Da sich kaum noch Journalisten in Bagdad aufhalten, sondern aus ihren Büros in Dubai, Amman, Kairo berichten, ist man für ein objektives Bild der Lage im Irak zunehmend auf zwei andere Quellen angewiesen: Irakische Blogger und die wenigen westlichen Freien Journalisten, die, meist unter dem Schutz der amerikanischen Armee, im Irak unterwegs sind.
Einen regelmäßigen Überblick über das Neueste aus englischsprachigen Blogs von Irakern findet man in "Dean's World" unter der Überschrift "The Carnival of the Liberated".
Zu den Freien Journalisten, die sich in den Irak wagen, gehören beispielsweise Michael Totten und Bill Ardolino.
Michael Tottens aktueller Bericht ist eine längere Reportage, die hauptsächlich (ziemlich weitschweifig, mit vielen Fotos illustriert) den Alltag amerikanischer Patrouillen schildert, die Reaktionen der Bevölkerung, die kleinen Fortschritte.
Eine interessante Information aus seinem Artikel, die jedenfalls mir neu war:
Im Bagdader Stadtteil Adhamiyah hat die Armee eine Mauer gebaut, die sunnitische und schiitische Wohnbezirke trennt. Zu Fuß kann man sie passieren, aber sie hindert Sprengstoff-Autos und Waffentransporter an der Passage. Innerhalb des ummauerten Bezirks leben hauptsächlich Sunniten, außerhalb Schiiten.
Dadurch seien, schreibt Michael Totten, die Anschläge sowohl der sunnitischen Milizen einschließlich der El Kaida als auch die der schiitischen Mahdi- Armee drastisch reduziert worden.
Auch andere gefährdete Areale - der Fischmarkt zum Beispiel - sind durch Mauern geschützt.
In diesem Zusammenhang ist interessant, was Omar in Iraq the Model schreibt: Die Zahl der Geschäfte hat nicht abgenommen, aber viele sind umgezogen. Sie ziehen weg von den Hauptstraßen, die durch Anschläge gefährdet sind, und siedeln sich in Nebenstraßen an, auf die ein Anschlag sich sozusagen nicht "lohnt".
Ein paar andere Informationen aus Omars Artikel:
Wenn vergangenen Samstag in Bagdad geschossen wurde, dann waren es überwiegend Freudenschüsse. Die irakische Fußball- Nationalmannschaft hatte nämlich bei der Asien- Meisterschaft 2:0 gegen Vietnam gewonnen.
Der Benzinmangel ist viel geringer als früher. Der Schwarzmarkt- Preis für Benzin liegt jetzt nur noch um die Hälfte höher als der offizielle Preis (60 Cents pro Liter; die Hälfte des Schwarzmarkt- Preises letzten Monat).
Die Stromversorgung hat sich, in Stunden gemessen, verdoppelt - allerdings schreibt Omar sarkastisch, die Begeisterung darüber solle sich in Grenzen halten, denn das bedeute vier statt zwei Stunden täglich Strom.
Wenn man ansonsten die in "Dean's World" verlinkten Blogs durchsieht, dann entsteht der Eindruck, daß vor allem eine sehr große Unzufriedenheit mit der Regierung herrscht.
Maliki wird allgemein als unfähig betrachtet. Die konfessionellen Auseinandersetzungen werden kritisiert; wobei niemand zu wissen scheint, was man denn dagegen tun kann.
Von einem "Bürgerkrieg" habe ich in keinem dieser Blogs etwas gelesen; außer einmal in dem Zusammenhang, daß irgendein Politiker mit Bürgerkrieg gedroht habe.
Das vielleicht Deprimierendste: Sämtliche Parlaments- Abgeordnete haben sich selbst (rote) Diplomaten- Pässe genehmigt. Und es gibt den Vorschlag, daß alle, die unmittelbar mit den USA zusammenarbeiten, ein Einreise- Visum zum dauerhaften Aufenthalt in den USA erhalten sollen.
Da werfen die US-Präsidentschaftswahlen ihren Schatten voraus. Viele Iraker werden sich daran erinnern, wie schändlich die US- Demokraten schon einmal die Menschen, die in Vietnam den USA vertraut hatten, im Stich gelassen haben.
Wenn Obama oder Clinton gewählt werden, dann wird aus dem Irak fliehen, wer immer es kann.
In der kürzlichen CNN/YouTube- Veranstaltung, in der die demokratischen Präsidentschafts- Kandidaten von Bürgern befragt wurden, haben mit einer Ausnahme alle sich für den Abzug aus dem Irak ausgesprochen. Es gab nur Differenzen darüber, wie schnell. Die Ausnahme war der Senator Biden, der einen eigenen Irak- Plan hat, nach dem immerhin ein kleines Kontingent im Irak bleiben soll.
Niemand von den Kandidaten hat ein Wort darauf verschwendet, was bei dem beabsichtigten Rückzug aus den Irakern werden wird, die mit den USA zusammengearbeitet haben.
Vielleicht sollte die US-Botschaft in Bagdad schon vorsorglich die Hubschrauber bestellen für den Tag nach den Präsidentschafts- Wahlen.
Und was zum Thema "Informationen zum Irak" nicht fehlen sollte: Iraq Slogger, eine umfassende, ständig aktualisierte Sammlung von Meldungen aus den verschiedensten Quellen.
Darunter auch eigene Analysen von Iraq Slogger. Zum Beispiel diese zu einem grausigen Thema: Die Morde und Folterungen, die schiitische und sunnitische Terroristen untereinander verüben.
Zwischen dem 18. Juni und dem 18. Juli wurden 592 Ermordete aufgefunden. Wenn man die Fundorte in eine Karte von Bagdad einträgt, dann zeigt sich, daß sie fast durchweg in konfessionell gemischten Bezirken liegen; kaum in rein oder überwiegend sunnitischen oder schiitischen. Die Morde sind, schreibt Iraq Slogger, Ausdruck von Machtkämpfen um die Kontrolle von Territorien.
Mit der Invasion des Irak hat das alles nichts zu tun. Da kämpft niemand gegen die Koalitions- Truppen. Sondern wie so oft nach dem Ende einer Diktatur - siehe Jugoslawien - machen sich die Konflikte, die von der Diktatur gewaltsam unterdrückt worden waren, blutig bemerkbar.
Einen regelmäßigen Überblick über das Neueste aus englischsprachigen Blogs von Irakern findet man in "Dean's World" unter der Überschrift "The Carnival of the Liberated".
Zu den Freien Journalisten, die sich in den Irak wagen, gehören beispielsweise Michael Totten und Bill Ardolino.
Michael Tottens aktueller Bericht ist eine längere Reportage, die hauptsächlich (ziemlich weitschweifig, mit vielen Fotos illustriert) den Alltag amerikanischer Patrouillen schildert, die Reaktionen der Bevölkerung, die kleinen Fortschritte.
Eine interessante Information aus seinem Artikel, die jedenfalls mir neu war:
Im Bagdader Stadtteil Adhamiyah hat die Armee eine Mauer gebaut, die sunnitische und schiitische Wohnbezirke trennt. Zu Fuß kann man sie passieren, aber sie hindert Sprengstoff-Autos und Waffentransporter an der Passage. Innerhalb des ummauerten Bezirks leben hauptsächlich Sunniten, außerhalb Schiiten.
Dadurch seien, schreibt Michael Totten, die Anschläge sowohl der sunnitischen Milizen einschließlich der El Kaida als auch die der schiitischen Mahdi- Armee drastisch reduziert worden.
Auch andere gefährdete Areale - der Fischmarkt zum Beispiel - sind durch Mauern geschützt.
In diesem Zusammenhang ist interessant, was Omar in Iraq the Model schreibt: Die Zahl der Geschäfte hat nicht abgenommen, aber viele sind umgezogen. Sie ziehen weg von den Hauptstraßen, die durch Anschläge gefährdet sind, und siedeln sich in Nebenstraßen an, auf die ein Anschlag sich sozusagen nicht "lohnt".
Ein paar andere Informationen aus Omars Artikel:
Wenn vergangenen Samstag in Bagdad geschossen wurde, dann waren es überwiegend Freudenschüsse. Die irakische Fußball- Nationalmannschaft hatte nämlich bei der Asien- Meisterschaft 2:0 gegen Vietnam gewonnen.
Der Benzinmangel ist viel geringer als früher. Der Schwarzmarkt- Preis für Benzin liegt jetzt nur noch um die Hälfte höher als der offizielle Preis (60 Cents pro Liter; die Hälfte des Schwarzmarkt- Preises letzten Monat).
Die Stromversorgung hat sich, in Stunden gemessen, verdoppelt - allerdings schreibt Omar sarkastisch, die Begeisterung darüber solle sich in Grenzen halten, denn das bedeute vier statt zwei Stunden täglich Strom.
Wenn man ansonsten die in "Dean's World" verlinkten Blogs durchsieht, dann entsteht der Eindruck, daß vor allem eine sehr große Unzufriedenheit mit der Regierung herrscht.
Maliki wird allgemein als unfähig betrachtet. Die konfessionellen Auseinandersetzungen werden kritisiert; wobei niemand zu wissen scheint, was man denn dagegen tun kann.
Von einem "Bürgerkrieg" habe ich in keinem dieser Blogs etwas gelesen; außer einmal in dem Zusammenhang, daß irgendein Politiker mit Bürgerkrieg gedroht habe.
Das vielleicht Deprimierendste: Sämtliche Parlaments- Abgeordnete haben sich selbst (rote) Diplomaten- Pässe genehmigt. Und es gibt den Vorschlag, daß alle, die unmittelbar mit den USA zusammenarbeiten, ein Einreise- Visum zum dauerhaften Aufenthalt in den USA erhalten sollen.
Da werfen die US-Präsidentschaftswahlen ihren Schatten voraus. Viele Iraker werden sich daran erinnern, wie schändlich die US- Demokraten schon einmal die Menschen, die in Vietnam den USA vertraut hatten, im Stich gelassen haben.
Wenn Obama oder Clinton gewählt werden, dann wird aus dem Irak fliehen, wer immer es kann.
In der kürzlichen CNN/YouTube- Veranstaltung, in der die demokratischen Präsidentschafts- Kandidaten von Bürgern befragt wurden, haben mit einer Ausnahme alle sich für den Abzug aus dem Irak ausgesprochen. Es gab nur Differenzen darüber, wie schnell. Die Ausnahme war der Senator Biden, der einen eigenen Irak- Plan hat, nach dem immerhin ein kleines Kontingent im Irak bleiben soll.
Niemand von den Kandidaten hat ein Wort darauf verschwendet, was bei dem beabsichtigten Rückzug aus den Irakern werden wird, die mit den USA zusammengearbeitet haben.
Vielleicht sollte die US-Botschaft in Bagdad schon vorsorglich die Hubschrauber bestellen für den Tag nach den Präsidentschafts- Wahlen.
Und was zum Thema "Informationen zum Irak" nicht fehlen sollte: Iraq Slogger, eine umfassende, ständig aktualisierte Sammlung von Meldungen aus den verschiedensten Quellen.
Darunter auch eigene Analysen von Iraq Slogger. Zum Beispiel diese zu einem grausigen Thema: Die Morde und Folterungen, die schiitische und sunnitische Terroristen untereinander verüben.
Zwischen dem 18. Juni und dem 18. Juli wurden 592 Ermordete aufgefunden. Wenn man die Fundorte in eine Karte von Bagdad einträgt, dann zeigt sich, daß sie fast durchweg in konfessionell gemischten Bezirken liegen; kaum in rein oder überwiegend sunnitischen oder schiitischen. Die Morde sind, schreibt Iraq Slogger, Ausdruck von Machtkämpfen um die Kontrolle von Territorien.
Mit der Invasion des Irak hat das alles nichts zu tun. Da kämpft niemand gegen die Koalitions- Truppen. Sondern wie so oft nach dem Ende einer Diktatur - siehe Jugoslawien - machen sich die Konflikte, die von der Diktatur gewaltsam unterdrückt worden waren, blutig bemerkbar.
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