7. Januar 2010

Aktuelles zum Krieg der Dschihadisten (1): Ist Umar Farouk Abdul Mutallab ein Krimineller? Nebst einer Erinnerung an den Fall Khalid Sheik Mohammed

Auf CNN interviewte gestern Larry King den ehemaligen Bürgermeister von New York Rudy Giuliani zum Thema Terrorismus; einen Ausschnitt aus dem Interview können Sie hier als Video sehen.

Giuliani analysierte mit erbarmungsloser Schärfe alle Fehler, welche die Regierung Obama und vor allem der Präsident persönlich in Bezug auf den gescheiterten Terroranschlag von Detroit machten: Sein Schweigen, bis er nach elf Tagen endlich Handlungsbereitschaft erkennen ließ. Den ersten Kommentar der Ministerin für Heimatschutz Janet Napolitano zu dem versuchten Attentat: "The system worked"; das System habe funktioniert. Vor allem aber die Behandlung des Attentäters Umar Farouk Abdul Mutallab.

Dieser ist, sagte der Jurist Giuliani, ein feindlicher Kämpfer (enemy combatant), der innerhalb des Kriegs, den die Dschihadisten gegen die USA führen, eine Aktion unternommen hat; so etwas wie ein Kommando- Unternehmen. Er wurde dazu von der Kaida im Jemen ausgebildet und mit den für das Zünden einer Bombe erforderlichen Mitteln auf seine Mission geschickt.

Er ist kein Krimineller, sondern ein irregulärer Kämpfer. Es wäre richtig und völlig legal gewesen, ihn als solchen zu behandeln; ihn also zu verhören, festzuhalten und schließlich vor ein Kriegsgericht zu stellen, so wie das Präsident Bush für gefangene feindliche irreguläre Kämpfer angeordnet hatte; und so, wie es dem Völkerrecht entspricht.

Man hätte, meint Giuliani, auf diese Weise wertvolle Informationen über die Kaida im Jemen erhalten können. Abdul Mutallab war nach seiner Festnahme zunächst bereit gewesen zu reden. Aber nur bis zu dem Tag, an dem ihm zwei Rechtsanwälte - Miriam Siefer und Leroy Soles - zur Seite gestellt wurden. Seither schweigt er, offenbar auf deren Anraten.

Denn die Regierung Obama hat sich entschieden, Umar Farouk Abdul Mutallab nicht als feindlichen Kämpfer zu betrachten, sondern als einen gewöhnlichen Kriminellen. Er wird also vor ein reguläres Gericht gestellt werden.

Wie die New York Times gestern meldete, ist jetzt Anklage erhoben worden. Abdul Mutallab sitzt gegenwärtig in einem Gefängnis in Milan im Bundesstaat Michigan und ist des versuchten Mordes angeklagt; darauf steht maximal lebenslänglich.



Diese Entscheidung der Regierung Obama ist keineswegs ein Einzelfall. Sie ist das Ergebnis einer neuen Politik, die Obama mit seinem Amtsantritt eingeleitet hatte. Anfang März 2009 erklärte Obamas Justizminister Eric Holder, man werde nicht länger von enemy combatants sprechen.

Sofern man sie nicht freilassen wollte, sollten die Insassen von Guantánamo in die USA verlegt und dort vor ein ziviles Gericht gestellt werden. Beispielsweise auch der Drahtzieher der Anschläge von 9/11, Khalid Sheik Mohammed. Auch er soll von einem regulären Geschworenengericht abgeurteilt werden, und zwar ausgerechnet in New York.

Als ehemaliger Bürgermeister von New York wies Giuliani darauf hin, welches große Risiko eines Anschlags das für die Stadt New York bedeutet. Es würden Maßnahmen zur Sicherheit erforderlich sein, wie die Stadt sie kaum je gekannt hat.

Als Jurist merkte Giuliani an, daß der Ausgang dieses Verfahrens höchst unsicher sei. Denn Khalid Sheik Mohammed sei in der Öffentlichkeit ja längst vorverurteilt. Präsident Obama hätte es gar fertiggebracht, ihm einerseits ein faires Verfahren zuzusichern und ihn andererseits zugleich in der Öffentlichkeit bereits schuldig zu sprechen.

Dieses Verfahren dürfte die cleversten unter den aufstrebenden Anwälten der USA anziehen. Khalid Sheik Mohammed zu verteidigen und damit über Wochen im Rampenlicht zu stehen, ist vermutlich der Traum jedes amerikanischen Anwalts.

Es wäre schon sehr erstaunlich, wenn es ausgebufften lawyers nicht gelingen würde, die Anklage aus formalen Gründen zu zerpflücken. Nicht nur wegen der Vorverurteilung, sondern auch wegen des waterboarding, dem Khalid Sheik Mohammed mehrfach ausgesetzt gewesen war.

Und dann sind da noch die Geschworenen. Wie in New York unparteiische Geschworene finden, die nicht von den Anschlägen von 9/11 selbst - jedenfalls seelisch - betroffen gewesen sind? Wie soll ein fairer Prozeß aussehen, wenn die Geschworenen Einwohner jener Stadt sind, denen im Auftrag Khalid Sheik Mohammeds ein solches Leid zugefügt wurde?



Was in aller Welt hat die Regierung Obama veranlaßt, ohne Not die gefangenen Dschihadisten nicht mehr als die irregulären feindlichen Kämpfer zu behandeln, die sie sind?

Rechtliche Erwägungen? Das kann man ausschließen. Denn nach dem Völkerrecht hat jeder Staat das Recht, gefangene irreguläre Kämpfer so vor Gericht zu stellen, wie es der Rechtslage in dem betreffenden Land entspricht.

Die Rechtslage in den USA ist bestimmt durch erstens die Authorization for Use of Military Force; Public Law 107-40 des Kongresses vom 18. September 2001. Darin heißt es:
That the President is authorized to use all necessary and appropriate force against those nations, organizations, or persons he determines planned, authorized, committed, or aided the terrorist attacks that occurred on September 11 2001, or harbored such organizations or persons, in order to prevent any future acts of international terrorism against the United States by such nations, organizations or persons.

Daß der Präsident autorisiert ist, jede notwendige und angemessene Gewalt gegen Nationen, Organisationen und Personen einzusetzen, von denen er feststellt, daß sie die terroristischen Angriffe, die am 11. September 2001 stattfanden, geplant, angeordnet, begangen oder unterstützt haben oder die solche Organisationen oder Personen beherbergen; mit dem Ziel, jeden weiteren Akt des internationalen Terrorismus gegen die Vereinigten Staaten seitens dieser Nationen, Organisationen oder Personen zu unterbinden.
Zweitens hat Präsident Bush auf der Grundlage unter anderem dieses Gesetzes am 13. November 2001 die Verordnung über Detention, Treatment, and Trial of Certain Non-Citizens in the War Against Terrorism erlassen; über die Haft, die Behandlung und Aburteilung bestimmter Nicht-Bürger [der USA] im Krieg gegen den Terrorismus. Darin wird bestimmt, gefangene irreguläre Kämpfer würden "to be tried for violations of the laws of war and other applicable laws by military tribunals", wegen Verletzungen des Kriegsrechts und anderer einschlägiger Gesetze von Militärgerichten abgeurteilt werden.

Das ist nach wie vor geltendes Recht. Obama aber hat angeordnet, es nicht mehr anzuwenden, sondern die irregulären feindlichen Kämpfer so zu behandeln, als seien sie gewöhnliche Kriminelle.

Wenn juristische Gründe ausscheiden, dann bleiben nur politische. Barack Obama und viele seiner Freunde in der Demokratischen Partei waren während der Präsidentschaft von Präsident Bush nicht müde geworden, in den internationalen Chor der Kritiker von Guantánamo einzustimmen. Obama hätte es seinen Anhängern nicht vermitteln können, das einzig Vernünftige zu tun und die Politik von Präsident Bush weiterzuführen.

Jetzt hat er sein Problem. Jetzt sitzt in Milan, Wisconsin ein gefangener Terrorist, den der Präsident nicht so nennen darf - er nennt ihn juristisch korrekt einen "Verdächtigen" (suspect) -, und den seine Anwälte vergattern, nur ja nicht über seine Organisation im Jemen auszupacken.

Wahrlich, das nenne ich Effizienz im Kampf gegen den Terrorismus.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: NSF. Als Werk der US-Regierung in der Public Domain.