19. Februar 2009

Benedikt XVI., Bischof Williamson und die Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X (SSPX ): 1. Wie es zur Exkommunikation und zum Schisma kam

Ein Gastbeitrag von Gorgasal

Mittlerweile ist die Aufregung um die Aufhebung der Exkommunikation von vier SSPX- Bischöfen und die Holocaust- Leugnung eines der Bischöfe etwas abgeflaut. Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, was da eigentlich vorgefallen ist.

Da hier eine Exkommunikation aufgehoben wurde, müssen wir uns erst einmal darüber klarwerden, was eine Exkommunikation ist (und was sie nicht ist). Die Exkommunikation in der katholischen Kirche ist kein Ausschluss aus der Kirche - ein solcher ist kirchenrechtlich gar nicht möglich. Vielmehr schließt sie den Exkommunizierten von der vollen Gemeinschaft mit der Kirche aus.

Die einschlägigen Abschnitte finden sich im geltenden kirchlichen Recht, dem Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983, in Canon 1331: dem Exkommunizierten ist es verboten, Sakramente wie die Kommunion oder die Beichte oder Sakramentalien wie das kirchliche Begräbnis zu empfangen oder zu spenden. Allerdings hat der Exkommunizierte weiterhin als Mitglied der Kirche die Verpflichtung etwa zum Besuch des Gottesdienstes.

Die Exkommunikation gibt es in zwei Varianten: als Tatstrafe oder als Beugestrafe.

Die Tatstrafe tritt ohne expliziten Urteilsspruch mit dem Vergehen ein, mit dem man sich selbst so weit von der Kirche entfernt hat, dass eine volle Gemeinschaft nicht mehr möglich ist. Sie tritt ein nach schweren Vergehen wie der Entweihung der Eucharistie, der Verletzung des Beichtgeheimnisses, dem Schwangerschaftsabbruch, Apostasie, Häresie, Schisma, Simonie bei der Papstwahl, oder auch - und jetzt wird es für uns interessant - bei einer unerlaubten Bischofsweihe, und zwar für beide Parteien: den Weihenden und den Geweihten.

Die Beugestrafe hingegen tritt durch ausdrücklichen Urteilsspruch ein: sie soll den Exkommunizierten häufig dazu bewegen, ein irriges Verhalten einzustellen, das inner- wie außerhalb der Kirche Ärgernis erregt, beispielsweise wenn ein Amtsträger der Kirche irrige Lehren verbreitet und damit die Gläubigen irreführt.



Wie kam es denn nun zu den Exkommunikationen, die von Benedikt XVI. aufgehoben wurden?

Nach dem zweiten vatikanischen Konzil (1962-1965) kamen einige konservativere Gläubige und Geistliche zunehmend zu der Auffassung, dass das Konzil mehr als "Bruch" in der katholischen Kirche denn als eines von vielen Konzilien interpretiert wurde - ihrer Ansicht nach überwog eine "Hermeneutik des Bruches" die "Hermeneutik der Kontinuität", die die Rezeption und Interpretation der früheren Konzilien dominiert hatte.

Beispielsweise wurde im II. Vatikanum die Muttersprache im Gottesdienst zugelassen: "Da bei der Messe, bei der Sakramentenspendung und in den anderen Bereichen der Liturgie nicht selten der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann, soll es gestattet sein, ihr einen weiteren Raum zuzubilligen, vor allem in den Lesungen und Hinweisen und in einigen Orationen und Gesängen..." (Sacrosanctum Concilium, 36, §2).

Dennoch sollte das Lateinische weiterhin im Gebrauch bleiben: "Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht." (Sacrosanctum Concilium, 36, §1). In der Praxis führte dies nicht zu einer allmählichen und schrittweisen Entwicklung, sondern zu einem abrupten Untergang der jahrhundertealten lateinischen Messe, die das Konzil von Trient im 16. Jh. kodifiziert hatte.

Wie gesagt empfanden einige Katholiken diese Entwicklung als zu schnell und der Tradition der katholischen Kirche nicht angemessen - "prüft aber alles, das Gute haltet fest" (1 Thess 5,21). Insbesondere Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) war ein Wortführer dieser "traditionalistischen" Linie. Fünf Jahre nach dem Konzil gründete er 1970 die Priesterbruderschaft St. Pius X., die sich der Bewahrung der tridentinischen Messe verschrieb. Die Bruderschaft wird meist nach ihrem offiziellen lateinischen Namen Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X als (F)SSPX abgekürzt.

Die SSPX wurde zunächst ganz regulär sechs Jahre lang ad experimentum geführt, also auf Probe. Normalerweise wird die Regularisierung einer Bruderschaft danach durch den zuständigen Ortsbischof durchgeführt.

Lefebvre hatte sehr angespannte Beziehungen zu den französischen und Westschweizer Bischöfen, die weit von seinen Ansichten entfernt standen, und versuchte, in der Frage der Regularisierung direkt an Rom zu appellieren. Das wurde weder von der französischen Bischofskonferenz noch von der Kurie gut aufgenommen, und 1975 wurde der vorläufige Status der SSPX aufgehoben - von diesem Zeitpunkt an war die SSPX nicht mehr von der Kirche anerkannt.

Lefebvre und die SSPX operierten dennoch als Bruderschaft weiter, und Lefebvre weihte entgegen einem ausdrücklichen Verbot weiterhin Priester. Entsprechend wurde er 1976 a collatione ordinum suspendiert und durfte keine Priesterweihen mehr durchführen. Allerdings änderte das nichts an der Gültigkeit seiner Weihen - jede Priesterweihe eines Bischofs ist als solche gültig, allerdings in diesem Falle unerlaubt. Nach einigen weiteren Briefwechseln wurde Lefebvre a divinis suspendiert und durfte keine Sakramente mehr spenden.



Nun wurde Lefebvre - der einzige mit der SSPX assoziierte Bischof - nicht jünger, und nach katholischer Lehre kann nur ein Bischof gültig Priester und Bischöfe weihen. Mit Lefebvres Tod wäre der SSPX also der Fortbestand unmöglich geworden.

Ursprünglich suchte Lefebvre noch die Aussöhnung mit dem Heiligen Stuhl und war nicht willens, eine unerlaubte Bischofsweihe durchzuführen und damit eine Kirchenspaltung zu riskieren. 1988 war sogar ein Memorandum of Understanding zwischen Lefebvre und der Glaubenskongregation (der ein gewisser Joseph Ratzinger vorstand) unterschriftsreif.

Die SSPX versprach darin Treue zum Papst und zur Kirche und erkannte die problematischen Aspekte des II. Vatikanums und die Gültigkeit der "neuen Messe" an. Umgekehrt versprach die Glaubenskongregation der SSPX den Status einer "Gesellschaft apostolischen Lebens" und das Recht auf die "alte Messe". Dem Papst sollte vorgeschlagen werden, dass ein Mitglied der SSPX zum Bischof geweiht werden sollte. Schließlich sollten allfällige noch strittige Punkte durch eine Kommission geklärt werden, der auch zwei Mitglieder der SSPX angehören sollten. Alles schien sich zum Besten zu wenden.

Aber der Optimismus war verfrüht. Kaum war das gemeinsame Protokoll fertig, kamen Lefebvre Gewissensbisse. Er verlangte eine frühere Bischofsweihe (zu diesem Zeitpunkt war er bereits 83 Jahre alt) dreier statt eines SSPX- Bischofs sowie eine Mehrheit von SSPX- Mitgliedern in der einzurichtenden Schiedskommission. Auf Geheiß von Johannes Paul II. drängte Ratzinger auf eine Einhaltung des ursprünglichen Protokolls.

Dies wiederum nahm Lefebvre zum Anlass, die Verhandlungen abzubrechen und am 30. Juni 1988 vier Priester des SSPX zum Bischof zu weihen: Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta. Wie oben schon beschrieben zogen sich damit alle Beteiligten die Tatstrafe der Exkommunikation zu, die am 1. Juli 1988 durch die päpstliche Kongregation für die Bischöfe formell festgestellt wurde. Das Schisma war perfekt.

(Fortsetzung folgt)



Für Kommentare bitte hier klicken.