8. September 2007

Zettels Meckerecke: Ein Altkanzler spricht

Gerhard Schröder ist einer von drei noch lebenden ehemaligen Kanzlern der Bundesrepublik Deutschland. Man nennt ihn deshalb "Altbundeskanzler".

Diese Bezeichnung drückt aus, daß jemand, der ein solch hohes Amt innehatte, gewissermaßen die Würde des Amtes nicht ablegt, auch wenn er aus dem Dienst scheidet.

In den USA hat jeder, der einmal Präsident gewesen ist, Anspruch darauf, "Mr. President" genannt zu werden, bis zu seinem Lebensende. In Deutschland hat es sich ähnlich eingebürgert; wenn auch der Titel mit dem Präfix "Alt-" versehen wird.

Helmut Schmidt und Helmut Kohl tragen diesen Ehrentitel zu Recht. Daß Schröder so genannt wird, empfinde ich dagegen als abwegig, ja als respektlos gegenüber dem Amt des deutschen Bundeskanzlers.

Ob dieser Mann jemals in seiner aktiven Zeit den Anforderungen des Amtes gerecht geworden ist - darüber mag man streiten. (Ich glaube es nicht). Aber wie immer man das sieht: Seit er aus diesem Amt schied (oder vielmehr mühsam daraus entfernt werden mußte), benimmt er sich nicht so, wie es der Würde dieses Amtes entspricht.

Ich kennen keinen anderen Fall - nicht in der Geschichte der Bundesrepublik, nicht in der Geschichte der Weimarer Republik, nicht in irgendeinem anderen demokratischen Staat dieses oder des vergangenen Jahrhunderts -, daß ein Regierungschef unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Amt in den Dienst einer auswärtigen Macht trat.

Denn das tat Schröder, als er "Vorsitzender des Aktionärsausschusses des russisch- deutschen Konzerns Nord Stream" wurde; eines Staatskonzerns.

So lautet Schröders heutiger offizieller Titel, in deutscher Übersetzung der russischen Amtsbezeichnung.

Ich entnehme das einer heutigen Meldung von Russland Online, die sich auf die Nachrichtenagentur RIA-Novosti stützt. Sie ist der aktuelle Anlaß für diesen Beitrag.



Gerhard Schröder hat ein Buch geschrieben, das nach allen Regeln des Marketing gepusht wurde, dadurch kurzzeitig zum Bestseller wurde und dann schnell wieder in der Versenkung verschwand. Dieses Buch ist jetzt ins Russische übersetzt worden, und aus diesem Anlaß gab Schröder in Moskau eine Pressekonferenz. IRA-Novosti berichtet:
Das Vorwort zur russischen Ausgabe des 546-Seitigen Buches wurde von Ministerpräsident Dmitri Medwedew verfasst. (...)

Der Ex-Kanzler versicherte, dass er das Buch selbstständig geschrieben hatte. Er könne schreiben, weil er das seinerzeit studiert habe, sagte Schröder auf die Frage, ob jemand ihm bei der Arbeit am Buch geholfen hatte.

Schröder teilte mit, dass seine Freundschaft mit Präsident Wladimir Putin auch jetzt fortgesetzt werde, da er nicht mehr Bundeskanzler sei. Eine richtige Freundschaft hänge nicht davon ab, wer welchen Posten bekleide.
Noch ein paar Belanglosigkeiten berichtet "Russland-Online" bzw. RIA-Novosti. Nichts Politisches.

Politisches erfährt man hingegen aus der Meldung von dpa. Auszüg aus der Fassung der "Süddeutschen Zeitung":
Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat bei einem Besuch in Moskau die gegenwärtige Russlandpolitik der Bundesregierung kritisiert. (...)

Auch im Streit um eine US-Raketenabwehr in Mitteleuropa stellte sich Schröder demonstrativ auf die Seite Moskaus. Die USA verfolgten eine "unsinnige Einkreisungspolitik gegen Russland", sagte Schröder (...).

Er forderte die Bundesregierung auf, ihre guten Kontakte zu Washington zu nutzen, damit die USA auf die Stationierung von Raketen in Polen und einer Radaranlage in Tschechien verzichteten. (...)

Im Vorwort schrieb Vize-Regierungschef Dmitri Medwedew, der als möglicher Nachfolger von Präsident Putin gehandelt wird, dass die Erkenntnisse aus dem Werk für die weitere Entwicklung Russlands von Nutzen seien.
Nicht nur die Erkenntnisse, möchte man hinzufügen. Nicht nur das Werk, in dem diese Erkenntnisse stehen. Sondern vor allem sein Autor. Kein Altkanzler, aber ein Junglobbyist. "Putins Pudel" nennt ihn die Überschrift in der "Süddeutschen".



Ach ja, und noch etwas. Aus dem Bericht, den Matthias Schepp und Simone Schlindwein für "Spiegel-Online schrieben:
Pawel Woronin meldet sich zu Wort, ein junger Abgeordneter der Putin-Partei "Einiges Russland". Er spielt darauf an, dass Putin nach einer von der Verfassung gebotenen Auszeit nach vier Jahren erneut für das Präsidentenamt kandidieren könne. "Es gibt Fragen, die stellt man nicht. Da wartet man die Entscheidung ab", antwortete Schröder.
Leser dieses Blogs freilich brauchen nicht abzuwarten. Sie kennen seit Februar dieses Jahres meine Antwort auf die Frage, die man laut Schröder nicht stellt. Siehe zuletzt hier.

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