14. Juni 2008

Marginalie: Pornographie und ein Richter in Californien. So prüde sind die USA

Die Meldung ging vor ein paar Tagen durch die Medien: In Californien sollte ein Richter in einem Fall von Obszönität tätig werden, der pornographische Bilder auf seiner eigenen WebSite stehen hatte!

Ohgottohgott aber auch!

Worum ging es? Angeklagt ist ein gewisser Ira Isaacs, dem vorgeworfen wird, drei Videos u.a. mit Tierpornographie ("Gang Bang Horse 'Pony Sex Game,'") vertrieben zu haben. Das ist auch in Californien strafbar, wo ansonsten die Pornographie, wie in Deutschland, für Erwachsene freigegeben ist.

Kozinski ist Vorsitzender eines Berufungsgerichts; eigentlich eine Instanz höher als das Gericht, das den Fall verhandelte. Aber es gibt in Californien die Möglichkeit, daß Richter aus übergeordneten Instanzen auch in Gerichten einer untergeordneten Instanz eingesetzt werden.

Die Fotos waren auf der privaten WebSite des Richters zu sehen, zusammen mit allerlei Material wie z.B. dem Text von Urteilen, die er gefällt hatte. Kozinski ist ein konservativer Richter, d.h. nach deutschen Maßstäben ein liberaler, der besonderen Wert auf die Freiheit des Einzelnen und dessen Rechte legt. Bis zu dem jetzigen "Skandal" galt er als ein Kandidat für den Supreme Court, vergleichbar unserem Bundes- Verfassungsgericht.

Wie zu erwarten, erhob sich ein Sturm, naja ein Stürmchen der Entrüstung. Heute nun hat Kozinski sich aus dem Verfahren zurückgezogen. Ohne irgend ein Fehlverhalten einzuräumen, sondern "in light of the public controversy surrounding my involvement in this case", im Licht der öffentlichen Kontroverse, die seine Beteiligung an diesem Fall begleitet habe.



So weit, so gut, oder vielmehr so schlecht. Denn wenn ein Richter legal Pornographie besitzt und sie legal auf seine WebSite stellt, dann ist das für ein Verfahren wegen Obszönität so unerheblich, wie wenn ein Richter über den Verkauf von verdorbenen Fleisch richten muß, der im Privatleben kein Vegetarier ist.

Interessant, und der Anlaß für diese Marginalie, ist aber die Reaktion der führenden Zeitung Californiens, der Los Angeles Times.

In Deutschland hätte es ein allgemeines Fingerheben und Kopfschütteln über einen solchen Richter gegeben. Und was schreibt die Los Angeles Times? In einem Editorial, also einem von der Redaktion getragenen, namentlich nicht gezeichneten Kommentar, heißt es, nachdem die Stellungnahme des Richters zitiert wurde:
There's a different statement we'd like to hear from him, and no, it's not an apology, an expression of regret or even an explanation. It's this: "So what?"

Not everyone may like it, but pornography is freely available on the Internet, whether it be from a commercial site dedicated to adults-only material or from the personal site of the chief judge of the U.S. 9th Circuit Court of Appeals. Any adult has, and ought to have, the right to view those sites and to download those photos and videos -- subject, of course, to the strictures of copyright law. People who don't want to see such images can, and should, avoid them.

Wir würden gern eine andere Stellungnahme von ihm hören, und nein, keine Entschuldigung, kein Bedauern oder auch nur eine Erklärung. Sondern: "Ja und"?

Es mag nicht jedem gefallen, aber Pornographie ist im Internet frei verfügbar, ob nun auf einer kommerziellen Site, die Inhalte nur für Erwachsene anbietet, oder auf der persönlichen Site des Vorsitzenden Richters des 9. Bezirks- Berufungsgerichts der USA. Jeder Erwachsene hat das Recht, diese Sites zu sehen und diese Photos und Videos herunterzuladen - natürlich innerhalb der Schranken des Urheberrechts. Wer diese Bilder nicht sehen will, kann und sollte sie meiden.
Schreibt die größte Zeitung Californiens. Prüde USA? Jedenfalls nicht prüdes Californien.

Amerika, du hast es besser.



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