilt also, bevor man die Erfahrung gemacht hat. Man folgt einem Vorurteil.
Nun gibt es eine sogenannte Vorurteilsforschung. Sie untersucht nicht allgemein Vorurteile wie die genannten - sie bezeichnet sie gar nicht so -, sondern nur Vorurteile, von denen der jeweilige Wissenschaftler meint, daß man sie nicht haben sollte.
Die Meinung, daß es keine Probleme mit der Einwanderung nach Deutschland gibt, wird von ihnen zum Beispiel nicht als Vorurteil gesehen; wohl aber die gegenteilige Meinung. Die Auffassung, daß die Intelligenz allein von der Umwelt bestimmt wird, gilt nicht als Vorurteil; wohl aber die Auffassung, daß sie angeboren ist.
Kritik am Katholizismus wird nicht als Vorurteil untersucht, anders als eine kritische Einstellung zum Islam. Wer für eine Ehe zwischen Homosexuellen ist, der gilt nicht als ein Mensch mit Vorurteilen; wohl aber derjenige, der sie ablehnt.
Kurz, viele Vorurteilsforscher haben selbst ihre Vorurteile darüber, was ein Vorurteil ist. Sie betreiben keine wertfreie und von Vorannahmen freie Forschung. Sie untersuchen nicht die Wirklichkeit mit dem Bemühen um Objektivität; sondern sie gehen an die Realität mit ihren eigenen Werten und Voreinstellungen heran.
Wenn Sie sich das anhand eines aktuellen Beispiels genauer ansehen wollen, dann lesen Sie bitte den Artikel, der mich zu dieser Marginalie veranlaßt hat: Vorurteilsforschung - Isch weiß wo dein Haus wohnt von Jürgen Kaube, heute in der FAZ.
Vorspann:
Wer in ein Restaurant mit teurer Speisekarte geht, der hat das Vorurteil, daß er dort gutes Essen bekommt. Er weiß nicht, ob es in diesem Fall zutrifft, aber er hat das Klischee "Wenn ich viel bezahlen muß, dann bekomme ich dafür gutes Essen".
Wer Urlaub in Schottland macht, der nimmt Regenkleidung und einen warmen Pullover mit. Er hat das Vorurteil, daß es dort kalt und regnerisch sein wird.
Wer nachts auf einer einsamen Straße einer Gruppe grölender junger Männer begegnet, der macht einen Bogen um sie, weil er das Vorurteil hat, daß solche Leute in einer solchen Situation zum Pöbeln neigen.
Das ist Lebenserfahrung; es sind begründete Erwartungen. Best bet, sagt man im Englischen, die beste Wette. Keine der genannten Erwartungen muß sich erfüllen. Aber das Erwartete ist wahrscheinlich; so daß man sich darauf einstellt.
Man urteilt also, bevor man die Erfahrung gemacht hat. Man folgt einem Vorurteil.
Nun gibt es eine sogenannte Vorurteilsforschung. Sie untersucht nicht allgemein Vorurteile wie die genannten - sie bezeichnet sie gar nicht so -, sondern nur Vorurteile, von denen der jeweilige Wissenschaftler meint, daß man sie nicht haben sollte.
Die Meinung, daß es keine Probleme mit der Einwanderung nach Deutschland gibt, wird von ihnen zum Beispiel nicht als Vorurteil gesehen; wohl aber die gegenteilige Meinung. Die Auffassung, daß die Intelligenz allein von der Umwelt bestimmt wird, gilt nicht als Vorurteil; wohl aber die Auffassung, daß sie angeboren ist.
Kritik am Katholizismus wird nicht als Vorurteil untersucht, anders als eine kritische Einstellung zum Islam. Wer für eine Ehe zwischen Homosexuellen ist, der gilt nicht als ein Mensch mit Vorurteilen; wohl aber derjenige, der sie ablehnt.
Kurz, viele Vorurteilsforscher haben selbst ihre Vorurteile darüber, was ein Vorurteil ist. Sie betreiben keine wertfreie und von Vorannahmen freie Forschung. Sie untersuchen nicht die Wirklichkeit mit dem Bemühen um Objektivität; sondern sie gehen an die Realität mit ihren eigenen Werten und Voreinstellungen heran.
Wenn Sie sich das anhand eines aktuellen Beispiels genauer ansehen wollen, dann lesen Sie bitte den Artikel, der mich zu dieser Marginalie veranlaßt hat: Vorurteilsforschung - Isch weiß wo dein Haus wohnt von Jürgen Kaube, heute in der FAZ.
Vorspann:
Begehen Ausländer wirklich mehr Straftaten als Deutsche? Die empirische Sozialforschung sucht auf diese und ähnliche Fragen Antworten - und ist dabei selbst voller Vorurteile.
Zettel
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