Die Mannschaften bieten in dieser EM ein verwirrendes Bild. Dasselbe Team zeigt mal Spitzenfußball, und mal geht es schmählich unter.
Die Russen, nach ihrer vernichtenden 1:4 - Niederlage gegen Spanien vom eigenen Trainer als "naiv" abgestempelt, spielten gestern laut "Tagesspiegel" "im Spielrausch" "so schönen Fußball". Die Italiener, die fast schon in den Gruppenspielen gescheitert wären, gelten plötzlich wieder als einer der Favoriten.
Und Deutschland spielte gegen Polen fast schon wie der künftige Europameister, bevor wir gegen Kroatien ziemlich kläglich verloren und gegen die Österreicher ziemlich kläglich gewannen.
Was ist da los? Zupfen da die Nornen an ihren Fäden, mal die einen emporziehend, mal die anderen, ganz nach ihrem unerforschlichen Belieben? Oder gibt es einen irdischen Grund für diesen Wirrwar?
Ich weiß nicht, was die Fachleute dazu sagen, aber ich möchte eine simple Erklärung anbieten.
Heutzutage gibt es ziemlich viele Mannschaften, die so spielen können wie Deutschland bei der WM 2006, graziös dank Trainer Klinsmann. Also, sagen wir, klinsiös: Offensiv ausgerichtet, mit gekonntem Umschalten von der Verteidigung auf Angriff; auf einen Angriff, der hauptsächlich von schnellen Flügelleuten getragen wird.
Es gibt solche Mannschaften heute zahlreich dank moderner Trainingsmethoden, die die Spieler so fit machen, wie sie für diesen kräftezehrenden Fußball sein müssen; so fit und so schnell, auch so ballsicher.
Also sehen wir "schönen Fußball", sehen wir "Traumfußball" mal von den Niederländern, mal von Portugal oder Rußland, mal von der deutschen Mannschaft.
Aber das funktioniert augenscheinlich nicht immer. Warum nicht? Jetzt komme ich zum Secutor und dem Retiarius.
Das waren zwei Arten von römischen Gladiatoren; der Secutor derjenige, der gepanzert dastand, mit Schild und Schwert, der Retiarius ungeschützt, halbnackt, beweglich mit dem Dreizack und einem Fangnetz kämpfend, mit denen er den schwerfälligen Secutor zu Fall bringen und ihm dann den Garaus machen konnte.
Der Reiz einer solchen Paarung lag natürlich darin, daß jeder seine Chance hatte; aber aus ganz verschiedenen Gründen. Man kann siegen, wenn man gepanzert und damit schwerfällig, aber auch kaum verwundbar und mit scharfer Waffe daherstapft. Man kann aber auch siegen, wenn man schnell und beweglich ist.
Das gilt übrigens auch fürs Überleben. Peter Scholl-Latour hat einmal, als er zu seinen Erinnerungen als Kriegs- Korrespondent befragt wurde, gesagt, er habe es immer abgelehnt, eine schußsichere Weste zu tragen. Warum? Weil das Entscheidende sei, daß man sich bei Gefahr schnell in Deckung hinein bewegen kann; und daran hindert die schwere Weste.
Und was lernen wir daraus für den Fußball?
Klinsiösen Fußball kann man nur spielen, wenn der Gegner das zuläßt; also am besten dann, wenn dieser selbst solchen Fußball spielt. Tut er das, aber schlechter, dann hat man einen ausgezeichnete Chance zum Sieg. So war das zum Beispiel, als Spanien die Russen 4:1 schlug. Ein sehr schönes Spiel, "offener Schlagabtausch".
Wenn der Gegner das Klinsiöse aber nicht so gut drauf hat, dann ist er gut beraten, es gar nicht erst zu versuchen, sondern sich zu den Klinsmännern so zu verhalten wie der Secutor zum Retiarius. Also mit anderen Waffen zu kämpfen: Eiserne Verteidigung, frühes Stören im Mittelfeld, den Gegner am Aufbau hindern. Und dann die Chance in einem Konter oder einem Tor aus einer Standard- Situation heraus suchen.
Das war die Einsicht des großen alten Otto Rehagel; nur haben es seine Spieler erstens übertrieben, und zweitens hatten sie Pech. Andere - Kroatien gegen Deutschland zum Beispiel - hatten Glück und sind jetzt im Viertelfinale.
Und was folgt daraus für das Spiel heute Abend? Sowohl die Portugiesen als unsere Nationalmannschaft spielen klinsiös. Die Portugiesen aber, dank begnadeter Künstler wie Cristiano Ronaldo, besser. Also müßten die deutsche Mannschaft eigentlich à la Secutor spielen. Das kann sie aber nicht gut.
Das macht die Aufgabe nicht eben leicht. Spielen Ballack und Co. ihren modernen Angriffsfußball, dann machen sie die Räume frei für den modernen Angriffsfußball der Portugiesen, den vermutlich besseren. Versuchen sie eine Taktik à la Rehagel, dann dürften sie scheitern, weil sie das nicht können.
Keine leichte Wahl. Aber da ich zu den achtzig Millionen Trainern gehöre, die unsere Nationalmannschaft hat, wage auch ich einen Rat: Verteidigen die Deutschen, dann haben sie schon verloren. Greifen sie klinsiös an, dann werden sie wahrscheinlich verlieren.
Wahrscheinlich verlieren ist besser als sicher verlieren.
Die Russen, nach ihrer vernichtenden 1:4 - Niederlage gegen Spanien vom eigenen Trainer als "naiv" abgestempelt, spielten gestern laut "Tagesspiegel" "im Spielrausch" "so schönen Fußball". Die Italiener, die fast schon in den Gruppenspielen gescheitert wären, gelten plötzlich wieder als einer der Favoriten.
Und Deutschland spielte gegen Polen fast schon wie der künftige Europameister, bevor wir gegen Kroatien ziemlich kläglich verloren und gegen die Österreicher ziemlich kläglich gewannen.
Was ist da los? Zupfen da die Nornen an ihren Fäden, mal die einen emporziehend, mal die anderen, ganz nach ihrem unerforschlichen Belieben? Oder gibt es einen irdischen Grund für diesen Wirrwar?
Ich weiß nicht, was die Fachleute dazu sagen, aber ich möchte eine simple Erklärung anbieten.
Heutzutage gibt es ziemlich viele Mannschaften, die so spielen können wie Deutschland bei der WM 2006, graziös dank Trainer Klinsmann. Also, sagen wir, klinsiös: Offensiv ausgerichtet, mit gekonntem Umschalten von der Verteidigung auf Angriff; auf einen Angriff, der hauptsächlich von schnellen Flügelleuten getragen wird.
Es gibt solche Mannschaften heute zahlreich dank moderner Trainingsmethoden, die die Spieler so fit machen, wie sie für diesen kräftezehrenden Fußball sein müssen; so fit und so schnell, auch so ballsicher.
Also sehen wir "schönen Fußball", sehen wir "Traumfußball" mal von den Niederländern, mal von Portugal oder Rußland, mal von der deutschen Mannschaft.
Aber das funktioniert augenscheinlich nicht immer. Warum nicht? Jetzt komme ich zum Secutor und dem Retiarius.
Das waren zwei Arten von römischen Gladiatoren; der Secutor derjenige, der gepanzert dastand, mit Schild und Schwert, der Retiarius ungeschützt, halbnackt, beweglich mit dem Dreizack und einem Fangnetz kämpfend, mit denen er den schwerfälligen Secutor zu Fall bringen und ihm dann den Garaus machen konnte.
Der Reiz einer solchen Paarung lag natürlich darin, daß jeder seine Chance hatte; aber aus ganz verschiedenen Gründen. Man kann siegen, wenn man gepanzert und damit schwerfällig, aber auch kaum verwundbar und mit scharfer Waffe daherstapft. Man kann aber auch siegen, wenn man schnell und beweglich ist.
Das gilt übrigens auch fürs Überleben. Peter Scholl-Latour hat einmal, als er zu seinen Erinnerungen als Kriegs- Korrespondent befragt wurde, gesagt, er habe es immer abgelehnt, eine schußsichere Weste zu tragen. Warum? Weil das Entscheidende sei, daß man sich bei Gefahr schnell in Deckung hinein bewegen kann; und daran hindert die schwere Weste.
Und was lernen wir daraus für den Fußball?
Klinsiösen Fußball kann man nur spielen, wenn der Gegner das zuläßt; also am besten dann, wenn dieser selbst solchen Fußball spielt. Tut er das, aber schlechter, dann hat man einen ausgezeichnete Chance zum Sieg. So war das zum Beispiel, als Spanien die Russen 4:1 schlug. Ein sehr schönes Spiel, "offener Schlagabtausch".
Wenn der Gegner das Klinsiöse aber nicht so gut drauf hat, dann ist er gut beraten, es gar nicht erst zu versuchen, sondern sich zu den Klinsmännern so zu verhalten wie der Secutor zum Retiarius. Also mit anderen Waffen zu kämpfen: Eiserne Verteidigung, frühes Stören im Mittelfeld, den Gegner am Aufbau hindern. Und dann die Chance in einem Konter oder einem Tor aus einer Standard- Situation heraus suchen.
Das war die Einsicht des großen alten Otto Rehagel; nur haben es seine Spieler erstens übertrieben, und zweitens hatten sie Pech. Andere - Kroatien gegen Deutschland zum Beispiel - hatten Glück und sind jetzt im Viertelfinale.
Und was folgt daraus für das Spiel heute Abend? Sowohl die Portugiesen als unsere Nationalmannschaft spielen klinsiös. Die Portugiesen aber, dank begnadeter Künstler wie Cristiano Ronaldo, besser. Also müßten die deutsche Mannschaft eigentlich à la Secutor spielen. Das kann sie aber nicht gut.
Das macht die Aufgabe nicht eben leicht. Spielen Ballack und Co. ihren modernen Angriffsfußball, dann machen sie die Räume frei für den modernen Angriffsfußball der Portugiesen, den vermutlich besseren. Versuchen sie eine Taktik à la Rehagel, dann dürften sie scheitern, weil sie das nicht können.
Keine leichte Wahl. Aber da ich zu den achtzig Millionen Trainern gehöre, die unsere Nationalmannschaft hat, wage auch ich einen Rat: Verteidigen die Deutschen, dann haben sie schon verloren. Greifen sie klinsiös an, dann werden sie wahrscheinlich verlieren.
Wahrscheinlich verlieren ist besser als sicher verlieren.
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