Der alte und neue Vorsitzende der FDP hat heute in Hannover eine gute, eine vielleicht glänzende Rede gehalten. Er hat viel Bedenkenswertes gesagt. Er hat es mit der ihm eigenen plakativen Zuspitzung gesagt. Ein wenig zu pathetisch aus meiner Sicht; aber gut, das ist Geschmackssache. Alles in allem hätte mir die Rede ausgezeichnet gefallen.
Hätte, nicht hat. Denn bei aller analytischer Klarheit zeigte diese Rede einen fundamentalen Widerspruch; einen Widerspruch, der mir als ein Verstoß gegen jede politische Logik erscheinen will: Westerwelle lieferte eine überzeugende Analyse der politischen Lage dieses Landes und kündigte zugleich einen Kurs an, von dem man den Eindruck hat, daß sein Autor von dieser Analyse nie etwas gehört hat.
Den Kern seiner Analyse macht Westerwelle gleich am Beginn seiner Rede deutlich:
Welche verheerenden Folgen diese Verschiebung der geistigen Achsen der Republik seit 1998 gehabt hat, das zeigt Westerwelle im Verlauf seiner Rede im einzelnen auf:
Wer die Rede bis kurz vor ihrem Ende gehört oder gelesen hat, der kann eigentlich nur eine Folgerung erwarten: Dem, was Westerwelle kritisiert, kann nur in einer Koalition mit der Union abgeholfen werden. Das, was Westerwelle will, läßt sich unmöglich in einer Koalition mit den roten und den grünen Sozialisten realisieren, die ja alles das zu verantworten haben, was er als Fehlentwicklungen analysiert.
Gewiß, einiges davon ist auch während der Großen Koalition nicht gebessert, manches vielleicht sogar verschlimmert worden. Aber das lag ja nun nicht an der Programmatik der CDU, sondern daran, daß sie, gegeben die Mehrheitsverhältnisse, die Politik dieser Koalition nicht stärker beeinflussen konnte als die SPD.
Und was sagt Westerwelle am Ende seiner Rede über Koalitionen nach dem 27. September? Dies:
Die Verhältnisse mögen sich bis zum 27. September noch ein wenig verschieben; aber an dem allgemeinen Sachverhalt wird sich nichts ändern: Die "geistige Achse", deren Linksverschiebung Westerwelle zu Recht kritisiert, wäre in einer Ampel deutlich weiter links lokalisiert als in einer Großen Koalition. Die Vorstellung, daß die FDP gegen die vereinten Sozialisten aus SPD und Grünen in einer Ampel auch nur einen den von Westerwelle genannten Mißstände beseitigen, auch nur eines seiner liberalen Ziele realisieren könnte, ist naiv.
Guido Westerwelle hat vor einer Woche im Interview mit der "Welt" im Kern dieselbe Analyse vorgetragen wie jetzt auf dem Parteitag. Dort hat er daraus die logische Folgerung gezogen: "Deshalb wird es keine Ampel geben." Ich habe das damals zitiert und als erfreulich klare Worte gelobt.
Was ist seither geschehen, daß Westerwelle jetzt zwar nicht seine Analyse ändert, aber nun einen Kurs von beklemmender Unlogik vertritt; einen Kurs, der in krassem Widerspruch zu seiner eigenen Analyse steht?
Hätte, nicht hat. Denn bei aller analytischer Klarheit zeigte diese Rede einen fundamentalen Widerspruch; einen Widerspruch, der mir als ein Verstoß gegen jede politische Logik erscheinen will: Westerwelle lieferte eine überzeugende Analyse der politischen Lage dieses Landes und kündigte zugleich einen Kurs an, von dem man den Eindruck hat, daß sein Autor von dieser Analyse nie etwas gehört hat.
Den Kern seiner Analyse macht Westerwelle gleich am Beginn seiner Rede deutlich:
Es geht um die Richtung Deutschlands. Es geht nicht zuerst um den Erfolg von Parteien. Es geht um Haltungen. Es geht darum, die Werte, die Deutschland groß gemacht haben, zu verteidigen. Der fehlende Kompass der so genannten Großen Koalition hat die geistige Achse der Republik gefährlich ins Pendeln gebracht. Wir müssen dafür sorgen, dass die geistige Achse nicht weiter nach links verschoben wird.So ist es. Die geistige Achse Deutschlands wurde drastisch nach links verschoben, als 1998 und dann noch einmal 2002 Rotgrün die Regierung stellte. Das Pendel ist seit 2005 ein Stück zurück geschwungen; so weit, wie das eben angesichts des Umstands möglich war, daß die SPD, die für die Linksentwicklung verantwortlich gewesen war, weiter als ein gleichstarker Partner der Union in der Regierung saß.
Welche verheerenden Folgen diese Verschiebung der geistigen Achsen der Republik seit 1998 gehabt hat, das zeigt Westerwelle im Verlauf seiner Rede im einzelnen auf:
Glasklare Analysen. Bewertungen, denen man als Liberaler nur zustimmen kann. Und Analysen und Bewertungen, die man Punkt für Punkt so oder so ähnlich auch in der Programmatik der CDU findet. Und jeder Punkt eine Ohrfeige für Rotgrün."Nur in zwei von dreißig OECD-Staaten werden Durchschnittsverdiener stärker belastet als in Deutschland. Von einem durchschnittlichen Arbeitseinkommen nimmt der Staat durch Steuern und Abgaben mehr als die Hälfte". "Arbeit muss sich wieder lohnen. Wer Arbeit sucht und Arbeit annimmt, den darf man doch nicht mit bürokratischen Zuverdienstgrenzen bestrafen". "Durch diesen Gesundheitsfonds ist alles teurer, aber nichts besser geworden. (...) Planwirtschaft hat noch nie funktioniert. Warum sollte sie im Gesundheitswesen funktionieren? Dieses bürokratische Monstrum gehört abgeschafft". "Der Ausstieg aus neuen Technologien schadet der Umwelt. Denn was hilft es der Umwelt, wenn wir in Deutschland die modernsten und sichersten Kraftwerke aus ideologischen Gründen abschalten, um Tag danach den Strom aus sehr viel unsicheren Quellen aus dem Ausland einkaufen zu müssen?" "Das persönliche Verantwortungsbewusstsein des Menschen für seine Mitmenschen wird die soziale Gerechtigkeit in unserem Land immer besser gewährleisten als jede staatliche Umverteilungsbürokratie es je könnte". "Der demokratische Rechtsstaat darf sich niemals arrangieren mit der Intoleranz von Extremisten, nicht von rechts außen, aber auch nicht von links außen".
Wer die Rede bis kurz vor ihrem Ende gehört oder gelesen hat, der kann eigentlich nur eine Folgerung erwarten: Dem, was Westerwelle kritisiert, kann nur in einer Koalition mit der Union abgeholfen werden. Das, was Westerwelle will, läßt sich unmöglich in einer Koalition mit den roten und den grünen Sozialisten realisieren, die ja alles das zu verantworten haben, was er als Fehlentwicklungen analysiert.
Gewiß, einiges davon ist auch während der Großen Koalition nicht gebessert, manches vielleicht sogar verschlimmert worden. Aber das lag ja nun nicht an der Programmatik der CDU, sondern daran, daß sie, gegeben die Mehrheitsverhältnisse, die Politik dieser Koalition nicht stärker beeinflussen konnte als die SPD.
Und was sagt Westerwelle am Ende seiner Rede über Koalitionen nach dem 27. September? Dies:
"Trotz des Linksrutsches der Union sind die Schnittmengen mit ihr immer noch am größten. Wir wissen auch, dass einige in der Union schon längst mit der Fortsetzung der Großen Koalition kalkulieren. Nicht, dass sie bei Rot- Rot- Grün aufwachen. Deswegen müssen wir klarmachen: Wer raus will aus der Großen Koalition und wer eine Linksregierung verhindern will, der hat nur eine Wahl: Diesmal FDP".Kein Wort davon, daß die von Westerwelle so überzeugend genannten Ziele nur mit der Union zu realisieren sind. Keine Absage an eine Ampel- Koalition also. Im Gegenteil. Westerwelle fährt fort:
"Und deshalb machen wir auch keinen Lagerwahlkampf. Wir werben für eine starke FDP. Wir sind zuerst die einzige liberale Partei in Deutschland und erst dann Koalitionspartner".Ist sich Westerwelle darüber im Klaren, daß in einer Ampel - nehmen wir die aktuellste Umfrage (infratest dimap, 15. Mai) als Näherungswert - die Linke ungefähr mit einem Gewicht von 75 Prozent vertreten wäre (SPD 28%, Grüne 12%, FDP 13%)? Während sie in einer Großen Koalition in der Minderheit wäre (SPD 28%, CDU 35%)?
Die Verhältnisse mögen sich bis zum 27. September noch ein wenig verschieben; aber an dem allgemeinen Sachverhalt wird sich nichts ändern: Die "geistige Achse", deren Linksverschiebung Westerwelle zu Recht kritisiert, wäre in einer Ampel deutlich weiter links lokalisiert als in einer Großen Koalition. Die Vorstellung, daß die FDP gegen die vereinten Sozialisten aus SPD und Grünen in einer Ampel auch nur einen den von Westerwelle genannten Mißstände beseitigen, auch nur eines seiner liberalen Ziele realisieren könnte, ist naiv.
Guido Westerwelle hat vor einer Woche im Interview mit der "Welt" im Kern dieselbe Analyse vorgetragen wie jetzt auf dem Parteitag. Dort hat er daraus die logische Folgerung gezogen: "Deshalb wird es keine Ampel geben." Ich habe das damals zitiert und als erfreulich klare Worte gelobt.
Was ist seither geschehen, daß Westerwelle jetzt zwar nicht seine Analyse ändert, aber nun einen Kurs von beklemmender Unlogik vertritt; einen Kurs, der in krassem Widerspruch zu seiner eigenen Analyse steht?
Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Guido Westerwelle auf einer Wahlklampfveranstaltung in Hessen im Januar 2009. Autor: Cgaa. Frei unter Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0 License; bearbeitet.