20. Mai 2008

Zettels Meckerecke: Westentaschen-Machiavellis. Wie die SPD bei der Wahl des Bundespräsidenten taktiert

Das Taktieren der SPD in Sachen Bundespräsident ist ebenso durchsichtig, wie es mal wieder ein Beispiel für den täppischen Machiavellismus ist, der offenbar - siehe Wiesbaden - unter Kurt Beck zum Markenzeichen der SPD zu werden beginnt.

Bisher hat sich noch stets in der Geschichte der Bundesrepublik ein Bundespräsident nur dann zur Wiederwahl gestellt, wenn er sicher sein konnte, sowohl von Regierungsseite als auch von der Opposition gewählt zu werden.

Das ist bisher erst dreimal geschehen. Fünf der Präsidenten (Heinemann, Scheel, Carstens, Herzog und Rau) amtierten nur für eine Amtsperiode.

Theodor Heuß wurde 1954 mit den Stimmen sowohl der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP als auch der SPD-Opposition wiedergewählt.

Bei seiner Wiederwahl 1974 erhielt Heinrich Lübke sowohl die Stimmen der Regierungspartei CDU als auch die der in der Opposition stehenden SPD; die FDP allerdings hatte mit Ewald Bucher ihren eigenen Kandidaten aufgestellt.

Richard von Weizsäcker hatte bei seiner Wiederwahl 1989 keinen Gegenkandidaten und wurde von den Regierungsparteien sowie von der SPD-Opposition unterstützt.

Es liegt also auf der Hand, daß Bundespräsident Köhler nur dann für eine zweite Amtsperiode zur Verfügung stehen wird, wenn auch die SPD sich für ihn entscheidet. Angesichts der bisherigen Tradition in diesem Punkt würde eine Wiederwahl mit einem knappen Ergebnis nachgerade einer Demontage Köhlers und einer Beschädigung des Amtes gleichkommen.



Verhielte sich die SPD fair statt machiavellistisch, dann würde sie dem Bundespräsident die Information geben, die er für seine Entscheidung braucht: Ihm entweder mitteilen, daß sie ihn unterstützen wird, oder ihm sagen, daß er nicht auf ihre Stimmen rechnen kann. Falls sie zu dieser Entscheidung jetzt nicht in der Lage ist, dann hätte sie den Mund zu halten gehabt.

Was aber machen diese Westentaschen- Machiavellis um Kurt Beck, Andrea Nahles und Hubertus Heil?

Sie veranstalten das Spektakel eines "Geheimtreffens", das so geheim ist, daß es schon am selben Abend mit allen Einzelheiten, inclusive Teilnehmerliste und Ort des Geschehens von dpa gemeldet wird.

Der Generalsekretär Heil tut dann erst so, als sei es in dem Treffen gar nicht um die Wahl des Bundespräsidenten gegangen. Dann läßt man durchsickern, daß es sehr wohl darum gegangen sei und daß Frau Schwan nicht abgeneigt sei.

Von dem, was das Ergebnis dieses angeblich geheimen Treffens war, wird eine so breite Spur gelegt, wie das Winnetou zu tun pflegte, wenn er sicher sein wollte, daß seine Verfolger ihn auch ja nicht aus dem Auge verlieren. So breit, daß in der gestrigen FAZ Stefan Dietrich schreiben konnte:
Nachdem sich der Parteivorsitzende Beck und seine drei Stellvertreter mit der von Andrea Nahles schon zur Wunschkandidatin ausgerufenen Gesine Schwan getroffen haben, ist die Grundsatzentscheidung über die Nominierung einer Gegenkandidatin – ein Kandidat kommt wohl nicht in Frage – gefallen.
Nur bekanntgeben tun sie die Entscheidung nicht, die Führer der SPD. Das täten sie aus Respekt nicht, versichern sie treuherzig. Wie dpa meldet:
Die SPD wolle zuerst Klarheit, ob Köhler erneut zur Verfügung stehe, sagte Heil. Das gebiete der Respekt vor dem höchsten Staatsamt. Die SPD habe aber das Recht, einen eigenen Kandidaten zu nominieren.
Was Heil und seine Genossen veranstalten, ist allerdings, wie R.A. bei den Kollegen von B.L.O.G. treffend bemerkt, "gerade das Gegenteil von 'Respekt vor dem höchsten Staatsamt'":
Die SPD fordert, daß sich Köhler aus dem Fenster lehnt und um eine zweite Amtszeit bittet. Um ihm anschließend sagen zu können: "Ätsch, wir würden Dich aber lieber absägen".
Den Vortritt will sie Köhler lassen, sagt die SPD. Man kann jemandem auch den Vortritt lassen, um ihn von der Treppe hinabzustoßen.



Der Respekt vor dem Amt des Präsidenten nämlich ist bei Beck und Heil offensichtlich so ausgeprägt, daß sie ihn als Schachfigur in ihrem Spiel "Wir fädeln mittels der Wahl einer Bundespräsidentin die Volksfront- Koalition ein" verwenden möchten.

Denn ohne eine vorausgehende Zusage der SPD, ihn zu wählen, kann Köhler sich, siehe oben, nicht zu einer zweiten Amtszeit zur Verfügung stellen.

Die SPD gedenkt ihn also in eine Situation zu manövrieren, in der er gar keine Wahl hat, als abzusagen. Das soll dann das Signal für unsere kleinen Machiavellis sein, sich hinzustellen und mit biederem Blick zu sagen: Tja, unter diesen Bedingungen werden wir natürlich unsere eigene Kandidatin präsentieren. Niemand kann doch von uns erwarten, einen neuen CDU- Kandidaten mitzuwählen.

Es ist schlau eingefädelt, freilich nur so bauernschlau, wie nicht nur Beck und Heil, sondern auch ihre Wiesbadener Genossin Ypsilanti halt sind. SchülerInnen eher jener Leuchte der deutschen Politologie, des Lobredners der Lüge Franz Walter, als des großen Niccolò Machiavelli.

Und wer weiß, vielleicht fallen die kleinen Taktierer ja auch so auf die Nase wie ihre Kollegin in Wiesbaden. Laut einer heute veröffentlichten Forsa-Umfrage liegt die SPD jetzt bei 23 und "Die Linke" bei 13 Prozent. Das ist die Quittung für die taktischen Meisterleistungen der SPD-Spitze. Und 57 Prozent dieser kleinen Schar der verbliebenen SPD-Anhänger sind dafür, daß die SPD Köhler mitwählt. Nur 35 Prozent hätten gern einen eigenen SPD-Kandidaten, also nach Lage der Dinge die Kandidatin Schwan.

35 Prozent von 23 Prozent, das sind etwas mehr als sieben Prozent der Befragten. Auch wenn vermutlich aus den anderen Parteien noch manche eine Kandidatur von Gesine Schwan unterstützen würden - von einer Massenbewegung zu ihren Gunsten wird man nicht eben sprechen können.

Mir scheint, sie müssen sich warm anziehen, die Meister der Taktik an der Spitze der SPD. Und hoffen, daß sie nicht am Ende des Jahres 2009 unter einem Bundeskanzler Gregor Gysi oder Oskar Lafontaine ins Kabinett müssen, vereidigt von einem wiedergewählten Präsidenten Köhler.

Na gut, das war jetzt Satire. Aber wo hört, angesichts der im Irrgarten der Taktik herumtaumelnden SPD-Führung, die Wirklichkeit auf und fängt Satire an?



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