Das Buch, um das es hier geht, halte ich für eines der interessantesten des vergangenen Jahres.
Nicht eines der besten des Jahres. Im Gegenteil, seine Mängel liegen auf der Hand. Aber es ist ein Buch, aus dem ich ungewöhnlich viel gelernt habe: "So macht Kommunismus Spaß" von Bettina Röhl, im März 2006 bei der Europäischen Verlagsanstalt (EVA) erschienen. Also nicht mehr ganz "aktuell"; ich habe es jedoch erst jetzt gelesen.
Das Buch wurde überwiegend positiv, mindestens wohlwollend besprochen, aber ein richtiger Beststeller ist es, soweit ich sehe, nicht geworden. Ich kann mich nicht erinnern, es in der "Spiegel"- Bestsellerliste gesehen zu haben.
Auch wenn es nicht der ganz große Erfolg wurde, führt es die EVA immerhin auf Platz eins ihrer verlagsinternen Bestsellerliste, und die Autorin ist weiter auf Lesereise. Es ist also, denke ich, noch aktuell genug, um es hier zu kommentieren.
Positive Rezensionen sind meist so aufgebaut, daß man das Buch zuerst und überwiegend lobt und am Schluß ein paar einschränkende Bemerkungen anhängt - man habe dies und jenes "vermißt", dieser und jener Irrtum sei dem Autor unterlaufen; dergleichen. Das zeigt, daß der Rezensent das Thema beherrscht; er weiß zu korrigieren.
Ich will es umgekehrt machen und vorab, im ersten Teil dieser kleinen Serie, sagen, was mir an dem Buch nicht gefällt.
Es enthält Schluderigkeiten. Die Krönung von Elisabeth II wurde nicht, wie die Autorin meint (S. 171), 1953 in Farbe im TV übertragen; das Farbfernsehen wurde in Deutschland erst 1967 eingeführt. Ulrike Meinhof hat in Münster nicht (Seite 244) in der Steingartenstraße gewohnt, die es dort nicht gibt, sondern in der Steinfurter Straße. Und sie hatte zuvor in Göttingen u.a. bei dem Psychologieprofessor Heinrich Düker studiert, nicht Düber (Seite 184). Da hätte die Autorin die Fakten (also z.B. ihre Lesart der handschriftlichen Dokumente) etwas sorgfältiger verifizieren sollen, oder der Verlag.
Der es auch versäumt hat, ein Sachverzeichnis zu erstellen - bei einem solchen Buch, in dem man Zeitgeschichtliches nachschlagen möchte, ein unverständlicher Mangel.
Gut, das sind die kleinen Beckmessereien. Die ernsthaften Mängel des Buchs liegen in seinem Konzept und in seiner Weitschweifigkeit.
Was das Konzept angeht - ich habe bis zum Ende nicht verstanden, was die Autorin eigentlich schreiben wollte:
Das Buch versucht etwas von alledem zu sein. Das kommt auch in der Erzählperspektive zum Ausdruck. Die Autorin schreibt manchmal in der Ichform und spricht von "meiner Mutter". Dann wieder ist von "den Röhl- Zwilligen" die Rede und von "Ulrike Meinhof". Der Text oszilliert zwischen der subjektiven Perspektive der Tochter, die das Beschriebene als Kind erlebt hat, und der nüchternen Haltung einer Journalistin, die ein Stück Zeitgeschichte aufarbeiten möchte.
Also, da wurde zu viel versucht, zu viel in dasselbe Manuskript gepackt.
Zumal man den Eindruck hat, daß kein Lektor für die erforderlichen Streichungen gesorgt hat. Das Buch ist weitschweifig. Immer wieder gibt es Exkurse zur allgemeinen Geschichte der fünfziger und sechziger Jahre; so, als hätte sich die Autorin eine Kenntnis dieser Zeit angeeignet und als wollte sie uns nun daran teilhaben lassen. Dokumente werden in unnötiger Länge abgedruckt. Der Text springt in der Chronologie voran und zurück. Zuvor schon Mitgeteiltes oder Vorausgesetztes wird später so eingeführt, als sei es neu.
Etwas pointiert gesagt: Das Buch hat mit seinen fast 700 Seiten auf mich gewirkt wie ein Rohmanuskript, zu dem ein guter Lektor der Autorin geschrieben hätte: "Ausgezeichnet. Jetzt sollten Sie sich nur noch entscheiden, was für eine Art Buch Sie schreiben wollen, und dann straffen wir es auf 400 Seiten." Dann wäre es, denke ich, ein herausragendes Buch geworden.
So ist es, wie gesagt, ein interessantes. Ein hochinteressantes, für mich jedenfalls.
"Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buche?" hat Lichtenberg notiert. Auch wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es sprühen dabei die Funken, liegt das nicht nur an dem Buch.
Ich habe mir Ende der fünfziger Jahre als Gymnasiast den "Studentenkurier" und dann "Konkret" besorgt und sie mit klopfendem Herzen gelesen - diese großformatigen, auf schlechtem Papier gedruckten Exemplare mit den an Heartfield angelehnten Fotomontagen auf der Titelseite; mit "Leslie Meir's Lyrik- Schlachthof"; geschmückt mit dem Porträt des jungen Peter Rühmkorf (den ich damals natürlich nicht kannte).
Ich habe später dann "Konkret" ebenso regelmäßig gelesen wie den "Spiegel", und ich war von der Integrität der Redaktion überzeugt. Auch davon, daß "Konkret", wie Röhl es schwor, nicht aus der DDR finanziert wurde. Ich habe dieser Zeitschrift vertraut, ähnlich wie dem "Berliner Extra- Dienst".
Daß dieser von Ostberlin aus gesteuert worden war, stellte sich nach der Wiedervereinigung heraus. Daß auch "Konkret" Gelder aus der DDR genommen hatte, erfuhr ich damals ebenfalls.
Aber das, was Bettina Röhl recherchiert und dokumentiert hat, das hat mich doch vom Stuhl gehauen: Der "Studentenkurier" war schlicht ein Organ der KPD, auch noch nach der Umbenennung in "Konkret". Röhl und Meinhof waren Mitglieder der KPD. Und jede redaktionelle Entscheidung - bis hin zur Berufung von Ulrike Meinhof zur Chefredakteurin - wurde von den zuständigen Funktionären der KPD getroffen; bis dann Röhl aus der KPD ausgeschlossen wurde.
Ulrike Meinhof aber war auch zu ihrer RAF- Zeit noch Mitglied der KPD (dann als DKP "neugegründet"), und die KPD hat sich auch damals noch um sie gekümmert.
Und das war nur eine kleine Facette dessen, was die KPD damals veranstaltet hat, um die westdeutsche Linke zu kontrollieren. Bis hin zur "pazifistischen" DFU, die schlicht in Ostberlin gegründet wurde.
Mehr darüber im zweiten Teil.
Nicht eines der besten des Jahres. Im Gegenteil, seine Mängel liegen auf der Hand. Aber es ist ein Buch, aus dem ich ungewöhnlich viel gelernt habe: "So macht Kommunismus Spaß" von Bettina Röhl, im März 2006 bei der Europäischen Verlagsanstalt (EVA) erschienen. Also nicht mehr ganz "aktuell"; ich habe es jedoch erst jetzt gelesen.
Das Buch wurde überwiegend positiv, mindestens wohlwollend besprochen, aber ein richtiger Beststeller ist es, soweit ich sehe, nicht geworden. Ich kann mich nicht erinnern, es in der "Spiegel"- Bestsellerliste gesehen zu haben.
Auch wenn es nicht der ganz große Erfolg wurde, führt es die EVA immerhin auf Platz eins ihrer verlagsinternen Bestsellerliste, und die Autorin ist weiter auf Lesereise. Es ist also, denke ich, noch aktuell genug, um es hier zu kommentieren.
Positive Rezensionen sind meist so aufgebaut, daß man das Buch zuerst und überwiegend lobt und am Schluß ein paar einschränkende Bemerkungen anhängt - man habe dies und jenes "vermißt", dieser und jener Irrtum sei dem Autor unterlaufen; dergleichen. Das zeigt, daß der Rezensent das Thema beherrscht; er weiß zu korrigieren.
Ich will es umgekehrt machen und vorab, im ersten Teil dieser kleinen Serie, sagen, was mir an dem Buch nicht gefällt.
Es enthält Schluderigkeiten. Die Krönung von Elisabeth II wurde nicht, wie die Autorin meint (S. 171), 1953 in Farbe im TV übertragen; das Farbfernsehen wurde in Deutschland erst 1967 eingeführt. Ulrike Meinhof hat in Münster nicht (Seite 244) in der Steingartenstraße gewohnt, die es dort nicht gibt, sondern in der Steinfurter Straße. Und sie hatte zuvor in Göttingen u.a. bei dem Psychologieprofessor Heinrich Düker studiert, nicht Düber (Seite 184). Da hätte die Autorin die Fakten (also z.B. ihre Lesart der handschriftlichen Dokumente) etwas sorgfältiger verifizieren sollen, oder der Verlag.
Der es auch versäumt hat, ein Sachverzeichnis zu erstellen - bei einem solchen Buch, in dem man Zeitgeschichtliches nachschlagen möchte, ein unverständlicher Mangel.
Gut, das sind die kleinen Beckmessereien. Die ernsthaften Mängel des Buchs liegen in seinem Konzept und in seiner Weitschweifigkeit.
Was das Konzept angeht - ich habe bis zum Ende nicht verstanden, was die Autorin eigentlich schreiben wollte:
Eine Biographie Ulrike Meinhofs, samt ihrer Familiengeschichte? Dann hätte das Buch nicht abrupt 1967 mit der Trennung des Ehepaars Röhl enden dürfen (die gesamte RAF- Zeit von Ulrike Meinhof wird nur noch in einem knappen "Epilog" oberflächlich abgehandelt). Eine Geschichte der Zeitschrift "Konkret", ihres politischen Kontexts, ihres Hintergrunds? Dann hätte Röhl sich auf dieses Thema konzentrieren sollen, statt Persönliches und Familiäres im Detail auszubreiten. Oder eine persönliche Auseinandersetzung der heutigen Journalistin Röhl mit ihren Eltern Ulrike Marie Meinhof und Klaus Rainer Röhl? Das scheint das Buch am ehesten zu sein; so wie sich andere aktuelle Bücher (etwa das von Wibke Bruhns) mit der Elterngeneration der Nazizeit auseinandersetzen. Aber wenn dies die Absicht des Buchs ist, dann gehören seitenlange Zitate aus Dokumenten der illegalen KPD, aus Protokollen von SDS-Kongressen und dergleichen nicht hinein; oder zeitgeschichtliche Betrachtungen
Das Buch versucht etwas von alledem zu sein. Das kommt auch in der Erzählperspektive zum Ausdruck. Die Autorin schreibt manchmal in der Ichform und spricht von "meiner Mutter". Dann wieder ist von "den Röhl- Zwilligen" die Rede und von "Ulrike Meinhof". Der Text oszilliert zwischen der subjektiven Perspektive der Tochter, die das Beschriebene als Kind erlebt hat, und der nüchternen Haltung einer Journalistin, die ein Stück Zeitgeschichte aufarbeiten möchte.
Also, da wurde zu viel versucht, zu viel in dasselbe Manuskript gepackt.
Zumal man den Eindruck hat, daß kein Lektor für die erforderlichen Streichungen gesorgt hat. Das Buch ist weitschweifig. Immer wieder gibt es Exkurse zur allgemeinen Geschichte der fünfziger und sechziger Jahre; so, als hätte sich die Autorin eine Kenntnis dieser Zeit angeeignet und als wollte sie uns nun daran teilhaben lassen. Dokumente werden in unnötiger Länge abgedruckt. Der Text springt in der Chronologie voran und zurück. Zuvor schon Mitgeteiltes oder Vorausgesetztes wird später so eingeführt, als sei es neu.
Etwas pointiert gesagt: Das Buch hat mit seinen fast 700 Seiten auf mich gewirkt wie ein Rohmanuskript, zu dem ein guter Lektor der Autorin geschrieben hätte: "Ausgezeichnet. Jetzt sollten Sie sich nur noch entscheiden, was für eine Art Buch Sie schreiben wollen, und dann straffen wir es auf 400 Seiten." Dann wäre es, denke ich, ein herausragendes Buch geworden.
So ist es, wie gesagt, ein interessantes. Ein hochinteressantes, für mich jedenfalls.
"Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buche?" hat Lichtenberg notiert. Auch wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es sprühen dabei die Funken, liegt das nicht nur an dem Buch.
Ich habe mir Ende der fünfziger Jahre als Gymnasiast den "Studentenkurier" und dann "Konkret" besorgt und sie mit klopfendem Herzen gelesen - diese großformatigen, auf schlechtem Papier gedruckten Exemplare mit den an Heartfield angelehnten Fotomontagen auf der Titelseite; mit "Leslie Meir's Lyrik- Schlachthof"; geschmückt mit dem Porträt des jungen Peter Rühmkorf (den ich damals natürlich nicht kannte).
Ich habe später dann "Konkret" ebenso regelmäßig gelesen wie den "Spiegel", und ich war von der Integrität der Redaktion überzeugt. Auch davon, daß "Konkret", wie Röhl es schwor, nicht aus der DDR finanziert wurde. Ich habe dieser Zeitschrift vertraut, ähnlich wie dem "Berliner Extra- Dienst".
Daß dieser von Ostberlin aus gesteuert worden war, stellte sich nach der Wiedervereinigung heraus. Daß auch "Konkret" Gelder aus der DDR genommen hatte, erfuhr ich damals ebenfalls.
Aber das, was Bettina Röhl recherchiert und dokumentiert hat, das hat mich doch vom Stuhl gehauen: Der "Studentenkurier" war schlicht ein Organ der KPD, auch noch nach der Umbenennung in "Konkret". Röhl und Meinhof waren Mitglieder der KPD. Und jede redaktionelle Entscheidung - bis hin zur Berufung von Ulrike Meinhof zur Chefredakteurin - wurde von den zuständigen Funktionären der KPD getroffen; bis dann Röhl aus der KPD ausgeschlossen wurde.
Ulrike Meinhof aber war auch zu ihrer RAF- Zeit noch Mitglied der KPD (dann als DKP "neugegründet"), und die KPD hat sich auch damals noch um sie gekümmert.
Und das war nur eine kleine Facette dessen, was die KPD damals veranstaltet hat, um die westdeutsche Linke zu kontrollieren. Bis hin zur "pazifistischen" DFU, die schlicht in Ostberlin gegründet wurde.
Mehr darüber im zweiten Teil.