17. September 2009

Wahlen '09 (18): Die Volksfront schon jetzt? Oder besser bis 2013 warten? Die Interessenlage der drei Partner

Angenommen, Schwarzgelb verfehlt die Mehrheit: Soll die Linke dann schon jetzt die Volksfront riskieren, oder wartet man besser bis 2013? Die strategische Lage in den drei Parteien ist verschieden.

Die Grünen haben kein Problem mit der Volksfront. Sie haben sich mit der Wahl von Trittin und Künast zu ihren beiden Spitzenkandidaten unzweideutig für diese Option entschieden. Nur die Volksfront kann die Grünen zurück an die Macht bringen; denn ein Bündnis mit der Union und den Liberalen würde diese Partei zerreißen.

Schwieriger ist die Situation für die SPD. Sie windet sich bei dieser Frage; ihre Position ist so unglaubhaft, wie es die einer Partei überhaupt nur sein kann.

In den Ländern - aktuell in Thüringen und im Saarland - möchte man die Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Nicht nur die betreffenden Landespolitiker wollen sie, sondern ausdrücklich auch der Vorsitzende Müntefering will sie. Für den Bund schließt die SPD die Volksfront ebenfalls nicht aus, allerdings erst für 2013.

Man hat also keine grundsätzliche Scheu, als Demokraten den Kommunisten in die Regierung zu verhelfen. Wenn es in den Ländern ist. Wenn es 2013 ist.

Warum dann aber nicht 2009 im Bund? Natürlich deshalb, weil die Transformation der SPD von einer sozialdemokratischen Volkspartei zu der im Hamburger Programm beschlossenen Partei des Demokratischen Sozialismus noch nicht weit genug fortgeschritten ist.

Damit die Volksfront steht, müssen Leute wie der aufrechte Peer Steinbrück erst noch kaltgestellt werden. Kanzler der Volksfront können Wowereit, Nahles oder - wer weiß - Sigmar Gabriel erst dann werden, wenn die Entclementisierung der SPD zum Abschluß gekommen ist.

Das kann man den Wählern selbstredend nicht sagen. Man sagt, die Partei "Die Linke" sei nicht zuverlässig; es gebe unüberbrückbare Gegensätze, vor allem in der Außenpolitik. Vor allem, was Afghanistan angehe.

Damit begibt man sich freilich in die Hand der Kommunisten. Denn was, wenn diese einfach in Sachen Afghanistan ihre bisherige Position räumen?



Kommunisten nämlich interessiert nicht im Geringsten, ob sie ihr Programm durchsetzen können. Sie interessiert allein die Änderung des, wie sie es nennen, "Kräfteverhältnisses".

Nie haben Kommunisten eine Regierungsbeteiligung ausgeschlagen, die ihnen angeboten wurde. Nie haben sie eine Regierung verlassen, weil deren Kurs nicht mit ihrem Programm in Einklang zu bringen gewesen wäre.

1981 begannen die französischen Kommunisten zusammen mit den Sozialisten das bisher letzte sozialistische Experiment in Westeuropa. 1983 scheiterte es; Mitterand entschied, daß es beim Kapitalismus bleiben werde. Die Kommunisten verharrten in der Regierung - in einer Regierung, die mit ihrer Politik der austérité, also des schlanken Staats, das Gegenteil von dem machte, was die Kommunisten gewollt hatten. Erst als Mitterand sie wieder und wieder demütigte und als sie keine Hoffnung auf Einfluß mehr haben konnten, zogen sie später ihre Minister zurück.

Also wird auch jetzt in Deutschland Afghanistan kein Hindernis für die Volksfront sein. Jedenfalls nicht, was die Kommunisten angeht. In "Spiegel- Online" haben Veit Medick und Sebastian Winter diese neueste Wende der Kommunisten dokumentiert.



Die Grünen wollen es. Die Kommunisten wollen es um den Preis der Selbstverleugnung. Die Sozialdemokraten wollen es eigentlich auch. Nur noch nicht jetzt. Nur noch nicht im Bund.

Wie entwickelt sich eine solche Situation? Man gibt den Zögerlichen etwas Zeit. Man baut ihnen die eine oder andere Goldene Brücke. Und über die marschieren sie dann. Vielleicht nicht gleich; aber doch bald.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.