21. September 2011

Marginalie: Die Bombe im Turban. Eine Erinnerung an die Mohammed-Karikaturen von vor sechs Jahren. Nebst Anmerkungen zur Lage in Afghanistan

Erinnern Sie sich noch an die Mohammed-Kariktaturen, die im Herbst 2005 Aufsehen erregten? Sie können sie in der internationalen Wikipedia ansehen.

Oben in der Mitte rechts sehen sie eine der bekanntesten (und meines Erachtens auch besten) dieser Karikaturen; sie stammt von Kurt Westergaard. Diese Karikatur zeigt Mohammed mit einem Turban, aus dem der Zünder einer Bombe herausragt. (Wenn Sie sich eine vergrößerte Version ansehen wollen, klicken Sie bitte hier auf die Abbildung).

Gestern wurde in seinem Haus in Kabul der frühere Afghanische Staatspräsident Burhanuddin Rabbani ermordet, der damit beauftragt gewesen war, Friedensgespräche mit den Taliban zu führen. Wie der Mord ausgeführt wurde, kann man heute zum Beispiel in FAZ.NET lesen:
Ein Taliban-Sprecher sagte am Dienstag, zwei Kämpfer hätten Rabbani in dessen Haus zu Gesprächen getroffen. Einer von beiden habe dann einen Sprengsatz gezündet. Dieser sei im Turban versteckt gewesen.
Ob sich die Taliban nun durch Westergaards Karikatur inspirieren ließen oder ob sie nur dieselbe Idee hatten wie er - jedenfalls ist dies wieder einmal ein makabres Beispiel dafür, wie die Wirklichkeit auch noch die härteste Satire einholen kann.



Was die politische Seite dieses Mordanschlags angeht, so ist bemerkenswert, daß die "Friedensverhandlungen" von den Taliban offenbar von vornherein nur zum Schein geführt worden waren.

Der Taliban-Sprecher, der sich telefonisch gegenüber Reuters äußerte, schilderte, wie man sich das Vertrauen Rabbanis und seiner Leibwächter dadurch erschlichen hatte, daß der spätere Attentäter an zahlreichen vorausgegangenen Gesprächen beteiligt gewesen war. Rabbani sei in Aussicht gestellt worden, demnächst auch mit hochrangigen Vertretern der Taliban sprechen zu können.

Der amerikanische Generalstabschef Mike Mullen führte das Attentat auf eine Schwächung der Taliban zurück, die an die Stelle militärischer Erfolge jetzt solche spektakulären Aktionen zu setzen versuchten.

Mir kommt diese Äußerung vor wie das Pfeifen im Walde.

Gewiß haben die US-Truppen den Taliban militärische Niederlagen beigebracht. Aber seit Mitte 2010 ist klar, daß die USA rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen 2012 aus dem Land abziehen werden; egal, ob die Taliban dann besiegt sind oder nicht.

Sie werden nicht besiegt sein (siehe dazu die Liste der Artikel zu Afghanistan in Die Taliban gratulieren; ZR vom 2. 8. 2010, sowie aktuell "Raum für militärische Erfolge der Taliban". Probleme und Risiken des Abzugs aus Afghanistan; ZR vom 25. 6. 2011).

Der Sieger in einem asymmetrischen Krieg ist nicht derjenige, der mehr Schlachten gewinnt oder mehr Feinde tötet. Es ist derjenige, der den längeren Atem hat. Nach ihrer gescheiterten Tet-Offensive im Januar und Februar 1968 waren die Vietcong und Nordvietnamesen im Vietnamkrieg militärisch geschlagen. Dennoch waren sie am Ende die Sieger; sie brauchten nur durchzuhalten, bis der Siegeswille der USA aus innenpolitischen Gründen erschöpft war.

So zeichnet es sich jetzt auch in Afghanistan ab. Wenn die Taliban durch die Ermordung Rabbanis auf brutale Weise signalisieren, daß sie nicht an einem Ausgleich mit der Regierung Karzai interessiert sind, dann bedeutet dies, daß sie sich auf ihren Sieg nach dem Abzug der US-Truppen vorbereiten.
Zettel



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