Mittlerweile haben die Protagonisten des Prozesses eine solche Stärke erreicht, daß sie zum einen die Selbstregierung konsequent ausbauen und zum anderen den reaktionären Staatsapparat in einer Doppelherrschaft bekämpfen oder auch zersetzen können. Außerdem gibt es immer mehr Kämpfe zur Übernahme der Kontrolle über die Produktionsmittel.
Helke Buttkereit in der heutigen "Jungen Welt" über die Entwicklung in Venezuela.
Kommentar: Der Artikel trägt den Titel "Von unten auf", ist ziemlich lang und vertritt die These, daß Venezuela nicht durch einen Umsturz in der Art der Oktoberrevolution zum Sozialismus gelangen werde, sondern in "einem sozialrevolutionären Prozeß neuen Typs".
Der Autor beschreibt diesen Prozeß so, daß ich bei der Lektüre den Eindruck einer Zeitreise in die sechziger und siebziger Jahre hatte. Da ist wieder dieses idealisierende Bild von "den Menschen", vom guten Proleten:
Was der Autor mit ziemlich vielen Worten beschreibt, ist Chávez' Strategie zur Einführung des Sozialismus, die ich gern eine Salami-Taktik nenne: Nicht der Putsch, nicht der Bürgerkrieg, sondern das langsame Abwürgen des Rechtsstaats, der demokratischen Freiheiten, der Privatwirtschaft (siehe z.B. Heimlich, still und leise. Die kommunistische Machtergreifung in Venezuela; ZR vom 13. 4. 2007; "Kein Iota". Chávez schnippelt wieder; ZR vom 11. 6. 2009; Wie Hugo Chávez die Meinungsfreiheit endgültig beseitigen will; ZR vom 31. 7. 2009).
Und wer schreibt nun so, wie man als revolutionärer Linker vor vierzig Jahren schrieb? Wer ist dieser Autor Helge Buttkereit?
Ich stellte mir einen im Kampf ergrauten Kommunisten vor, der diesen Jargon, der diese Denkweise in seiner Jugend erlernt und nie abgelegt hat. Und als jemanden aus der Schar dieser Alt-Achtundsechziger, den es einmal nach Cuba, nach Nicaragua oder vielleicht ja auch nach Venezuela verschlagen hatte.
Weit gefehlt! Helke Buttkereit ist 1976 geboren, war nach dem Studium der Journalistik in Leipzig von 2004 bis 2006 Volontär bei der "Celleschen Zeitung" und ist seither freier Journalist. Artikel hat er überwiegend für Tageszeitungen geschrieben; sofern aus der Liste eine Spezialisierung erkennbar ist, gilt sein besonderes berufliches Interesse dem Musikmarkt, dem Fußball und dem Handball.
Seine biografischen Angaben lassen nicht erkennen, daß er je in Lateinamerika gearbeitet hat.
Seine Kenntnisse Venezuelas, soweit sie in dem Artikel sichtbar werden, bezieht er offenbar aus theoretischen und revolutionären Schriften, die er gelesen hat. Daher wohl der seltsam abgehobene Charakter seines Textes, in dem von den realen Verhältnissen in Venezuela - von der desaströsen wirtschaftlichen Entwicklung, von der Inflation, vom sinkenden Lebensstandard - nichts vorkommt.
Nun, vielleicht interessiert ihn das alles nicht, weil es nur die Bourgeoisie betrifft. Dem Proletariat dient sie doch bestimmt, die Politik von Chávez?
Nein, auch dort ist es nicht so, wie es sich der deutsche Journalist Buttkereit offenbar aus der Ferne ausmalt.
2008 erschien in Foreign Affairs dazu ein längerer Artikel des Ökonomen Francisco Rodríguez, der sich in Venezuela auskennt. Er war von 2000 bis 2004 Chefökonom der venezolanischen Nationalversammlung.
Ich habe damals ausführlich über diesen Artikel berichtet und aus ihm zitiert; ... Blick auf die wirtschaftliche und soziale Situation in Venezuela; ZR vom 20. 6. 2008). Man kann dort nicht nur lesen, wie und warum die Politik von Chávez das Land ruiniert, sondern erfährt auch, wie sich während seiner Amtszeit die Lage der armen Bevölkerung entwickelt hat; nämlich in vielen Bereichen (zum Beispiel den Wohnverhältnissen) abwärts.
Aber es ist schon seltsam: Der Glaube daran, daß Sozialismus etwas Gutes für diejenigen sei, die unter ihm leben, ist offenbar durch keinen Blick auf die Wirklichkeit zu beseitigen.
Oder sagen wir: Diejenigen, die diesen Traum in ihrer Jugend träumten, erwachen oft irgendwann und werfen einen gründlichen Blick auf die Realität. Aber dann kommt die nächste Generation, wie die von Helge Buttkereit, und fängt wieder mit dem Träumen an. Mit dem Traum der Unvernunft.
Helke Buttkereit in der heutigen "Jungen Welt" über die Entwicklung in Venezuela.
Kommentar: Der Artikel trägt den Titel "Von unten auf", ist ziemlich lang und vertritt die These, daß Venezuela nicht durch einen Umsturz in der Art der Oktoberrevolution zum Sozialismus gelangen werde, sondern in "einem sozialrevolutionären Prozeß neuen Typs".
Der Autor beschreibt diesen Prozeß so, daß ich bei der Lektüre den Eindruck einer Zeitreise in die sechziger und siebziger Jahre hatte. Da ist wieder dieses idealisierende Bild von "den Menschen", vom guten Proleten:
Die Menschen in Venezuela kämpfen Tag für Tag gegen alte und neue Bürokratie, privatwirtschaftlichen wie staatswirtschaftlichen Kapitalismus.Da wird wieder die tiefe theoretische Durchdringung gefordert:
Der Aufgabe einer theoretischen Durchdringung, der Kritik und Selbstkritik des Prozesses, die die revolutionäre Organisation zu leisten hat, wird zwar die PSUV [die Sozialistische Einheitspartei Venezuelas; Zettel] derzeit kaum gerecht. (...) Es kommt zudem darauf an, den Kampf auf eine klare theoretische Grundlage zu stellen, da nur von dieser ausgehend das Ziel wirklich sichtbar und vor allem dann auch zu erreichen ist.Und so fort, die ganze linke Phraseologie, die einst die Diskussionen im SDS und später in den K-Gruppen kennzeichnete.
Was der Autor mit ziemlich vielen Worten beschreibt, ist Chávez' Strategie zur Einführung des Sozialismus, die ich gern eine Salami-Taktik nenne: Nicht der Putsch, nicht der Bürgerkrieg, sondern das langsame Abwürgen des Rechtsstaats, der demokratischen Freiheiten, der Privatwirtschaft (siehe z.B. Heimlich, still und leise. Die kommunistische Machtergreifung in Venezuela; ZR vom 13. 4. 2007; "Kein Iota". Chávez schnippelt wieder; ZR vom 11. 6. 2009; Wie Hugo Chávez die Meinungsfreiheit endgültig beseitigen will; ZR vom 31. 7. 2009).
Und wer schreibt nun so, wie man als revolutionärer Linker vor vierzig Jahren schrieb? Wer ist dieser Autor Helge Buttkereit?
Ich stellte mir einen im Kampf ergrauten Kommunisten vor, der diesen Jargon, der diese Denkweise in seiner Jugend erlernt und nie abgelegt hat. Und als jemanden aus der Schar dieser Alt-Achtundsechziger, den es einmal nach Cuba, nach Nicaragua oder vielleicht ja auch nach Venezuela verschlagen hatte.
Weit gefehlt! Helke Buttkereit ist 1976 geboren, war nach dem Studium der Journalistik in Leipzig von 2004 bis 2006 Volontär bei der "Celleschen Zeitung" und ist seither freier Journalist. Artikel hat er überwiegend für Tageszeitungen geschrieben; sofern aus der Liste eine Spezialisierung erkennbar ist, gilt sein besonderes berufliches Interesse dem Musikmarkt, dem Fußball und dem Handball.
Seine biografischen Angaben lassen nicht erkennen, daß er je in Lateinamerika gearbeitet hat.
Seine Kenntnisse Venezuelas, soweit sie in dem Artikel sichtbar werden, bezieht er offenbar aus theoretischen und revolutionären Schriften, die er gelesen hat. Daher wohl der seltsam abgehobene Charakter seines Textes, in dem von den realen Verhältnissen in Venezuela - von der desaströsen wirtschaftlichen Entwicklung, von der Inflation, vom sinkenden Lebensstandard - nichts vorkommt.
Nun, vielleicht interessiert ihn das alles nicht, weil es nur die Bourgeoisie betrifft. Dem Proletariat dient sie doch bestimmt, die Politik von Chávez?
Nein, auch dort ist es nicht so, wie es sich der deutsche Journalist Buttkereit offenbar aus der Ferne ausmalt.
2008 erschien in Foreign Affairs dazu ein längerer Artikel des Ökonomen Francisco Rodríguez, der sich in Venezuela auskennt. Er war von 2000 bis 2004 Chefökonom der venezolanischen Nationalversammlung.
Ich habe damals ausführlich über diesen Artikel berichtet und aus ihm zitiert; ... Blick auf die wirtschaftliche und soziale Situation in Venezuela; ZR vom 20. 6. 2008). Man kann dort nicht nur lesen, wie und warum die Politik von Chávez das Land ruiniert, sondern erfährt auch, wie sich während seiner Amtszeit die Lage der armen Bevölkerung entwickelt hat; nämlich in vielen Bereichen (zum Beispiel den Wohnverhältnissen) abwärts.
Aber es ist schon seltsam: Der Glaube daran, daß Sozialismus etwas Gutes für diejenigen sei, die unter ihm leben, ist offenbar durch keinen Blick auf die Wirklichkeit zu beseitigen.
Oder sagen wir: Diejenigen, die diesen Traum in ihrer Jugend träumten, erwachen oft irgendwann und werfen einen gründlichen Blick auf die Realität. Aber dann kommt die nächste Generation, wie die von Helge Buttkereit, und fängt wieder mit dem Träumen an. Mit dem Traum der Unvernunft.
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