24. Dezember 2006

Metasprachliche Metalust : Theodor W. Adorno. Und ein wenig Nostalgie

Eigentlich wollte ich heute noch einen schönen Blog schreiben. Aber weiß der Geier - alles, was ich angefangen habe, wurde nichts Rechtes. Nicht überzeugend, keine runde Argumentation, nicht gut geschrieben.

Andererseits möchte ich denjenigen, die hier mitlesen, täglich doch wenigstens einen Beitrag anbieten, der es rechtfertigt, daß sie in Zettels Raum gucken. Sonst könnten sie ja gleich wegbleiben.

Was tun? Ja, natürlich, Recycling. Ist was im Archiv, im Stehsatz, was aktuell paßt? Leider nein.

Also zitiere ich jetzt etwas, was ich heute Abend in einem anderen Blog geschrieben habe. Und rechtfertige das damit, daß ich damit Reklame für diesen anderen Blog mache: Metalust und Subdiskurse. Das Zitat ist allerdings redigiert, weil ich das Redigieren nicht lassen kann.

Mit anderen Worten, da ich heute mit der Lust des Schreibens nicht recht reüssiere, gönne ich mir die Metalust des Zitierens, und zwar in der Extremform des Selbstzitats.

Ich bin radikal anderer Meinung als die, die jenen anderen Blog betreiben. Aber sie sind intelligent, sie sind witzig, sie sind - da bin ich allerdings nicht ganz sicher - nach meiner Vermutung sogar liberal. Sie sind also lesenswert.



In dem Kommentar, den ich bei "Metalust und Subdiskurse" geschrieben habe, geht es um die Frankfurter Schule. Nein, nicht die "Neue Frankfurter Schule", deren größter Geist der geniale Robert Gernhardt gewesen ist (und ich gönne mir die Metalust, auf diesen Blog hinzuweisen, den in meiner Selbstkritik bisher besten in "Zettels Raum"; nur scheint's keiner zu merken). Sondern die gute alte Frankfurter Schule. Adorno, Horkheimer, Habermas also.

In der Passage, die ich jetzt zitiere, geht es um Adorno.



Wer sich auch nur ein wenig für für Philosophie interessiert, der ist als Schüler, wenn er ordentlich liest, von Nietzsche begeistert. Oder vielleicht (das war ich) von Wittgenstein.

Warum? Weil sie - Schopenhauer auch, stefan george, Oswald Spengler - mehr Schöngeister waren als Philosophen. Man läßt sich vom Stil berauschen. Man liebt sie, weil sie so schön schreiben können. Ob das eigentlich auch stimmt, was sie behaupten, tritt dagegen in den Hintergrund.

Jung sein, das heißt auch, die Ästhetik zuvorderst sehen. Man ist ja in einem Alter, in dem man die Schöne, den Schönen, also auch das Schöne sucht. Das hat die Natur so gewollt.

Adorno schreibt schön. Das ist, glaube ich, das Geheimnis der unverdienten Anerkennung, die ihm zuteil wird. Und es ist das, was mich nach dem Abitur kurzzeitig für ihn begeistert hat. Ein deutscher Valéry, so erschien er mir.



Ich habe ihn dann, in meinen Frankfurter Semestern, als einen arg eitlen und irgendwie auch dummen Menschen erlebt. Jeder Satz seiner Vorlesung war sozusagen mit dem Subtext unterlegt: Schaut's an, wie schlau ich bin, der Adorno. Er spitzte den Mund und ließ seine klugen Sentenzen daraus wohlgeformt hervorquellen. Oder sagen wir, er ließ sie ins Auditorium gleiten.

Mir schien, daß es ihm nie um die Sache ging, sondern immer nur um den Eindruck, den er mit seiner Brillanz erzeugen wollte. Adornos Vorlesungen waren im Grunde keine Vorlesungen, sondern sie waren Celebrations, in denen der Redner Adorno seinen Helden Adorno ínszenierte, ad majorem Adorni gloriam.

Etwas weniger lustig gesagt: Es fehlte Adorno völlig die wirkliche Klugheit desjenigen, der sich in Frage stellt, der die Berechtigung auch alternativer Meinungen sieht.

Ich habe nie erlebt, daß er Meinungen gegeneinander abwog und die Möglichkeit offenlies, daß auch andere als die seine richtig sein konnten. Er hat überhaupt nie das Für und Wider von irgendetwas untersucht.

Sondern er hat das, was sich Teddy ausgedacht hatte, ex kathedra verkündet. Nein, nicht verkündet, sondern in Szene gesetzt. Eine Mise en scène, das ware die Vorlesungen Adornos, so wie sie mir lebhaft vor Augen stehen.

Kurz, er war kein skeptischer, an einer fairen Auseinandersetzung interessierter Wissenschaftler, sondern vielleicht ein Künstler. Ein egomaner Künstler. Vielleicht.

Denn: War er ein einigermaßen guter Künstler? Das weiß ich nicht. Mir ist seine Manieriertheit inzwischen unerträglich; aber ich gebe zu, daß das Geschmackssache ist. Ich habe als junger Mensch auch Thomas Mann geschätzt, und heute stößt mich seine Gestelztheit ab.



Also keine Werturteile. Aber zum Schluß ein wenig, sagen wir, Zeitzeugenschaft:

Ich habe damals in Frankfurt die "Philosophische Terminologie" gehört, in der Adorno sich hauptsächlich über Heidegger lustig machte. Und zwar auf dem Niveau rheinischen Karnevals. Die Lacher hatte er, aber man vermißte irgendwie den dreifachen Tusch, wenn er wieder eine Sottise produziert hatte.

Ich habe, als angehender Naturwissenschaftler, damals meine Tage hauptsächlich im Labor verbracht, in Statistik- Kursen, beim Herrichten von Nerv- Muskel- Präparaten; dergleichen. Wenn man dergestalt wissenschaftlich ständig mit der Realität zusammenstößt, dann bekommt die Adorno'sche Luftigkeit, dieses Fehlen jeder Bereitschaft, Nachprüfbares zu formulieren, einen, sagen wir hallodrihaften Charakter.

Ja, ich bin in seine Vorlesung gegangen. So, wie die Griechen nach den ernsthaften Aufführungen sich noch ihr Satyrspiel ansahen.