Wenn Sie die Überschrift gelesen haben und jetzt erfahren, womit sich dieser Beitrag befaßt, dann werden Sie möglicherweise finden, daß ich übertreibe. Daß ich mit Kanonen auf Spatzen schieße, daß ich aus einer Mücke einen Elefanten mache.
Weil ich das vermute, hat dieser Beitrag ein wenig den Charakter der Rechtfertigung. Sein Inhalt besteht überwiegend darin, seine Überschrift zu begründen.
Es geht um etwas, das sich in der Nacht zum gestrigen Montag in Gießen zutrug. Die Internet- Ausgabe des "Gießener Anzeigers" hat es im Augenblick unter der Überschrift "Schlagzeile des Tages" als Aufmacher.
In der Nacht zum Montag also haben sich in Gießen ungefähr zehn Studierende an fremdem Besitz zu schaffen gemacht. Sie haben sich auf ein im Besitz der Universität Gießen befindliches Feld begeben. Dazu mußten sie einen Zaun, der dieses Feld umgibt, beschädigen. Nachdem sie auf das Feld gelangt waren, begannen sie ein Lager zu errichten.
Was dann geschah, beschreibt der "Gießener Anzeiger" so:
In der Tat, was den Tatablauf angeht, ist das so. Zwar hat die Universität Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs und wegen Sachbeschädigung erstattet. Aber kann man sich einen harmloseren "Hausfriedensbruch" vorstellen, als daß ungefähr zehn Leute sich ohne Erlaubnis des Besitzers auf ein Feld begeben? Und "Sachbeschädigung"? Nun ja, man mußte halt ein Loch in den Zaun machen, um auf das Feld zu gelangen. Es war schon gestern Abend wieder geflickt.
Also, wozu die Aufregung? Ist es nicht wirklich maßlos übertrieben, wenn ich darüber unter der Überschrift "Öko-Täter" schreibe?
Natürlich stelle ich diese Frage nur in der Absicht, sie zu verneinen. Ich bin der Meinung, daß dieser Begriff hier angemessen ist.
Es geht - Sie haben es sich gedacht, vielleicht kannten Sie die Meldung auch schon - nicht darum, daß die zehn Studierenden, die sich da niedergelassen haben, ein wenig zelten wollten und sich dazu just dieses Terrain aussuchten. Sondern sie veranstalteten, wie es ja in der Meldung heißt, eine "Aktion".
Es waren auch nicht einfach Studierende, sondern - so werden sie in der Meldung genannt - "Aktivisten". Und sie haben auch nicht einfach ein Loch in den Zaun gemacht, um sich auf das Feld zu begeben, sondern sie haben - so nennen sie selbst es, so nennt es der "Gießener Anzeiger" - dieses Feld "besetzt".
Sie nennen sich, und wir wollen uns, nicht wahr, das schöne Wort merken, "FeldbefreierInnen". Und das, was sie da gemacht haben, war folglich eine "Feldbefreiung".
Warum mußte dieses Feld "befreit" werden, nach Ansicht der "Aktivisten"? Weil es für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen vorgesehen war, jedenfalls nach Meinung der FeldbefreierInnen.
Es ging also bei der "Aktion" darum, diese Forschung zu behindern, wenn möglich zu unterbinden. Daß sie diese Absicht haben, geben die FeldbefreierInnen auch freimütig zu. Noch einmal der "Gießener Anzeiger":
Sie haben Straftaten begangen, nämlich - laut Universität Gießen - Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Aber nicht darum geht es mir.
Sondern es geht mir darum, daß diese Leute sich bewußt und gezielt außerhalb unserer Rechtsordnung stellen. Ihnen unterlaufen Straftaten nicht aus Leichtsinn, im Affekt, aus einer Schwäche heraus. Sondern sie bereiten sie planvoll vor, sie brüsten sich ihrer sogar.
Sie wollen mittels Gesetzesbruch bestimmte Ziele erreichen.
Ja, aber sind das denn nicht gute, anerkennenswerte Ziele? Ist denn der Gesetzesbruch nicht so geringfügig, daß er hinter der Größe dieser Ziele zur Nichtigkeit schrumpft? Ist es nicht nachgerade eine zynische Beckmesserei, jungen Leuten, die so Schlimmes wie Schäden durch Gentechnologie verhindern wollen, vorzuhalten, daß sie dabei einen Zaun durchlöchern und sich unbefugt auf ein Feld begeben?
Nein.
Ich lasse es dahingestellt, ob es überhaupt irgendeinen rationalen Grund dafür gibt, die Gentechnologie abzulehnen. (Ich kenne keinen; ich kennen keinen Schaden, der durch Gentechnologie verursacht worden wäre und keine Daten, die dies befürchten ließen).
Aber unterstellen wir einmal, die "Aktivisten" hätten bessere Informationen als die Gießener Wissenschaftler, die diese Forschung betreiben, und sie könnten vorgebliche Gefahren der Gentechnologie besser beurteilen als das Forschungsministerium, das diese Forschung in Gießen in Auftrag gegeben hat.
Dann haben sie jedes Recht der Welt, ihre Meinung kundzutun. Sie haben in dem freien Rechtsstaat, in dem wir leben, das Recht, Demonstrationen zu veranstalten, für ihr Anliegen einen Vorlesungsboykott zu organisieren, Flugblätter zu verteilen oder was immer ihnen an legalen Methoden angemessen erscheint. Sie können, wenn es ihnen sehr ernst mit ihrem Anliegen ist, dafür zum Beispiel in den Hungerstreik treten, um ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erzielen.
Sie haben aber kein, wirklich absolut kein Recht, zur Durchsetzung ihrer Ziele die Gesetze zu brechen. Da sie das getan haben, sind sie Kriminelle, sind sie Täter.
Ist das nicht eigentlich selbstverständlich? Muß man sich nicht fragen, wie es dazu gekommen ist, daß kaum jemand diese Kriminellen noch Kriminelle nennt? Daß nicht jeder es lächerlich und monströs findet, wenn sie selbst sich "Befreier" nennen?
Das sind interessante Fragen. Wenn man sie beantworten will, muß man wohl zurückgehen bis in die Zeit der Achtundsechziger, der jetzt so viele Rückblicke gewidmet werden.
Damals begann man die "begrenzte Regelverletzung" zu propagieren. Später haben Bürger - angesehene Bürger wie Oskar Lafontaine und Walter Jens sogar, zu ihrer Schande sei es gesagt - das Mittel der Nötigung einzusetzen, um zum Beispiel vor dem US-Lager Mutlangen den Transport von Raketen zu verhindern.
Damals wurden geistige Zäune eingerissen, nämlich die zwischen Erlaubtem und durch das Strafrecht Verbotenem. "Legal - illegal - scheißegal". Damals entstand die Vorstellung, daß jeder Bürger nach Belieben Straftaten begehen, daß er die Gesetze brechen darf, um seine politischen Ziele zu erreichen. (Nein, natürlich nicht jeder Bürger, denn zu dieser Erosion des Rechtsbewußtseins gehört es auch, daß man anderen - zum Beispiel Rechtsextremen - dieses "Recht" zum politisch motivierten Gesetzesbruch verweigern will).
Die jetzigen Öko-Täter führen das fort, was mit "begrenzter Regelverletzung", was mit "Sitzblockaden" begann. Sie stehen damit in einer Tradition politischer Kriminalität.
Sie können im heutigen Deutschland auf Nachsicht, wenn nicht gar Beifall rechnen. So sehr ist in unserem Land das allgemeine Rechtsbewußtsein in eine Schieflage geraten.
Weil ich das vermute, hat dieser Beitrag ein wenig den Charakter der Rechtfertigung. Sein Inhalt besteht überwiegend darin, seine Überschrift zu begründen.
Es geht um etwas, das sich in der Nacht zum gestrigen Montag in Gießen zutrug. Die Internet- Ausgabe des "Gießener Anzeigers" hat es im Augenblick unter der Überschrift "Schlagzeile des Tages" als Aufmacher.
In der Nacht zum Montag also haben sich in Gießen ungefähr zehn Studierende an fremdem Besitz zu schaffen gemacht. Sie haben sich auf ein im Besitz der Universität Gießen befindliches Feld begeben. Dazu mußten sie einen Zaun, der dieses Feld umgibt, beschädigen. Nachdem sie auf das Feld gelangt waren, begannen sie ein Lager zu errichten.
Was dann geschah, beschreibt der "Gießener Anzeiger" so:
Hierzu bauten sie aus drei, aus dem angrenzenden Wald beschafften Baustämmen einen hohen Turm, an dessen Spitze sich mehrere klettererfahrene Aktivisten anketteten. Um den Turm herum wurden mehrere Zelte aufgebaut. Erst gegen 7 Uhr wurde die Aktion bemerkt, auf die durch zahlreiche Transparente entlang des Geländes und an der Spitze des Turmes aufmerksam gemacht wird. Ein Eingreifen der Polizei fand nicht statt, auch im Verlauf des restlichen Tages nicht, da von Seiten der Uni auf eine Räumung verzichtet wurde.Harmloser geht es kaum noch, denken Sie jetzt?
In der Tat, was den Tatablauf angeht, ist das so. Zwar hat die Universität Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs und wegen Sachbeschädigung erstattet. Aber kann man sich einen harmloseren "Hausfriedensbruch" vorstellen, als daß ungefähr zehn Leute sich ohne Erlaubnis des Besitzers auf ein Feld begeben? Und "Sachbeschädigung"? Nun ja, man mußte halt ein Loch in den Zaun machen, um auf das Feld zu gelangen. Es war schon gestern Abend wieder geflickt.
Also, wozu die Aufregung? Ist es nicht wirklich maßlos übertrieben, wenn ich darüber unter der Überschrift "Öko-Täter" schreibe?
Natürlich stelle ich diese Frage nur in der Absicht, sie zu verneinen. Ich bin der Meinung, daß dieser Begriff hier angemessen ist.
Es geht - Sie haben es sich gedacht, vielleicht kannten Sie die Meldung auch schon - nicht darum, daß die zehn Studierenden, die sich da niedergelassen haben, ein wenig zelten wollten und sich dazu just dieses Terrain aussuchten. Sondern sie veranstalteten, wie es ja in der Meldung heißt, eine "Aktion".
Es waren auch nicht einfach Studierende, sondern - so werden sie in der Meldung genannt - "Aktivisten". Und sie haben auch nicht einfach ein Loch in den Zaun gemacht, um sich auf das Feld zu begeben, sondern sie haben - so nennen sie selbst es, so nennt es der "Gießener Anzeiger" - dieses Feld "besetzt".
Sie nennen sich, und wir wollen uns, nicht wahr, das schöne Wort merken, "FeldbefreierInnen". Und das, was sie da gemacht haben, war folglich eine "Feldbefreiung".
Warum mußte dieses Feld "befreit" werden, nach Ansicht der "Aktivisten"? Weil es für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen vorgesehen war, jedenfalls nach Meinung der FeldbefreierInnen.
Es ging also bei der "Aktion" darum, diese Forschung zu behindern, wenn möglich zu unterbinden. Daß sie diese Absicht haben, geben die FeldbefreierInnen auch freimütig zu. Noch einmal der "Gießener Anzeiger":
Mit der gestrigen Aktion wollten die Aktivisten nach eigenen Angaben bereits im Vorfeld eine Aussaat verhindern. (...) Sie knüpfe an den Gentechnikwiderstand der 90iger Jahre in Hessen an, als erfolgreich Genversuche von Unternehmen unterbunden worden seien. Dieses Ziel wolle man ein zweites Mal erreichenOb dieser - auch so ein schönes neues Wort - "Gentechnikwiderstand" versuchte Nötigung ist, mögen Juristen entscheiden. Ich nenne die Betreffenden "Öko-Täter".
Sie haben Straftaten begangen, nämlich - laut Universität Gießen - Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Aber nicht darum geht es mir.
Sondern es geht mir darum, daß diese Leute sich bewußt und gezielt außerhalb unserer Rechtsordnung stellen. Ihnen unterlaufen Straftaten nicht aus Leichtsinn, im Affekt, aus einer Schwäche heraus. Sondern sie bereiten sie planvoll vor, sie brüsten sich ihrer sogar.
Sie wollen mittels Gesetzesbruch bestimmte Ziele erreichen.
Ja, aber sind das denn nicht gute, anerkennenswerte Ziele? Ist denn der Gesetzesbruch nicht so geringfügig, daß er hinter der Größe dieser Ziele zur Nichtigkeit schrumpft? Ist es nicht nachgerade eine zynische Beckmesserei, jungen Leuten, die so Schlimmes wie Schäden durch Gentechnologie verhindern wollen, vorzuhalten, daß sie dabei einen Zaun durchlöchern und sich unbefugt auf ein Feld begeben?
Nein.
Ich lasse es dahingestellt, ob es überhaupt irgendeinen rationalen Grund dafür gibt, die Gentechnologie abzulehnen. (Ich kenne keinen; ich kennen keinen Schaden, der durch Gentechnologie verursacht worden wäre und keine Daten, die dies befürchten ließen).
Aber unterstellen wir einmal, die "Aktivisten" hätten bessere Informationen als die Gießener Wissenschaftler, die diese Forschung betreiben, und sie könnten vorgebliche Gefahren der Gentechnologie besser beurteilen als das Forschungsministerium, das diese Forschung in Gießen in Auftrag gegeben hat.
Dann haben sie jedes Recht der Welt, ihre Meinung kundzutun. Sie haben in dem freien Rechtsstaat, in dem wir leben, das Recht, Demonstrationen zu veranstalten, für ihr Anliegen einen Vorlesungsboykott zu organisieren, Flugblätter zu verteilen oder was immer ihnen an legalen Methoden angemessen erscheint. Sie können, wenn es ihnen sehr ernst mit ihrem Anliegen ist, dafür zum Beispiel in den Hungerstreik treten, um ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erzielen.
Sie haben aber kein, wirklich absolut kein Recht, zur Durchsetzung ihrer Ziele die Gesetze zu brechen. Da sie das getan haben, sind sie Kriminelle, sind sie Täter.
Ist das nicht eigentlich selbstverständlich? Muß man sich nicht fragen, wie es dazu gekommen ist, daß kaum jemand diese Kriminellen noch Kriminelle nennt? Daß nicht jeder es lächerlich und monströs findet, wenn sie selbst sich "Befreier" nennen?
Das sind interessante Fragen. Wenn man sie beantworten will, muß man wohl zurückgehen bis in die Zeit der Achtundsechziger, der jetzt so viele Rückblicke gewidmet werden.
Damals begann man die "begrenzte Regelverletzung" zu propagieren. Später haben Bürger - angesehene Bürger wie Oskar Lafontaine und Walter Jens sogar, zu ihrer Schande sei es gesagt - das Mittel der Nötigung einzusetzen, um zum Beispiel vor dem US-Lager Mutlangen den Transport von Raketen zu verhindern.
Damals wurden geistige Zäune eingerissen, nämlich die zwischen Erlaubtem und durch das Strafrecht Verbotenem. "Legal - illegal - scheißegal". Damals entstand die Vorstellung, daß jeder Bürger nach Belieben Straftaten begehen, daß er die Gesetze brechen darf, um seine politischen Ziele zu erreichen. (Nein, natürlich nicht jeder Bürger, denn zu dieser Erosion des Rechtsbewußtseins gehört es auch, daß man anderen - zum Beispiel Rechtsextremen - dieses "Recht" zum politisch motivierten Gesetzesbruch verweigern will).
Die jetzigen Öko-Täter führen das fort, was mit "begrenzter Regelverletzung", was mit "Sitzblockaden" begann. Sie stehen damit in einer Tradition politischer Kriminalität.
Sie können im heutigen Deutschland auf Nachsicht, wenn nicht gar Beifall rechnen. So sehr ist in unserem Land das allgemeine Rechtsbewußtsein in eine Schieflage geraten.
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