21. Januar 2010

Zitat des Tages: Krauthammer erklärt den Fall Obamas. Nebst einem Nachtrag zu Obamas Aufstieg

It's inherently risky for any charismatic politician to legislate. To act is to choose and to choose is to disappoint the expectations of many who had poured their hopes into the empty vessel -- of which candidate Obama was the greatest representative in recent American political history.

Obama did not just act, however. He acted ideologically. To his credit, Obama didn't just come to Washington to be someone. Like Reagan, he came to Washington to do something -- to introduce a powerful social democratic stream into America's deeply and historically individualist polity. (...)

Hence the resistance. Hence the fall. The system may not always work, but it does take its revenge.


(Es ist von der Sache her riskant für jeden charismatischen Politiker, sich auf Gesetzgebung einzulassen. Zu handeln heißt eine Wahl treffen, und eine Wahl treffen bedeutet, die Erwartungen vieler zu enttäuschen, die ihre Hoffnungen auf jemanden gesetzt hatten, der leer daherredet - wovon der Kandidat Obama der größte Vertreter in der jüngeren amerikanischen Geschichte war.

Obama handelte aber nicht nur. Er handelte ideologisch. Zu seiner Ehre muß gesagt werden, daß er nicht nach Washington kam, um irgendwer zu sein. Wie Reagan kam er nach Washington, um etwas zu bewirken - nämlich um in das tief, das historisch individualistische amerikanische Gemeinwesen eine machtvolle sozialdemokratische Strömung einzubringen. (...)

Von daher der Widerstand. Von daher der Fall. Das System mag nicht immer funktionieren, aber es nimmt Rache).


Kommentar: Besser kann man Obamas Aufstieg und Fall nicht zusammenfassen.

Er wurde gewählt, weil sich jeder Bürger unter seinen beiden zentralen Botschaften - "Jawohl, wir können es schaffen!" "Ein einiges Amerika ohne Parteienstreit!" - das vorstellen konnte, was er wollte. Was denn da gemeinsam, was ohne Parteienstreit geschaffen werden sollte, das ließ der Kandidat weitgehend im Dunkeln.

Er befindet sich jetzt im freien Fall, weil inzwischen klar ist, was er schaffen will: Er will das Amerika des freien, des für sich selbst verantwortlichen Bürgers in ein Amerika verwandeln, in dem der Staat für "seine Menschen" sorgt. Dafür hat er keine Mehrheit und wird er in einem Land mit der Tradition der Vereinigten Staaten von Nordamerika keine Mehrheit bekommen.




Nachtrag am 21. 1., 15.50: In Zettels kleinem Zimmer hat Uwe Richard jetzt auf einen Artikel in "Cicero" aufmerksam gemacht, in dem Leon de Winter den Aufstieg Obamas beleuchtet. Zitat:
Für den PR-Spezialisten Axelrod, der die Problematik der Schwarzen in Amerika durch und durch kennt, war Obama also der ideale Kandidat. Obama hatte sich als Senator of State weder durch außergewöhnlich schlechte noch durch außergewöhnlich gute Leistungen hervorgetan (er stimmte treu im Sinne der Machine ab oder enthielt sich – das tat er 130 Mal), er hatte seine Jahre als community organizer absolviert (ohne das Geringste daraus gemacht zu haben: Seine Anstrengungen haben, soweit bekannt, keine merklichen Erfolge gezeitigt), und er hatte sich gut bei den Machern der Machine eingeführt. Es gab eigentlich nicht viel über Obama zu sagen, außer vielleicht, dass er einen afrikanischen Vater hatte, und das, so erkannte Axelrod, konnte einen idealen Mythos liefern.(...)

Unbefleckt. Groß und schlank und gebildet. Einer, der ganz anders redete als ein Reverend Al Sharpton, ohne eine Spur von Slum-Akzent. Nie ein Schweißtröpfchen. Cool. Hip. Selbstsicher. Einer, der "hope and change" beschwor – ja, die Slogans hatten bei der Kampagne von Deval Patrick für die Wahl zum Gouverneur von Massachusetts so gut funktioniert, dass Axelrod sie für Obama wiederverwendete.

Lesenswert, diese Polemik! Und erfrischend, weil sie eine Schneise durch das Gewuchere der deutschen Obama-Verehrung schlägt.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.