Die VOA übertrug heute als Übernahme von C-Span kleinere Veranstaltungen der Kandidaten aus New Hampshire, jeweils in voller Länge. Ich habe John McCain, Hillary Clinton und Mitt Romney mit ihrem vollständigen Auftritt gesehen; von Barack Obamas Veranstaltung nur den Beginn.
Romney sprach in einem Privathaus, in das Anhänger von ihm ihre Nachbarn eingeladen hatten. Hillary Clinton trat auf einer Versammlung von vielleicht hundert Leuten, McCain vor einem ähnlichen Publikum in der Townhall des Orts Peterborough auf. Obamas Auditorium war ungleich größer; eine Halle mit ansteigenden Rängen ringsum und dem Rednerpult in der Mitte.
Alle vier habe ich das erste Mal in einem derartigen längeren Auftritt vor Publikum gesehen.
Hillary Clinton wirkte müde, war aber dennoch ein wandelndes Lexikon. Ob jemand eine Frage zu seiner Gesundheitsvorsorge hatte, zur Abtreibung, zur Nuklearenergie - immer brillierte sie mit Fakten, Beispielen, einer Flut von Informationen.
Wenn jemand sie nach ihrer Haltung zur Abtreibung fragte, dann veranstaltete sie einen tour d'horizon von der chinesischen Ein- Kind- Politik bis zur Abtreibungs- Politik der Volksrepublik Rumänien, die das Gebären befahl. Wenn sich eine Fragerin als Mitarbeiterin des Office of Homeland Security vorstellte, dann skizzierte sie eine Geschichte dieser Einrichtung, der einschlägigen Gesetze, des Aufbaus der Verwaltung.
Lehrreich, keine Frage. Ob die Leute das aber eigentlich wissen wollten, schien sie nicht zu interessieren. Ob sie damit, daß sie diese Kenntnisse versprühte, die Sympathie ihrer Zuhörer gewann oder verstärkte - es schien sie nicht zu interessieren.
Mir schien, daß ihre ganze Brillanz verpuffte, daß die Zuhörer spürten, wie verzweifelt diese Musterschülerin immer nur demonstrieren wollte: Ich bin perfekt.
Am Ende passierte dann wieder etwas, das auf so peinlich Art inszeniert wirkte wie kürzlich der Auftritt einer alten Dame, die sich unversehens als ihre frühere Religions- Lehrerin erwies.
Wie üblich, rief Clinton eine Fragerin auf. Die Kamera war auf Clinton gerichtet. Sie sagte: "That lady ..." und tat erstaunt, daß da noch eine zweite und eine dritte "Lady" daneben waren. Man sah diese immer noch nicht.
Dann hatte Clinton - so sollte es erscheinen - plötzlich den Einfall, die drei Ladies, die etwas fragen wollten, könnten doch nach vorn kommen. Und nun sah man, daß es drei kleine Mädchen waren. Eigens aus Maine angereist, wie eines davon sagte, um Hillary eine Art KFZ-Schild zu überreichen, das für sie warb.
In der letzten Einstellung der Übertragung sah man noch, wie sie sich für ein Foto mit den drei Mädchen arrangierte und hörte, wie sie nach dem Fotografen rief.
Mitt Romney war - was aber auch an der intimen Atmosphäre dieser Zusammenkunft in einem Privathaus gelegen haben mag - unpathetisch, ruhig, ohne Effekthascherei, ohne diese ständige Plan- Übererfüllung, die Clintons Markenzeichen ist.
Seine Antworten waren locker und zugleich präzise. Er wirkte - auch im Outfit, auch in der Körpersprache - wie ein britischer Country Gentleman, der sich aus Pflichtgefühl, aber ohne übertriebene Anstrengung, für das Gemeinwesen einsetzt.
Er signalisierte, so schien mir: Ja, das wäre schön, Präsident zu werden. Aber wenn nicht, auch nicht schlimm. Ich kann mich auch anderswo nützlich machen.
Nach einer kurzen Rede, und nachdem er ein paar höfliche Fragen höflich beantworet hatte, gab es noch viel Händeschütteln. Schon vorher war auf das Kalte Büffet nebenan hingewiesen worden. Man brach also plaudernd auf.
Barack Obama war so, wie ich ihn schon bei seiner Rede nach den Caucuses in Iowa erlebt hatte: Ein begnadeter Volksredner, ein Mann mit dem Charisma von Kennedy. Aber das war's denn auch - jedenfalls, solange ich seine Rede gehört habe.
Schon der Anfang war genial: Er stellte erst mal, mit Küßchen, zwei süße Wahlhelferinnen vor, die sich hinter ihm aufgebaut hatten. Die hätten jetzt, so erläuterte er, auch die Aufgabe, die noch zögernden Anwesenden dazu zu bringen, ihn, Obama, zu wählen.
Mit jungenhaftem Charme und verschmitztem Lächeln sagte er, das sei natürlich der Sinn der Veranstaltung - er wolle jetzt verführen, für ihn zu stimmen. Etwa zur Hälfte der Redezeit wolle er das erreicht haben, so ungefähr sagte er es.
Und bat erst mal um das Handzeichen - honestly! - derer, die noch unentschlossen seien. An die werde er sich mit seinem Bemühen jetzt besonders wenden. Und wer am Ende überzeugt sei, der möge den lieben Helferinnen doch bitte einen dafür vorbereiteten Abschnitt eines Flyers abgeben. Damit er, Obama, sehe, was er mit seiner Rede geschafft habe. Und lächelte wieder ganz lieb.
So ist er, der Barack Obama. Fast unwiderstehlich. Ich wüßte keinen deutschen oder französischen Politiker, der so lieb und zugleich so stark wirkt. Um noch eine Etage höher zu greifen als nur zu Kennedy: So ungefähr dürfte Alexander der Große auf seine Mazedonier, dürfte Totila auf seine Ostgoten gewirkt haben. Der geborene Anführer.
Und John McCain, der aus meiner Sicht kompetenteste und sympathischste Kandidat von allen?
Ja, er war kompetent und sympathisch. Nur eines war er bei diesem Auftritt nicht: Einer, dem man mit seinen einundsiebzig Jahren noch zutrauen könnte, den schwierigsten Job der Welt zu schaffen.
Das Foto, das ich während seines Auftritts vom Bildschirm gemacht habe, drückt das, denke ich, ganz gut aus. In McCains Versammlung waren fast nur ältere Menschen; ein Teil Kriegsveteranen, von denen einige auf dem Podium Platz genommen hatten. McCain ging leicht gebeugt, fast schlurfend, mit dem Mikrofon auf und ab.
Seine Antworten waren kurz, ehrlich wirkend, manchmal bissig; das Letztere vor allem, wenn es gegen die Verschwendung von Steuern ging. Er macht gern Witze, plauderte wie ein netter Opa, der für sein Alter noch bestens drauf ist.
Das perfekte Gegenbild zu Clinton. Während Clinton auf jede Frage sozusagen Informationen für ein Dutzend Antworten lieferte, blieb McCain schon einmal die Antwort schuldig. Und er signalisierte fröhlich, daß ihm das keineswegs unangenehm war. So, wie er es mit einem Witz kommentiert hatte, daß von den Honoratioren, die er am Anfang begrüßen wollte, etlich gar nicht da waren.
Eine Frau schilderte in ihrer Frage, daß sie nach einer diagnostizierten Infektion mit der Behandlung warten mußte, bis die Krankhreit ausgebrochen war, und fragte McCain, wie er zu den betreffenden Gesetzen stehe.
Hillary Clinton hätte als Antwort eine Fülle von Kenntnissen über die Gesetzeslage herausgesprudelt und wortreich erläutert, wie sie diese als Präsidentin ändern werde, zum Wohle des amerikanischen Volkes. Wahrscheinlich hätte sie auch noch ähnliche Fälle, die an sie herangetragen worden waren, mit viel Detail geschildert.
McCain sagte nur, das fände er aber sehr unvernüftig, was der Frau da widerfahren sei. Man müsse doch ärztlich helfen, sobald eine Diagnose vorliege. Und bat die Frau, nach der Veranstaltung zu ihm zu kommen, "to educate me on the subject", um ihn über dieses Thema schlauer zu machen.
Sehr nett, wie der ganze Auftritt. Ein kompetenter, geradeliniger Mann, ein Weiser mit Ironie und Distanz.
Hätten die USA einen Präsidenten mit den Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten - McCain wäre die ideale Besetzung. Aber daß die Amerikaner ihn in den Knochenjob des Mannes an der Spitze des mächtigsten Staats der Welt wählen werden - daran habe ich nach diesem Auftritt meine Zweifel. Leider.
Für Kommentare und Diskussionen zu diesem Beitrag ist in "Zettels kleinem Zimmer" ein Thread eingerichtet. Wie man sich dort registriert, ist hier zu lesen. Registrierte Teilnehmer können Beiträge schreiben, die sofort automatisch freigeschaltet werden.
Romney sprach in einem Privathaus, in das Anhänger von ihm ihre Nachbarn eingeladen hatten. Hillary Clinton trat auf einer Versammlung von vielleicht hundert Leuten, McCain vor einem ähnlichen Publikum in der Townhall des Orts Peterborough auf. Obamas Auditorium war ungleich größer; eine Halle mit ansteigenden Rängen ringsum und dem Rednerpult in der Mitte.
Alle vier habe ich das erste Mal in einem derartigen längeren Auftritt vor Publikum gesehen.
Hillary Clinton wirkte müde, war aber dennoch ein wandelndes Lexikon. Ob jemand eine Frage zu seiner Gesundheitsvorsorge hatte, zur Abtreibung, zur Nuklearenergie - immer brillierte sie mit Fakten, Beispielen, einer Flut von Informationen.
Wenn jemand sie nach ihrer Haltung zur Abtreibung fragte, dann veranstaltete sie einen tour d'horizon von der chinesischen Ein- Kind- Politik bis zur Abtreibungs- Politik der Volksrepublik Rumänien, die das Gebären befahl. Wenn sich eine Fragerin als Mitarbeiterin des Office of Homeland Security vorstellte, dann skizzierte sie eine Geschichte dieser Einrichtung, der einschlägigen Gesetze, des Aufbaus der Verwaltung.
Lehrreich, keine Frage. Ob die Leute das aber eigentlich wissen wollten, schien sie nicht zu interessieren. Ob sie damit, daß sie diese Kenntnisse versprühte, die Sympathie ihrer Zuhörer gewann oder verstärkte - es schien sie nicht zu interessieren.
Mir schien, daß ihre ganze Brillanz verpuffte, daß die Zuhörer spürten, wie verzweifelt diese Musterschülerin immer nur demonstrieren wollte: Ich bin perfekt.
Am Ende passierte dann wieder etwas, das auf so peinlich Art inszeniert wirkte wie kürzlich der Auftritt einer alten Dame, die sich unversehens als ihre frühere Religions- Lehrerin erwies.
Wie üblich, rief Clinton eine Fragerin auf. Die Kamera war auf Clinton gerichtet. Sie sagte: "That lady ..." und tat erstaunt, daß da noch eine zweite und eine dritte "Lady" daneben waren. Man sah diese immer noch nicht.
Dann hatte Clinton - so sollte es erscheinen - plötzlich den Einfall, die drei Ladies, die etwas fragen wollten, könnten doch nach vorn kommen. Und nun sah man, daß es drei kleine Mädchen waren. Eigens aus Maine angereist, wie eines davon sagte, um Hillary eine Art KFZ-Schild zu überreichen, das für sie warb.
In der letzten Einstellung der Übertragung sah man noch, wie sie sich für ein Foto mit den drei Mädchen arrangierte und hörte, wie sie nach dem Fotografen rief.
Mitt Romney war - was aber auch an der intimen Atmosphäre dieser Zusammenkunft in einem Privathaus gelegen haben mag - unpathetisch, ruhig, ohne Effekthascherei, ohne diese ständige Plan- Übererfüllung, die Clintons Markenzeichen ist.
Seine Antworten waren locker und zugleich präzise. Er wirkte - auch im Outfit, auch in der Körpersprache - wie ein britischer Country Gentleman, der sich aus Pflichtgefühl, aber ohne übertriebene Anstrengung, für das Gemeinwesen einsetzt.
Er signalisierte, so schien mir: Ja, das wäre schön, Präsident zu werden. Aber wenn nicht, auch nicht schlimm. Ich kann mich auch anderswo nützlich machen.
Nach einer kurzen Rede, und nachdem er ein paar höfliche Fragen höflich beantworet hatte, gab es noch viel Händeschütteln. Schon vorher war auf das Kalte Büffet nebenan hingewiesen worden. Man brach also plaudernd auf.
Barack Obama war so, wie ich ihn schon bei seiner Rede nach den Caucuses in Iowa erlebt hatte: Ein begnadeter Volksredner, ein Mann mit dem Charisma von Kennedy. Aber das war's denn auch - jedenfalls, solange ich seine Rede gehört habe.
Schon der Anfang war genial: Er stellte erst mal, mit Küßchen, zwei süße Wahlhelferinnen vor, die sich hinter ihm aufgebaut hatten. Die hätten jetzt, so erläuterte er, auch die Aufgabe, die noch zögernden Anwesenden dazu zu bringen, ihn, Obama, zu wählen.
Mit jungenhaftem Charme und verschmitztem Lächeln sagte er, das sei natürlich der Sinn der Veranstaltung - er wolle jetzt verführen, für ihn zu stimmen. Etwa zur Hälfte der Redezeit wolle er das erreicht haben, so ungefähr sagte er es.
Und bat erst mal um das Handzeichen - honestly! - derer, die noch unentschlossen seien. An die werde er sich mit seinem Bemühen jetzt besonders wenden. Und wer am Ende überzeugt sei, der möge den lieben Helferinnen doch bitte einen dafür vorbereiteten Abschnitt eines Flyers abgeben. Damit er, Obama, sehe, was er mit seiner Rede geschafft habe. Und lächelte wieder ganz lieb.
So ist er, der Barack Obama. Fast unwiderstehlich. Ich wüßte keinen deutschen oder französischen Politiker, der so lieb und zugleich so stark wirkt. Um noch eine Etage höher zu greifen als nur zu Kennedy: So ungefähr dürfte Alexander der Große auf seine Mazedonier, dürfte Totila auf seine Ostgoten gewirkt haben. Der geborene Anführer.
Und John McCain, der aus meiner Sicht kompetenteste und sympathischste Kandidat von allen?
Ja, er war kompetent und sympathisch. Nur eines war er bei diesem Auftritt nicht: Einer, dem man mit seinen einundsiebzig Jahren noch zutrauen könnte, den schwierigsten Job der Welt zu schaffen.
Das Foto, das ich während seines Auftritts vom Bildschirm gemacht habe, drückt das, denke ich, ganz gut aus. In McCains Versammlung waren fast nur ältere Menschen; ein Teil Kriegsveteranen, von denen einige auf dem Podium Platz genommen hatten. McCain ging leicht gebeugt, fast schlurfend, mit dem Mikrofon auf und ab.
Seine Antworten waren kurz, ehrlich wirkend, manchmal bissig; das Letztere vor allem, wenn es gegen die Verschwendung von Steuern ging. Er macht gern Witze, plauderte wie ein netter Opa, der für sein Alter noch bestens drauf ist.
Das perfekte Gegenbild zu Clinton. Während Clinton auf jede Frage sozusagen Informationen für ein Dutzend Antworten lieferte, blieb McCain schon einmal die Antwort schuldig. Und er signalisierte fröhlich, daß ihm das keineswegs unangenehm war. So, wie er es mit einem Witz kommentiert hatte, daß von den Honoratioren, die er am Anfang begrüßen wollte, etlich gar nicht da waren.
Eine Frau schilderte in ihrer Frage, daß sie nach einer diagnostizierten Infektion mit der Behandlung warten mußte, bis die Krankhreit ausgebrochen war, und fragte McCain, wie er zu den betreffenden Gesetzen stehe.
Hillary Clinton hätte als Antwort eine Fülle von Kenntnissen über die Gesetzeslage herausgesprudelt und wortreich erläutert, wie sie diese als Präsidentin ändern werde, zum Wohle des amerikanischen Volkes. Wahrscheinlich hätte sie auch noch ähnliche Fälle, die an sie herangetragen worden waren, mit viel Detail geschildert.
McCain sagte nur, das fände er aber sehr unvernüftig, was der Frau da widerfahren sei. Man müsse doch ärztlich helfen, sobald eine Diagnose vorliege. Und bat die Frau, nach der Veranstaltung zu ihm zu kommen, "to educate me on the subject", um ihn über dieses Thema schlauer zu machen.
Sehr nett, wie der ganze Auftritt. Ein kompetenter, geradeliniger Mann, ein Weiser mit Ironie und Distanz.
Hätten die USA einen Präsidenten mit den Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten - McCain wäre die ideale Besetzung. Aber daß die Amerikaner ihn in den Knochenjob des Mannes an der Spitze des mächtigsten Staats der Welt wählen werden - daran habe ich nach diesem Auftritt meine Zweifel. Leider.