Das heute verkündete Urteil wird überwiegend so interpretiert, als habe das Gericht die Regelsätze für zu niedrig erklärt. Zumindest ist die Berichterstattung oft mißverständlich, so daß sie diese Interpretation nahelegt.
Bei "Spiegel- Online" ist zum Beispiel im Augenblick zu lesen:
Tatsächlich aber hat das Gericht die Regelsätze keineswegs als zu gering moniert. Es schreibt in der Pressemitteilung zu dem Urteil (Hervorhebungen von mir):
Das Gericht äußerte sich überhaupt nicht zur Höhe der Regelsätze. Es monierte allerdings, daß diese Sätze nicht auf einer hinreichenden empirischen Grundlage ermittelt worden seien; insbesondere diejenigen für Kinder, die einfach als Prozentwerte von dem Regelsatz für Erwachsene festgesetzt wurden.
Bei "Spiegel- Online" ist zum Beispiel im Augenblick zu lesen:
Drei Familien hatten geklagt, weil sie die Hilfssätze für Kinder zu gering fanden - sie bekamen weitgehend Recht.In der Meldung bei Tagesschau.de heißt es:
Nach dem von Gerichtspräsident Hans- Jürgen Papier verkündeten Urteil genügten die gesetzlichen Vorschriften nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Artikel 1 des Grundgesetzes. Zudem verstoßen sie gegen das in der Verfassung garantierte Sozialstaatsprinzip, hieß es zur Begründung.Das kann leicht so verstanden werden - und wird wahrscheinlich überwiegend so verstanden -, daß das Gericht die Regelsätze als zu niedrig ansieht, weil sie unter dem Existenzminimum lägen; und daß es insofern im Sinn der klagenden Eltern entschieden hat.
Tatsächlich aber hat das Gericht die Regelsätze keineswegs als zu gering moniert. Es schreibt in der Pressemitteilung zu dem Urteil (Hervorhebungen von mir):
Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich bezogen auf das Ergebnis die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. (...)Die klagenden Familien bekamen also in dem entscheidenden Punkt - sie hatten die Regelsätze für Kinder als zu niedrig beanstandet - gerade nicht recht.
Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von 345, 311 und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden. Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil sie zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums besonders weit ist. (..)
Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich unzureichend ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dieser Betrag nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere den Ernährungsbedarf von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu decken.
Das Gericht äußerte sich überhaupt nicht zur Höhe der Regelsätze. Es monierte allerdings, daß diese Sätze nicht auf einer hinreichenden empirischen Grundlage ermittelt worden seien; insbesondere diejenigen für Kinder, die einfach als Prozentwerte von dem Regelsatz für Erwachsene festgesetzt wurden.
Es verlangt vom Gesetzgeber, eine bessere Berechnungsgrundlage zu schaffen. Ob diese zu einer Erhöhung der Regelsätze führen wird, sie auf dem bisherigen Niveau beläßt oder vielleicht sogar absenkt, geht aus dem Urteil nicht hervor und kann aus ihm nicht hervorgehen, weil das Gericht ja ihre sorgfältige empirische Ermittlung verlangt.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.