26. Juli 2011

Marginalie: Vor der Polizei war das Fernsehen da. Warum es so lange dauerte, bis Anders Behring Breivik festgenommen wurde

In der New York Times ist gestern ein Bericht über die norwegische Polizei erschienen. Wenn man ihn gelesen hat und die inzwischen vorliegenden Informationen über den Ablauf des Polizeieinsatzes hinzunimmt, dann wird deutlich, warum Anders Behring Breivik fast eineinhalb Stunden lang morden konnte, bevor ihn Polizisten festnahmen:
  • Eines der ersten Opfer war ein Polizist, der 51jährige Trond Berntsen, der seit Jahren in den Camps auf Utøya für Sicherheit zuständig ist. Ob er sich dem Täter entgegenzustellen versuchte, ist bisher nicht bekannt. Er hätte aber jedenfalls kaum eine Chance gehabt, denn er war unbewaffnet.

  • Für die Bewaffnung norwegischer Polizisten gelten die folgenden gesetzlichen Bestimmungen: Generell sind Polizisten unbewaffnet. Sie haben auch keinen unmittelbaren Zugang zu Waffen, sondern müssen diesen gegebenenfalls bei ihrem Vorgesetzten beantragen. Schutzpolizisten, die Streife fahren, haben Pistolen in ihrem Wagen. Diese müssen jedoch ungeladen sein und sich in einem verschlossenen Behälter befinden. Es bedarf einer Erlaubnis, sie daraus zu entnehmen.

  • Wie Reuters gestern meldete, ging bereits um 17.26 Uhr am Freitag bei der Polizei des Distrikts Nordre Buskerud ein Notruf von der Insel ein. Vier Minuten später wurde die Meldung nach Oslo weitergegeben, und nach weiteren acht Minuten reichte die Distriktpolizei formal den Antrag ein, Verstärkung zu schicken. Warum die örtlichen Polizisten nicht selbst gegen den Täter vorgingen, ist bisher ungeklärt. Im Artikel der New York Times heißt es, daß ein norwegischer Polizist in der Regel in seinem gesamten dienstlichen Leben weniger Schüsse abgibt als Breivik während seiner Mordtat.

  • In der Großstadt Oslo gibt es offenbar kein Einsatzkommando, das für derartige Einsätze zur Rettung von Menschenleben fertig ausgerüstet bereitsteht. Laut Daily Mail sagte die Polizeichefin von Hønefoss (dem Ort, in dessen Nähe die Insel Utøya liegt), Sissel Hammer, die Mitglieder der Spezialeinheit hätten zunächst einmal benachrichtigt werden müssen, dann hätten sie Zeit gebraucht, bis sie ihre Schutzkleidung angelegt und sich bewaffnet hätten.

  • Diese Spezialeinheit "Delta" verfügt über keine eigenen Transportmittel, obwohl sie diese seit langem beantragt. Nach Auskunft des Polizeisprechers Johan Fredriksen dienen die Hubschrauber der Polizei nur zu Beobachtungszwecken, können aber nicht mehrere Polizisten transportieren. Man hätte auf einen Hubschrauber des Militärs zurückgreifen müssen, der sich aber auf dem Flughafen Rygge befand, mehr als 50 km südlich von Oslo.
  • So kam es, daß bereits ein Hubschrauber des Fernsehsenders NRK über der Insel kreiste und Filmaufnahmen machte, während das Sondereinsatzkommando sich noch auf der Anfahrt über die Landstraße nach Utøya befand. Als man dann das Ufer gegenüber der Insel erreichte, mußte das Boot eines Urlaubers beschlagnahmt werden, das dann wegen zu hoher Beladung bei der Überfahrt so viel Wasser aufnahm, daß der Motor ausfiel.



    Aus dem Bericht von Reuters:
    "You can’t expect a better response than that. We are very pleased with that," said police Chief of Staff Johan Fredriksen. "We would do it the same way again unless we were given more resources."

    "Man kann keine bessere Reaktion als diese erwarten. Wir sind damit hochzufrieden" sagte Johan Fredriksen, der Leiter des Polizeistabs. "Wir würden es wieder genauso machen; es sei denn, daß man uns mehr Ressourcen gibt".
    Zettel



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