22. Mai 2007

Der moderne Terrorismus: Töten als Show Business

Im Krieg tötet man, um die Kraft des Feindes zu schwächen. Jeder tote Feind ist ein Gegner weniger, der seinerseits versuchen könnte, eigene Leute zu töten. Töten oder schwer verwunden oder gefangennehmen muß man die Feinde, wenn man nicht selbst das Schicksal der Niederlage erleiden will.

Das ist rational, wenn auch unmenschlich. Es ist so seit Jahrtausenden.



Im Krieg wird zweitens getötet im Rausch des Sieges. Die Einwohner von belagerten Städten, die sich nicht freiwillig ergaben, wurden hingemordet als Strafe für ihre Renitenz. Gefangene wurden ermordet, just zum perversen Genuß der Sieger, wie die Gekreuzigten, die im Rom der Spätantike die Via Appia säumten.

Wenn man nicht mordet, dann vergewaltigt man mindestens, wie die Rote Armee im Siegesrausch 1945. Das ist das Recht der Sieger, so sieht man das traditionell. Voraufklärerisch, wie das kommunistische Rußland war.



Es soll, drittens, freilich auch Furcht machen, das Töten, das Vergewaltigen, das Quälen der Besiegten. Vae Victis! - das ist vor allem ein machiavellistisches Mittel der Politik.

Abschreckung durch den Augenschein. Grausamkeit nicht nur zur Freude des Grausamen, sondern vor allem, damit jeder gewarnt sei, sich ihm zu widersetzen. Dem, dessen Graumsamkeit bekannt ist, beugt man sich gewissermaßen vorbeugend.



Warum haben aber die deutschen Terroristen der sogenannten RAF gemordet? Warum morden heute Terroristen in Bagdad, aktuell in Ankara?

Ob sie nun, wie die RAF, Beamte und Wirtschaftsleute ermordet haben, samt ihren Begleitern; oder ob sie wahllos jeden ermorden, der sich zufällig dort befindet, wo die Bombe explodiert - es liegt auf der Hand, daß keines der drei klassischen Motive für das Töten im Krieg zutrifft; auch nicht für das Töten im Bürgerkrieg.

Diese modernen politischen Mörder können dadurch ihre Feinde nicht spürbar dezimieren; sie haben nicht im Rausch des Sieges gemordet; sie haben auch nicht zur Abschreckung getötet.



Ist es also schlicht der Blutrausch, wie bei allen Serienmördern? Das sollte man meines Erachtens ernsthaft in Betracht ziehen. Dieser Gesichtspunkt - daß Terroristen vor allem krank sind - wird meines Erachtens viel zu wenig bedacht.

Daß Leute wie Christian Klar Lustmörder waren, ist jedenfalls nicht von vornherein unwahrscheinlich.

Der Kick, wenn man einen Menschen tötet, mag schon eine entscheidende Rolle bei ihrer Entschlossenheit zum Töten gespielt haben. Herr über das Leben anderer zu sein, das ist wohl ein starkes Motiv. Gottähnlichkeit des Gerechten.

Kein RAF-Terrorist hat sich jedenfalls nach meiner Kenntnis entsetzt darüber geäußert, daß er Menschen ermordet hat. Karl-Heinz Dellwo hat in einem unsäglichen Interview des WDR auf eine entspechende Frage gesagt, nein, seine Tat sei für ihn nicht traumatisch; so sinngemäß.

Eine solche Uneinsichtigkeit von Mördern haben noch nicht einmal viele KZ- Täter gezeigt. Das ist schon auf seine Art eindrucksvoll, wie unmenschlich diese RAF- Leute waren. SS-Mentalität.



Solche Motive sind nun allerdings schwer nachweisbar. Klammern wir sie also aus. Unterstellen wir einmal, daß terroristische Mörder keine Lustmörder sind. Welches rationale Motiv haben sie dann, zu morden um des Mordens willen? Irgendwo eine Bombe hochgehen zu lassen, die Menschen tötet, irgendeinen Wirtschaftsführer oder Politiker zu ermorden?

Die Antwort lautet, soweit ich das durchschaue: Es geht allein um das Medien- Echo. Der Mord ist nicht ein Ziel in sich, sondern er ist ein Mittel, um in die Schlagzeilen zu kommen, um CNN, um weltweit die TV-Anstalten zu Berichten zu veranlassen.

Die Aktionen von Terroristen sind Happenings.

Natürlich wußten die RAF-Terroristen, daß die polizeiliche Verfolgung des deutschen Terrorismus nicht nachlassen würde, wenn sie Buback ermordeten. Aber sie hatten Publicity.

Natürlich wissen die Terroristen im Irak, daß sie die Regierung, daß sie die Koalitionstruppen nicht schwächen, wenn sie Menschen ermorden, die sich zufällig auf einem Markt befinden. Aber sie haben Publicity.

Terroristen in der Türkei suchen jetzt offensichtlich diese Publicity. Wer immer nun die Mörder gewesen sind - man fragt sich jetzt, wer sie denn sind, was sie denn wollen.



Der heutigeTerrorismus, und das hat die RAF mit am ersten erkannt, hat den Charakter von modernen Gladiatorenspielen: Menschen werden getötet, damit das Publikum darauf reagiert. Der Mord wird zur Show.

Der Mord wird zur Inszenierung, wie im Colloseum. Die Mörder sind so zynisch wie diejenigen, die damals, in der Spätantike, die Choreographie des Todes eingerichtet haben, komplett mit künstlichen Palmen, künstlichen Seeschlachten.

Das Töten von Menschen war für die RAF, es ist heute für die islamistischen Terroristen, es ist für die gestrigen Mörder von Ankara zum Show Business geworden.
Sie sind ohne jede Moral.

Ein Tiefpunkt der Zivilisation; ein Maß an Zynismus, das auch die klassischen Tyrannen und Despoten nicht kannten.