1. Mai 2007

Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Die Schlüsselrolle der Extremisten

Gut eine halbe Woche vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich ist die Niederlage von Ségolène Royal so wahrscheinlich geworden, daß ich sie jetzt vorherzusagen wage.

Bayrous Freundlichkeit gegenüber Royal war ein Danaergeschenk: Er veranlaßt dadurch zwar möglicherweise einen Teil der Unentschlossenen unter seinen Wählern, Royal zu wählen. Aber zugleich profiliert er sich selbst als der neue Oppositionsführer.

Er setzt als sicher voraus, daß Royal am kommenden Sonntag verlieren wird; also plant er jetzt für die Zeit danach: Für die kommenden Wahlen zur Nationalversammlung; für die anschließende politische Konstellation, in der die Rechte unter einem Präsidenten Sarkozy regieren wird.

Warum kann Bayrou ziemlich sicher sein, daß Sarkozy gewinnen wird, auch wenn ein Teil der Bayrou- Wähler jetzt zu Royal umschwenken sollte? Weil Royal bei diesem Manöver mindestens das an den extremen Rändern verliert, was sie in der Mitte gewinnt.



Wie in vielen Staaten mit einem Verhältniswahlrecht überlagern sich auch in Frankreich mit seiner besonderen Variante des Mehrheitswahlrechts zwei politische Dimensionen: Rechts gegen links und extremistisch gegen demokratisch.

In Frankreich ist die zweite Dimension besonders ausgeprägt: Die Linksextremen und die Rechtsextremen haben nicht nur die in allen Ländern üblichen Gemeinsamkeiten - sie sind gleichermaßen antikapitalistisch, antiamerikanisch, antiliberal, antiisraelisch, populistisch.

Sondern in Frankeich haben die Links- und die Rechtsextremisten auch die Europafeindlichkeit und die Feindlichkeit gegen die an der ENA und den anderen Grandes Écoles ausgebildete Elite gemeinsam. Die einen wie die anderen sehen sich als die Verlierer, die von dieser Pariser Elite, von den Eurokraten Vernachlässigten und Ausgebeuteten.

Was oft übersehen wird: Zusammen haben die Links- und Rechtsextremisten im ersten Wahlgang mehr Stimmen bekommen als Bayrou. Le Pen erhielt 10,44 Prozent. Die Linksextremen - Besancenot, Buffet, Laguiller, Schivardi und Bové - zusammen genau 10,0 Prozent. Zusammen also 20,44 Prozent Stimmen für Extremisten, während Bayrou nur auf 18,57 Prozent kam.



Dieses Potential von einem Fünftel extremistischer Wähler ist nun für den zweiten Wahlgang keineswegs automatisch festgelegt. Weder die Rechtsextremen auf den Rechten Sarkozy, noch die Linksextremen auf die Linke Royal.

Die Rechtsextremen sind zwar für Sarkozy wegen seiner Härte gegenüber Kriminellen und seiner Einwandererpolitik. Aber zugleich lehnen sie ihn als einen Liberalen und Prokapitalisten heftig ab; unterschwellig auch wegen seiner jüdischen Vorfahren. Die Linksextremen sind für Royal wegen ihrer Staatsgläubigkeit und Gewerkschaftsnähe; aber sie lehnen sie als eine typische Vertreterin der Pariser Elite, als volksferne Bürgertochter, ebenso entschieden ab.

Je mehr sich nun Royal den Bayrou- Wählern andient, umso unattraktiver wird sie für die extremistischen Wähler. Umso mehr tendieren diese also zu Sarkozy.

Eine neue Umfrage des Instituts Ifop zeigt diesen Trend (wenn auch die Daten einer einzelnen Umfrage immer vorsichtig interpretiert werden sollten): Die Zahl der Bayrou-Wähler, die Sarkozy wählen wollen, ist seit vergangenem Samstag um vier Prozentpunkte gefallen. Aber im selben Zeitraum ist die Zahl der Le-Pen- Wähler, die Sarkozy wählen wollen, um 12 Prozentpunkte gestiegen. In absoluten Zahlen ist dieser Zuwachs von rechtsaußen größer als der Verlust zur Mitte hin.

Und von denjenigen, die im ersten Wahlgang die extreme Linke gewählt haben, wollen inzwischen immerhin 21 Prozent für Sarkozy stimmen.