30. Januar 2007

Lehrsklaven? Nein, freier Markt!

Die deutschen Universitäten waren einmal unter den besten der Welt. Die Humboldt' sche Universität war vorbildlich: Vorbildlich in ihrer Lehr- und Lernfreiheit, in der Einheit von Forschung und Lehre.

Es war eine liberale Universität: Die Professoren hatten die Freiheit, zu forschen und als Lehrinhalte anzubieten, was sie selbst wollten. Die Studierenden hatten die Freiheit, die Kollegs zu wählen, die ihnen zusagten; und sich auch die Prüfer auszusuchen, von denen sie sich prüfen lassen wollten.

Es zahlte sich damals aus, für jeden Professor, gute Lehre anzubieten. Denn sie lebten (anfangs überwiegend, dann immer noch teilweise) von den sogenannten Kolleggeldern. Wer einen Professor hören wollte, der bezahlte ihn.

Ein Professor, der schlechte Lehre anbot, war im 18., teílweise noch im 19. Jahrhundert schnell nah am Verhungern gewesen. Er erhielt noch nicht einmal mehr die Naturalien, mit denen Studenten gern bezahlten - den Schinken vom väterlichen Hof, beispielsweise.

Auch für Prüfungen war zu zahlen. Wer als Prüfer beliebt war, der verdiente daran.

Führte das dazu, daß die Anforderungen ins Bodenlose sanken? Keineswegs. Denn im Zeugnis stand ja, von wem der Kandidat geprüft worden war. Wer gute Noten von "billigen" Prüfern hatte, dessen Zeugnis war wenig wert. Auch da funktionierte der Markt.



In den späten sechziger oder frühen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde das alles abgeschafft. Statt der Kolleggelder, die von der Zahl der Hörer abhingen, gab es eine "Kolleggeldpauschale", die irgendwann in das Gehalt eingearbeitet wurde. Ebenso verschwanden die Gebühren, die den Prüfern zugeflossen waren. Alles alte Zöpfe, die man abschnitt. Der Muff von tausend Jahren

Kurzum, der Markt für Lehre wurde abgeschafft. Nicht aber der für Forschung, der nach wie vor die Karriere bestimmt.

Die logische Folge war, daß die Lehre immer schlechter wurde. Wenn ein Wissenschaftler für gute Lehre exakt keine Belohnung bekommt, während gute Forschung ihm sein Fortkommen sichert, wäre er bescheuert, wenn er nicht die Lehre vernachlässigen würde.

Das ist die heutige Situation an den meisten deutschen Universitäten.



Nun versucht man, durch "Evaluation" etwas zu bewirken. Was da an Bürokratie im Entstehen ist, kann ein Außenstehender kaum fassen. Punkte für die Zahl der Dissertationen, der Diplomarbeiten, die jemand betreut. Punkte auch für Gremientätigkeit, für Zahl der Veröffentlichungen und so fort. Und das ganze verwaltet von zahllosen Kommissionen, Fachbereichsräten, Abteilungs- Ausschüssen, wie immer das heißt; von Dekanaten, die das alles ausrechnen müssen.

Daran, daß aus guten Gründen deutsche Professoren so wenige Ressourcen auf die Lehre und so viele auf die Forschung verwenden, wird das nach meinem Dafürhalten nichts ändern. (Ganz zu schweigen von der riesigen Menge an Arbeitszeit, die auf "Gremienarbeit" verwendet und oft für sie verschwendet wird - aber das ist ein anderes Thema).

Dabei wäre die Lösung so einfach: Erstens bezahlen die Studierenden Studiengebühren. Zweitens werden (unter anderem) aus diesen Gebühren die Gehälter der Professoren bezahlt. Und drittens handelt jeder Rektor und Dekan mit jedem seiner Professoren dessen Gehalt individuell aus. Wer viele Studenten zieht, der verdient entsprechend mehr, weil er seiner Universität ja mehr Einnahmen bringt. Ebenso, wer gute Forschung macht, weil er damit deren Renommee fördert.



So einfach ist das. So einfach ist es an Privatuniversitäten, weltweit.

Aber in Deutschland? Da wird jetzt (mal wieder) erwogen, "Lehrprofessoren" zu engagieren, die sich besonders um die Lehre kümmern sollen.

Was erstens bedeutet, daß das vermutlich lausige Forscher sind, denn sonst würden sie ja nicht einen solchen Job anstreben; die Einheit von Forschung und Lehre geht also verloren. Zweitens sind sie, in ein starres Besoldungssystem eingespannt, für gute Lehre ungefähr so motiviert wie ein Studienrat ohne Aussicht auf Beförderung. Es sei denn, sie gehören zu der Minderheit, die Spaß am Lehren und/oder Pflichtgefühl hat.

Und drittens ist das ja ein Hut, so alt, das er schon speckig und verfilzt ist. Der "Studienrat im Hochschuldienst", der "Akademische Rat mit überwiegender Lehrtätigkeit", der "Wissenschaftliche Angestellte mit fast ausschließlicher Lehrtätigkeit" - das waren alles solche Versuche, die oft schlechte Lehre der Professoren durch (hoffte man) gute Lehre von Lehr- Spezialisten mit hohem Lehrdeputat zu kompensieren.

Ich halte das für einen Irrweg. Ich bin dafür, durch Wiedereinführung von Markt- Mechanismen es für die Professoren attraktiv zu machen, gute Lehre anzubieten.

Was übrigens nach meinen Erfahrungen auch der Forschung zugute kommt. Denn durch gute Lehre zieht man gute Studenten an sich heran, und die werden irgendwann zu guten Mitarbeitern; vielleicht irgendwann zu guten Forschern, die die eigenen Ideen weitertragen und weiterentwickeln.

Die Humboldt'sche Einheit von Forschung und Lehre kommt nämlich nicht nur der Lehre zugute, sondern ebenso der Forschung. Die Notwendigkeit, sich in der Breite des Fachs auf dem Laufenden zu halten; der ständige Kontakt mit kritischen Studierenden; die Notwendigkeit, Kompliziertes auf seinen verständlichen und vermittelbaren Kern zurückzuführen - das verlangt die Lehre. Aber das nützt auch der Forschung.