7. März 2008

Wie die "rochierenden" Vorsitzenden Schröder und Beck die SPD ruiniert und die Kommunisten stark gemacht haben

Ein Auto fährt dicht an einem Passanten vorbei und spritzt ihn mit Dreck voll; von rechts. Dann wendet der Fahrer, fährt auf der anderen Seite an dem Mann vorbei und spritzt ihm auch noch von links den Modder an Jacke und Hose.

So sind die Vorsitzenden Gerhard Schröder und Kurt Beck mit den Wählern der SPD umgegangen. Kein politischer Gegner hätte es fertiggebracht, diese Partei so gründlich zu ruinieren - sie zugunsten ihrer traditioneller Gegner, der Kommunisten, zu ruinieren -, wie diese beiden Vorsitzenden, die ihre Wähler wie den letzten Dreck behandelt haben.

Die beiden Vorsitzenden haben das durch Trickserei und Unehrlichkeit geschafft. Sie haben es dadurch geschafft, daß sie - wissentlich oder unwissentlich - den Rezepten eines machiavellistischen Politologen gefolgt sind, der rät: "Ein Stratege und großer Politiker muß - ja, er muß - zuweilen Potemkinsche Dörfer errichten, ohne Skrupel von links nach rechts und zurück rochieren".

Das haben sie befolgt, die beiden Vorsitzenden einer Partei, die einmal für Anstand und Ehrlichkeit gestanden hat wie kaum eine andere; von Friedrich Ebert und Otto Wels über Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer bis zu Willy Brandt und Helmut Schmidt. Ohne Skrupel ist Gerhard Schröder nach rechts "rochiert", und jetzt hat Kurt Beck versucht, nach links zu "rochieren".



Rückblicke auf die Regierung Schröder betonen oft, bei aller Kritik müsse man Gerhard Schröder doch die Agenda 2010 zugute halten. Dieser sei schließlich der jetzige Aufschwung Deutschlands zu verdanken.

Daran ist richtig, daß Deutschland heute weiter wirtschaftlich im Niedergang wäre und auf eine gesellschaftliche Desintegration zusteuerte, wenn die rotgrüne Regierung bis zu ihrem etatmäßigen Ende im Herbst 2006 die Politik fortgesetzt hätte, die sie seit 1998 verfolgt hatte. Eine Politik, die Deutschland, als Schröder im März 2003 das Ruder herumwarf, von der Wirtschafts- Lokomotive der EU zu einem Wachstumsblockierer gemacht hatte, der von dem unter Dampf stehenden EU-Zug mitgeschleift wurde wie die Ziege von der Schwäb'schen Eisenbahne.

Als es nicht mehr anders ging, verkündete Gerhard Schröder vor fast fünf Jahren, am 14. März 2003, ein Programm, das sich las, als sei es von der CDU verfaßt:
Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem einzelnen abfordern müssen (...)

Der Eingangssteuersatz wird ... gegenüber 1998 von 25,9 auf 15 Prozent und der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent sinken. (...)

Niemandem ... wird künftig gestattet sein, sich zulasten der Gemeinschaft zurückzulehnen. (...)

Mittelständische Unternehmen klagen über hohe Lohnnebenkosten und über bürokratische Vorschriften. Deshalb werden wir kleine Betriebekünftig deutlich besser stellen.
Und so fort. Was man seit der Regierungsübernahme 1998 als "neoliberal" verteufelt, was man als "unanständig" zurückgewiesen hatte, das wurde mit einem Schlag zum Regierungsprogramm.



Das meiste war richtig und vernünftig, was Schröder mit dieser Regierungserklärung in die Wege leitete. Aber wie war diese Wende in der Politik der SPD um 180 Grad zustandekommen? Hatte man sie in den Parteigliederungen zuvor diskutiert, hatte ein Parteitag sie beschlossen? Hatte man den Wählern ihre Notwendigkeit zu vermitteln versucht?

In keiner Weise. Nur ein halbes Jahr zuvor, im Sommer und Herbst 2002, hatte Gerhard Schröder noch einen Wahlkampf geführt, in dem mit keinem Wort von einer derartigen Neuorientierung seiner Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik die Rede gewesen war.

Seiner Partei und dem Koalitionspartner rang er die Zustimmung zu den selbstherrlich beschlossenen Reformen auf Sonderparteitagen im Juni 2003 ab; der breiteren Bevölkerung wurde im November jenes Jahres eine Broschüre (pdf) angeboten, die in der Art eines Katechismus dieses Programm erkärte.

So, als sei man schon im Sozialismus, wurde das Volk im Nachhinein über das informiert, was seine Regierung zuvor zu seinem Besten beschlossen hatte.

Das war der Stil Gerhard Schröders; eines Mannes, zu dessen taktischen Spezialitäten es immer gehört hatte, andere vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Tony Blair hatte die Diskussion über eine Modernisierung in der Labour Party vor den Wahlen 1997 geführt und im Programm zu diesen Wahlen die Grundzüge von "New Labour" den Wählern zur Entscheidung vorgelegt. Ähnlich ist jetzt, nach der Niederlage von Ségolè Royal im letzten Jahr, bei den französischen Sozialisten eine Modernisierungs- Diskussion im Gang.

Gerhard Schröder aber zwang die Modernisierung seiner Partei auf, er zwang sie seinen Wählern auf. Die Folge war eine tiefe Vertrauenskrise, waren massenhafte Austritte aus der SPD und war die Entstehung der WASG, die dann die Westausdehnung der PDS ermöglichte.



Das Auto war vorbeigefahren und hatte kräftig Dreck auf den Wähler geschleudert. Gerhard Schröder verschwand aus der deutschen Politik. Die SPD sank unter dreißig Prozent, und die Kommunisten stiegen im Bundesdurchschnitt über zehn Prozent.

Hat man aus dieser Entwicklung gelernt? Hat die Führung der SPD erkannt, daß es schlechte Politik ist, nach dem Rezept des Theoretikers des Lügens "die nächsten Züge nicht anzukündigen, sie gar zur Abstimmung zu stellen"; daß es entgegen den Ratschlägen dieses Machiavellisten nicht erfolgreich ist, "Fallgruben zu legen" und "hinter Hecken zu lauern"?

Hat man gelernt, daß eine solche Politik zwar einen taktischen Erfolg bringen kann, aber das Vertrauen in die betreffende Partei, in die so agierenden Politiker ruiniert?

Nichts hat man gelernt aus dem Desaster des Gerhard Schröder.

Wieder stellt sich die Frage nach einer Wende der SPD. Diesmal nicht nach vorn, als eine Öffnung zur Globalisierung, als ein Akzeptieren des Neoliberalismus, wie in den Jahren um die Jahrtausendwende. Sondern diesmal geht es darum, ob die SPD ihrer fast ein Jahrhundert alten Linie treu bleibt, nicht mit Kommunisten zu paktieren, oder ob sie diese Tradition über Bord wirft.

Nicht wahr, man sollte meinen, wenn es eine Frage gibt, die eine breite, offene Diskussion in dieser Partei verdient, ja erfordert, dann ist es die nach einer solchen fundamentalen strategischen Wende der Partei.

Und was macht der Nachfolger Schröders? Beck versucht es genau wie dieser, nur ungleich ungeschickter. Kurt Beck hat, bevor er sich mit Grippe ins Bett legte, den Versuch gemacht, hintenherum, tricksend, unehrlich diese Grundsatz- Entscheidung seiner Partei zu präjudizieren.

Frau Ypsilanti solle, so steht es im aktuellen "Spiegel" (10/08) auf Seite 28 zu lesen, sich zur geheimen Wahl stellen, "und wer weiß schon, von wem man da gewählt wird". Der dümmste aller Bauernfänger- Tricks sollte die SPD auf den Weg der Zusammenarbeit mit den Kommunisten bringen. Ich hatte es geahnt, am Tag nach der Wahl. Flankiert wurde diese dummdreiste Trickserei durch verbale Eiertänze, die Beck und Leute wie Andrea Nahles vermutlich für diplomatische Formulierungen halten.

Freilich war die Entscheidung, mit den Kommunisten zusammenzugehen, nicht auf Kurt Becks Mist gewachsen. Andrea Ypsilanti hatte sie getroffen und sie - auch das ist im aktuellen "Spiegel" zu lesen, auf Seite 27 - bereits am 11. Februar mit Kurt Beck besprochen.



Das Auto ist zurückgefahren und hat den Wähler noch einmal mit Modder bespritzt, diesmal von der anderen Seite.

Schröder hatte putschartig einen Rechtsruck der SPD durchgesetzt. Beck wollte die Partei ebenso putschartig auf Volksfront- Kurs bringen; jedenfalls hat er diesen Plan der trickreichen Andrea Ypsilanti offenbar gebilligt.

Damals, 2003 war der Sturm der Entrüstung bei den Linken in der SPD groß; um die 100.000 Mitglieder verließen damals die Partei. Jetzt könnte der SPD der rechte Flügel abhanden kommen; könnten diejenigen sich verabschieden, die, wie die mutige Dagmar Metzger, die Trickserei nicht mitmachen wollen.

Steinbrück und Steinmeier sind vorläufig in die Parteidisziplin genommen worden. Aber wie sie und wie Frau Metzger dürften viele denken, die nicht nur kein Volksfront- Bündnis wollen, sondern die auch angeekelt sind von dieser Trickserei und Täuscherei.

Wie schrieb der Theoretiker der politischen Lüge? "Man muß nur aufpassen, daß dies alles zugleich als 'glaubwürdig' erscheint".

Glaubwürdig war das nicht, was Beck und Ypsilanti da zu tricksen versucht haben. Nur "glaubwürdig", in Anführungszeichen.

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