Wer sich mit ausländischen Wissenschaftlern über die Finanzierung von Forschung und die Förderung der Wissenschaften unterhält, der wird immer wieder feststellen, wie sehr sie die Verhältnisse in Deutschland schätzen und uns darum beneiden.
Der Regelfall in vielen Ländern ist es, daß man Forschungsgelder, sofern es sich nicht um privat finanzierte Auftragsforschung handelt, bei staatlich kontrollierten funding agencies einwirbt; in den USA zum Beispiel bei der National Science Foundation, dem National Institute of Health oder - in den Natur- und medizinischen Wissenschaften in nicht geringem Umfang - bei Einrichtungen des Militärs wie der Veterans Administration und dem Office of Naval Research.
Das hat zwei Konsequenzen: Erstens gibt es oft eine enge Verzahnung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung; was Vor- und Nachteile hat. Zweitens hat die Regierung - die Entscheidungen über die Verteilung der Mittel werden in den USA teils von der Administration, teils vom Senat getroffen - einen erheblichen Einfluß auf die Forschungspolitik.
In Deutschland ist das anders. Zwar gibt es auch hier staatliche Programme der Finanzierung von Forschung; sowohl durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch durch die entsprechenden Ministerien der Länder. Aber zentral ist das nicht. Wer forscht, der wird in aller Regel mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu tun haben, der DFG. Sie wird zwar überwiegend aus Steuermitteln finanziert, aber sie ist keine staatliche Einrichtung, sondern ein 1951 gegründeter Verein. Ein Verein, der allerdings über viel Geld verfügt. Im Jahr 2010 betrug das Budget der DFG 2,237 Milliarden Euro.
Die DFG ist ein Verein, dessen Struktur die Freiheit der Forschung garantiert. Denn es sind die Hochschulen und sonstigen Forschungseinrichtungen selbst, und es sind vor allem die Forscher selbst, die über ihre gewählten Vertreter die Vergabe der Mittel bestimmen.
Werfen Sie vielleicht einmal einen Blick in die Satzung der DFG; Sie sehen dann, wie vorbildlich dort alles daraufhin eingerichtet ist, die Freiheit der Forschung vor staatlichem Zugriff zu schützen:
Die maßgeblichen Organe sind zum einen der Senat und zum anderen die Fachkollegien.
Dem 39köpfigen Senat gehören einige wenige Mitglieder kraft Amts an (zum Beispiel der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft); die meisten werden aber von den Mitgliedern gewählt. Mitglieder sind die deutschen Hochschulen und sonstige Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Verbände. Der Hauptausschuß des Senats ist das mächtigste Gremium, denn dort werden die Entscheidungen über die Verteilung der Mittel getroffen.
Der Hauptausschuß entscheidet aber nicht selbstherrlich, sondern er folgt in der Regel im wesentlichen den Vorschlägen der Fachkollegien. Diese setzen sich aus Gutachtern zusammen, die für jedes Fach gewählt werden. Fächer sind nicht nach Fakultäten, Abteilungen oder Studiengängen definiert, sondern nach scientific communities, also nach der internen Gliederung der Forschung, die zum Beispiel daran zu erkennen ist, wer mit wem kooperiert, gemeinsame Tagungen organisiert usw. Beispiele für derart definierte Fächer sind "Ägyptische und Vorderasiatische Altertumswissenschaften", "Wirtschafts- und Sozialpolitik" oder "Kern- und Elementarteilchenphysik, Quantenmechanik, Relativitätstheorie, Felder".
Gewählt werden die Fachgutachter - für jedes Fach mindestens zwei - von allen Wissenschaftlern, die mindestens promoviert und in dem betreffenden Bereich in Deutschland in der Forschung tätig sind (genauer: in einer der Einrichtungen, die Mitglied der DFG sind; aber das sind faktisch alle Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen von Belang).
Vielleicht mögen Sie sich einmal die Wahlordnung zu den Fachkollegien ansehen; dann verstehen Sie, wie demokratisch dieses Verfahren ist: Man erhält als Wissenschaftler vor jeder Wahlperiode umfangreiche Unterlagen zugeschickt und entscheidet sich dann in geheimer, schriftlicher Wahl für die Fachgutachter, die man gern im Fachkollegium seines Fachs sehen möchte.
Die meisten Wissenschaftler nehmen das sehr ernst; denn sie wissen ja, daß die Chancen für die Finanzierung ihrer eigenen Forschung davon abhängen, daß ihre Anträge von qualifizierten und vor allem unparteiischen Gutachtern bewertet werden. Im allgemeinen setzen sich deshalb diejenigen Kandidaten durch, die nicht nur über hohes fachliches Ansehen verfügen, sondern die auch nach Einschätzung ihrer Fachkollegen objektiv und allein nach Qualität zu urteilen vermögen. Fachgutachter ("Kollegiat") zu sein ist eine arbeitsintensive Tätigkeit, aber dennoch begehrt; denn das Prestige dieses Amts ist enorm.
Um zu verstehen, wie diese Institutionen der DFG in ihrem Zusammenwirken funktionieren, stellen Sie sich bitte vor, daß Sie an einer deutschen Universität eine Forschungsgruppe leiten und ein Thema entwickelt haben, das Sie gern erforschen möchten. Sie schreiben dann einen Antrag (heute häufig oft innerhalb einer Gruppe wie eines SFB oder eines SPP; ich gehe darauf jetzt nicht ein) und reichen ihn bei der DFG ein. Er wird den zuständigen Fachgutachtern zugeleitet, die ihn beurteilen. Meist werden auch weitere, externe Gutachter eingeschaltet, die als Experten für das betreffende Thema ausgewiesen sind. Denn die Fachgutachter allein können in der Regel nicht alle Details überblicken, die für eine sachgerechte Beurteilung des Antrags von Belang sind.
Wie in der Wissenschaft üblich, bleiben die Gutachter gegenüber dem Antragsteller anonym. Sie empfehlen Annahme oder Ablehnung; im Fall der Annahme werden meist bestimmte Anregungen gegeben oder Auflagen gemacht (zum Beispiel die Mittel nicht im vollen Umfang zu gewähren oder das Thema stärker einzugrenzen). Zusammen mit den Gutachten geht der Antrag sodann in den Hauptauschuß des Senats, der die endgültige Entscheidung trifft; meist schließt er sich der Mehrheit der jeweiligen Gutachter an.
Ich kenne kein besseres Verfahren, um Forschungsmittel nach wissenschaftlichen und nicht nach politischen oder wirtschaftlichen Kriterien zu verteilen. Gegutachtet wird von demokratisch gewählten Fachgutachtern; entschieden wird vom Hauptausschuß des demokratisch gewählten Senats. Kein Politiker, keine Wirtschaftsinteressen können von außen in die Freiheit der Wissenschaft hineinregieren. Die DFG gilt deshalb, wie eingangs gesagt, als weltweit beispielhaft.
Und nun lesen Sie einmal, was gestern Regina Mönch in der FAZ berichtet hat; Überschrift "Kritik an der DFG - Undurchsichtige Auftragsforschung":
Die Vergabe von Forschungsmitteln durch die DFG soll damit offenkundig politisiert werden; die Forschung möchte man gern in den Dienst politischer Ziele stellen.
Diesem Zweck soll es offenbar dienen, vor allem die Anonymität der Gutachter aufzuheben. Die FAZ:
Es geht nicht um's Bürgen, sondern um gutachterliche Unabhängigkeit. Man kennt sich natürlich innerhalb der scientific community jedes Fachs. Niemand mag es gern mit einem Kollegen verderben; jedenfalls keinem mächtigen. Ich habe es bei der DFG wiederholt erlebt, daß auch Anträge von Größen des Fachs abgelehnt wurden, wenn ihre Qualität nicht ausreichte. Dies wäre den Gutachtern fast unmöglich, wenn sie ihre Identität offenlegen müßten.
Die Forderung nach "Transparenz" wird in der Regel vor allem von denen erhoben, die politische Pressionen ausüben möchten. Eine "transparente" DFG, wie sie jetzt die im Theater Bert Brechts Versammelten forderten, wäre eine für ihre Politisierung zugerichtete DFG.
Die DFG hat gestern in einer Presseerklärung mit der erforderlichen Schärfe reagiert:
Wenn Sie bis hierher genau gelesen haben, dann ist ihnen vielleicht etwas aufgefallen: Der erste Satz, den ich aus dem Bericht der FAZ zitiert habe, beginnt mit "Verleger und Wissenschaftler ...". Was haben denn Verleger mit der Struktur der DFG und deren Transparenz oder Nicht-Transparenz zu tun?
Vor allem ein Verleger tat sich hervor. Die FAZ:
Roland Reuß, wer ist das? Er hat 13 Jahre lang an der Universität Heidelberg studiert, bevor er dort 1990 promovierte. Reuß gründete dann 1994 einen privaten Verein, das Institut für Textkritik e.V., für das Sie hier spenden können und dessen Vorsitzender Reuß auch heute noch ist.
Nach der Promotion brauchte Roland Reuß noch einmal 13 Jahre, bevor er sich 2003 - also 26 Jahre nach Aufnahme seines Studiums - habilitierte und er damit zum Privatdozenten ernannt wurde. Vier Jahre später erhielt er eine Hausberufung von dieser seiner Universität. Eine ungewöhnliche wissenschaftliche Biographie, die in drei Jahrzehnten ohne jeden Wechsel der Hochschule von der Einschreibung als Erstsemester zur Professur an jener Alma Mater führte; alma fürwahr.
Aber nun gut. Interessanter ist, daß niemand anders als dieses Institut für Textkritik als Veranstalter der Tagung beim Berliner Ensemble fungiert, auf der die DFG so heftig kritisiert wurde. Und interessant ist, welche Kritik denn der Verleger Siebeck an der DFG dort vorzubringen hatte. Noch einmal die FAZ:
Und weil das eigentlich kein Schwein interessiert, hatte man offenbar die Idee, in dem Theater, in dem einst Bert Brecht seine Triumphe feierte, das Theater einer gegen die DFG gerichteten "Tagung" zu veranstalten.
Genüßlich verzeichnet man nun das Presseecho.
Der Regelfall in vielen Ländern ist es, daß man Forschungsgelder, sofern es sich nicht um privat finanzierte Auftragsforschung handelt, bei staatlich kontrollierten funding agencies einwirbt; in den USA zum Beispiel bei der National Science Foundation, dem National Institute of Health oder - in den Natur- und medizinischen Wissenschaften in nicht geringem Umfang - bei Einrichtungen des Militärs wie der Veterans Administration und dem Office of Naval Research.
Das hat zwei Konsequenzen: Erstens gibt es oft eine enge Verzahnung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung; was Vor- und Nachteile hat. Zweitens hat die Regierung - die Entscheidungen über die Verteilung der Mittel werden in den USA teils von der Administration, teils vom Senat getroffen - einen erheblichen Einfluß auf die Forschungspolitik.
In Deutschland ist das anders. Zwar gibt es auch hier staatliche Programme der Finanzierung von Forschung; sowohl durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch durch die entsprechenden Ministerien der Länder. Aber zentral ist das nicht. Wer forscht, der wird in aller Regel mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu tun haben, der DFG. Sie wird zwar überwiegend aus Steuermitteln finanziert, aber sie ist keine staatliche Einrichtung, sondern ein 1951 gegründeter Verein. Ein Verein, der allerdings über viel Geld verfügt. Im Jahr 2010 betrug das Budget der DFG 2,237 Milliarden Euro.
Die DFG ist ein Verein, dessen Struktur die Freiheit der Forschung garantiert. Denn es sind die Hochschulen und sonstigen Forschungseinrichtungen selbst, und es sind vor allem die Forscher selbst, die über ihre gewählten Vertreter die Vergabe der Mittel bestimmen.
Werfen Sie vielleicht einmal einen Blick in die Satzung der DFG; Sie sehen dann, wie vorbildlich dort alles daraufhin eingerichtet ist, die Freiheit der Forschung vor staatlichem Zugriff zu schützen:
Die maßgeblichen Organe sind zum einen der Senat und zum anderen die Fachkollegien.
Dem 39köpfigen Senat gehören einige wenige Mitglieder kraft Amts an (zum Beispiel der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft); die meisten werden aber von den Mitgliedern gewählt. Mitglieder sind die deutschen Hochschulen und sonstige Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Verbände. Der Hauptausschuß des Senats ist das mächtigste Gremium, denn dort werden die Entscheidungen über die Verteilung der Mittel getroffen.
Der Hauptausschuß entscheidet aber nicht selbstherrlich, sondern er folgt in der Regel im wesentlichen den Vorschlägen der Fachkollegien. Diese setzen sich aus Gutachtern zusammen, die für jedes Fach gewählt werden. Fächer sind nicht nach Fakultäten, Abteilungen oder Studiengängen definiert, sondern nach scientific communities, also nach der internen Gliederung der Forschung, die zum Beispiel daran zu erkennen ist, wer mit wem kooperiert, gemeinsame Tagungen organisiert usw. Beispiele für derart definierte Fächer sind "Ägyptische und Vorderasiatische Altertumswissenschaften", "Wirtschafts- und Sozialpolitik" oder "Kern- und Elementarteilchenphysik, Quantenmechanik, Relativitätstheorie, Felder".
Gewählt werden die Fachgutachter - für jedes Fach mindestens zwei - von allen Wissenschaftlern, die mindestens promoviert und in dem betreffenden Bereich in Deutschland in der Forschung tätig sind (genauer: in einer der Einrichtungen, die Mitglied der DFG sind; aber das sind faktisch alle Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen von Belang).
Vielleicht mögen Sie sich einmal die Wahlordnung zu den Fachkollegien ansehen; dann verstehen Sie, wie demokratisch dieses Verfahren ist: Man erhält als Wissenschaftler vor jeder Wahlperiode umfangreiche Unterlagen zugeschickt und entscheidet sich dann in geheimer, schriftlicher Wahl für die Fachgutachter, die man gern im Fachkollegium seines Fachs sehen möchte.
Die meisten Wissenschaftler nehmen das sehr ernst; denn sie wissen ja, daß die Chancen für die Finanzierung ihrer eigenen Forschung davon abhängen, daß ihre Anträge von qualifizierten und vor allem unparteiischen Gutachtern bewertet werden. Im allgemeinen setzen sich deshalb diejenigen Kandidaten durch, die nicht nur über hohes fachliches Ansehen verfügen, sondern die auch nach Einschätzung ihrer Fachkollegen objektiv und allein nach Qualität zu urteilen vermögen. Fachgutachter ("Kollegiat") zu sein ist eine arbeitsintensive Tätigkeit, aber dennoch begehrt; denn das Prestige dieses Amts ist enorm.
Um zu verstehen, wie diese Institutionen der DFG in ihrem Zusammenwirken funktionieren, stellen Sie sich bitte vor, daß Sie an einer deutschen Universität eine Forschungsgruppe leiten und ein Thema entwickelt haben, das Sie gern erforschen möchten. Sie schreiben dann einen Antrag (heute häufig oft innerhalb einer Gruppe wie eines SFB oder eines SPP; ich gehe darauf jetzt nicht ein) und reichen ihn bei der DFG ein. Er wird den zuständigen Fachgutachtern zugeleitet, die ihn beurteilen. Meist werden auch weitere, externe Gutachter eingeschaltet, die als Experten für das betreffende Thema ausgewiesen sind. Denn die Fachgutachter allein können in der Regel nicht alle Details überblicken, die für eine sachgerechte Beurteilung des Antrags von Belang sind.
Wie in der Wissenschaft üblich, bleiben die Gutachter gegenüber dem Antragsteller anonym. Sie empfehlen Annahme oder Ablehnung; im Fall der Annahme werden meist bestimmte Anregungen gegeben oder Auflagen gemacht (zum Beispiel die Mittel nicht im vollen Umfang zu gewähren oder das Thema stärker einzugrenzen). Zusammen mit den Gutachten geht der Antrag sodann in den Hauptauschuß des Senats, der die endgültige Entscheidung trifft; meist schließt er sich der Mehrheit der jeweiligen Gutachter an.
Ich kenne kein besseres Verfahren, um Forschungsmittel nach wissenschaftlichen und nicht nach politischen oder wirtschaftlichen Kriterien zu verteilen. Gegutachtet wird von demokratisch gewählten Fachgutachtern; entschieden wird vom Hauptausschuß des demokratisch gewählten Senats. Kein Politiker, keine Wirtschaftsinteressen können von außen in die Freiheit der Wissenschaft hineinregieren. Die DFG gilt deshalb, wie eingangs gesagt, als weltweit beispielhaft.
Und nun lesen Sie einmal, was gestern Regina Mönch in der FAZ berichtet hat; Überschrift "Kritik an der DFG - Undurchsichtige Auftragsforschung":
Verleger und Wissenschaftler riefen ... jetzt auf einer Tagung im Berliner Ensemble dazu auf, endlich die überfällige öffentliche Debatte über DFG-Strukturen, das anonyme und darum nicht nachvollziehbare Gutachterwesen, die undurchsichtigen Finanzströme und die Rolle des Wissenschaftsrates dabei zu beginnen. Sie führen zur Begründung schwere Versäumnisse an und kritisieren die Förderpolitik der DFG scharf, die an einen Geheimbund erinnere, der wenig von Kritik und Rechenschaftsberichten halte.Besonders krass, wenn auch nicht besonders deutlich, äußerte sich der Heidelberger Literaturwissenschaftler Roland Reuß. Regina Mönch zitiert ihn im Wortlaut:
"Die durch eklatante Unterausstattung der Universitäten unkontrolliert wachsende und alles sich unterwerfende Macht des transföderal und opak oligarchisch agierenden Forschungsförderungsapparats ist nicht nur eine konkrete politische Gefahr, weil sie die Chance der Erforschung radikal neuer Ansätze und damit letztlich auch die Möglichkeit gesellschaftlich notwendiger Transformationen minimiert. Sie demoralisiert vor allem das forschende Individuum, die Basis jeden wissenschaftlichen Fortschritts."Wenn man diese verquaste Sprache ins Deutsche übersetzt, dann lautet der Inhalt dieser Passage ungefähr so: Über die Förderung durch die DFG sollten nicht ausgewiesene Fachleute entscheiden (also die gewählten Fachgutachter und weitere, von ihnen bestellte Experten), sondern es sollen "radikal neue Ansätze" ermöglicht werden, mit dem Ziel von "gesellschaftlich notwendigen Transformationen".
Die Vergabe von Forschungsmitteln durch die DFG soll damit offenkundig politisiert werden; die Forschung möchte man gern in den Dienst politischer Ziele stellen.
Diesem Zweck soll es offenbar dienen, vor allem die Anonymität der Gutachter aufzuheben. Die FAZ:
Damit der Gutachterprozess durchsichtig werde, müsse die Anonymität der Gutachter aufgehoben und ein Appellationsweg bei abgelehnten Anträgen eingerichtet werden, sagte Reuß. "Wer als Wissenschaftler nicht bereit ist, mit seinem Namen zu bürgen, hat als Gutachter in einem für wissenschaftliche Projekte so wichtigen Prozess nichts verloren."Mit "bürgen" oder nicht "bürgen" hat es nun freilich nicht das Geringste zu tun, daß wissenschaftliche Begutachtungen - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit; nicht nur bei der DFG, sondern bei fast allen seriösen Fachzeitschriften - anonym sind; das Minimum ist, daß der Gutachter selbst entscheiden kann, ob er anonym bleiben möchte oder nicht.
Es geht nicht um's Bürgen, sondern um gutachterliche Unabhängigkeit. Man kennt sich natürlich innerhalb der scientific community jedes Fachs. Niemand mag es gern mit einem Kollegen verderben; jedenfalls keinem mächtigen. Ich habe es bei der DFG wiederholt erlebt, daß auch Anträge von Größen des Fachs abgelehnt wurden, wenn ihre Qualität nicht ausreichte. Dies wäre den Gutachtern fast unmöglich, wenn sie ihre Identität offenlegen müßten.
Die Forderung nach "Transparenz" wird in der Regel vor allem von denen erhoben, die politische Pressionen ausüben möchten. Eine "transparente" DFG, wie sie jetzt die im Theater Bert Brechts Versammelten forderten, wäre eine für ihre Politisierung zugerichtete DFG.
Die DFG hat gestern in einer Presseerklärung mit der erforderlichen Schärfe reagiert:
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Matthias Kleiner, hat die gegen die DFG erhobenen Vorwürfe der Intransparenz und der nicht nachvollziehbaren Finanzströme zurückgewiesen. Kleiner bezog sich auf eine Veranstaltung am 1. Juli unter dem Titel "Freie Wissenschaft vs. gemeine Wissenschaftsförderung. Zur Reform der DFG“, zu der eine kleine Wissenschaftlergruppe eingeladen hatte und die in einer Reihe von Presseveröffentlichungen in dieser Woche ihren Niederschlag fand.Dem ist nichts hinzuzufügen. Oder vielmehr fast nichts.
"Die dort geäußerte Kritik ist haltlos und absurd. Jeder, der will, kann sich in vielen Quellen bis ins Detail informieren, was, wer und wie von der DFG gefördert wird“, sagte Kleiner auf der Jahrespressekonferenz der DFG am Donnerstag, dem 7. Juli, in Berlin.
Zu den Kritikpunkten im Einzelnen:
Es wird behauptet, das Gutachterwesen und die Förderpolitik der DFG seien intransparent und geheimbündlerisch. Tatsächlich wird der Begutachtungs- und Entscheidungsprozess der DFG von Gremien wie den Fachkollegien oder den Senatsausschüssen für Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs gestaltet, deren Mitglieder allesamt aus der Wissenschaft heraus gewählt werden. Ihre Namen sind im Jahresbericht und auf der Homepage der DFG veröffentlicht. Ebenso sind die Namen der Mitglieder aller in Begutachtungen eingesetzten Prüfungsgruppen den Antragstellern bekannt. Die Hinweise der Gutachter werden den Antragstellern mitgeteilt.
Auch in der Einzelförderung werden bei abgelehnten Anträgen die eingeholten Einzelgutachten den Antragstellern zur Kenntnis gegeben. Dies geschieht entsprechend internationaler Gepflogenheiten in anonymisierter Form, um die Unabhängigkeit der Gutachter zu schützen und deren unbestechliches Urteil zu gewährleisten. Die Entscheidungsempfeh-lungen der Fachkollegien werden in vollem Umfang mitgeteilt.
Es wird behauptet, die Finanzströme seien nicht nachvollziehbar und würden nicht dokumentiert. Das Gegenteil ist der Fall: Im Jahresbericht der DFG mit seinem ausführlichen Haushaltsbericht, wird im Detail über die Finanzströme Rechenschaft abgelegt.
Wenn Sie bis hierher genau gelesen haben, dann ist ihnen vielleicht etwas aufgefallen: Der erste Satz, den ich aus dem Bericht der FAZ zitiert habe, beginnt mit "Verleger und Wissenschaftler ...". Was haben denn Verleger mit der Struktur der DFG und deren Transparenz oder Nicht-Transparenz zu tun?
Vor allem ein Verleger tat sich hervor. Die FAZ:
Er betrachte mit Sorge die zunehmend undurchsichtige Rolle der DFG in der Wissenschaftspolitik, die mit ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung immer weniger zu tun habe, sagte der Heidelberger Verleger Georg Siebeck in Berlin. Er vernehme in Gesprächen mit vielen seiner Autoren und Herausgeber immer wieder ein großes Unbehagen an der DFG, doch wage kaum jemand, dies offen auszusprechen.Heidelberg? Das hatten wir doch gerade. Richtig, auch der Literaturwissenschaftler Reuß, dessen Philippika gegen die DFG ich zitiert habe, ist in Heidelberg tätig. (Der Verlag von Siebeck, Mohr Siebeck, hat übrigens seinen Hauptsitz in Tübingen).
Roland Reuß, wer ist das? Er hat 13 Jahre lang an der Universität Heidelberg studiert, bevor er dort 1990 promovierte. Reuß gründete dann 1994 einen privaten Verein, das Institut für Textkritik e.V., für das Sie hier spenden können und dessen Vorsitzender Reuß auch heute noch ist.
Nach der Promotion brauchte Roland Reuß noch einmal 13 Jahre, bevor er sich 2003 - also 26 Jahre nach Aufnahme seines Studiums - habilitierte und er damit zum Privatdozenten ernannt wurde. Vier Jahre später erhielt er eine Hausberufung von dieser seiner Universität. Eine ungewöhnliche wissenschaftliche Biographie, die in drei Jahrzehnten ohne jeden Wechsel der Hochschule von der Einschreibung als Erstsemester zur Professur an jener Alma Mater führte; alma fürwahr.
Aber nun gut. Interessanter ist, daß niemand anders als dieses Institut für Textkritik als Veranstalter der Tagung beim Berliner Ensemble fungiert, auf der die DFG so heftig kritisiert wurde. Und interessant ist, welche Kritik denn der Verleger Siebeck an der DFG dort vorzubringen hatte. Noch einmal die FAZ:
Verleger wie Georg Siebeck und Wissenschaftler halten darum "äußerste Transparenz" für geboten. Auch darüber, wer für welche Entscheidung verantwortlich ist. Mit einem inzwischen dauerhaft auf ihre Finanzierung angewiesenen neuen System von Wissenschaftsverlagen und Open-Access-Portalen grabe die DFG längst an den Fundamenten einer unabhängigen Wissenschaft, sagte der Verleger.Und nun hüpft sie aus dem Sack, die Katze. Denn gegen Open Access - also den freien, kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen über das Internet - finden wir eine heftige Polemik auch von Roland Reuß auf der WebSite seines Instituts für Textkritik. Und wer ist da ein Haupt-Bösewicht? Sie werden es ahnen - die DFG:
Nun sollen, ohne jegliche Technikfolgeabschätzung, die ideologischen Forderungen der Open Access-Aktivisten auf breiter Front durchgesetzt werden – mit verheerenden Folgen für das Urheberrecht. Es ist zu bedauern, daß die DFG sich hierbei zunehmend als Lobbyist profiliert und aktiv den Versuch vorantreibt, einen staatsmonopolistischen Verwertungskreislauf in Gang zu bringen.Es ist nicht unpikant, wenn jemand, der von einem "staatsmonopolistischen Verwertungskreislauf" redet, sich fast im selben Atemzug gegen "Enteignungen" wendet. So links ist man dann eben dann doch wieder nicht, daß man nicht die eigenen wirtschaftlichen Interessen vertreten würde.
Für diese starke These gibt es mehr als nur schwache Indizien. So erwartet die DFG inzwischen, wie sie in ihren Richtlinien zu Open Access schreibt, "dass die mit ihren Mitteln finanzierten Forschungsergebnisse publiziert und dabei möglichst auch digital veröffentlicht und für den entgeltfreien Zugriff im Internet (Open Access) verfügbar gemacht werden." Das läuft, ist einem die nichtrückrufbare Natur digitaler Materialien vertraut, auf eine kollektive Enteignung hinaus.
Und weil das eigentlich kein Schwein interessiert, hatte man offenbar die Idee, in dem Theater, in dem einst Bert Brecht seine Triumphe feierte, das Theater einer gegen die DFG gerichteten "Tagung" zu veranstalten.
Genüßlich verzeichnet man nun das Presseecho.
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