21. September 2006

Zettels Meckerecke: Schon wieder ein Papst-Editorial

Das Editorial der "New York Times" zur Regensburger Vorlesung des Papstes, das ich vor einigen Tagen kommentiert habe, erschien mir damals als so etwas wie ein Ausrutscher; als eine Fehlleistung, wie sie auch einer exzellenten Redaktion unterlaufen kann. Zumal die parallelen Berichte von Ian Fisher im Nachrichtenteil absolut auf dem üblichen Niveau der NYT gewesen waren.

Heute nun hat die NYT schon wieder ein Editorial zu diesem Thema. Titel "The Pope's Act of Contrition", des Papstes Akt der Reue. Und danach sieht es nicht mehr nach einem Ausrutscher aus. Das veranlaßt mich, schon wieder einen Papst-Kommentar der NYT zu kommentieren. Die Übersetzungen sind von mir.



Das Editorial beginnt mit diesem Satz:
Now that Pope Benedict XVI has expressed regret for offending Muslims in remarks he made last week, we hope Catholics and Muslims alike will put aside the pontiff's ill-considered comments and move forward in a conciliatory spirit.

Nachdem jetzt Papst Benedikt XVI sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, daß er mit seinen Bemerkungen von letzter Woche Moslems beleidigt hat, hoffen wir, daß Katholiken ebenso wie Moslems die unbedachten Äußerungen des Papsts ad acta legen und sich in einem Geist der Versöhnung nach vorn bewegen.
Hat der Papst "Reue" geäußert? (contrition ist im Englischen noch stärker als remorse, das ebenfalls Reue bedeutet; contrition ist eine tiefe, sozusagen spirituelle Reue; Zerknirschung).

Hat der Papst sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, daß er mit seinen Bemerkungen Moslems beleidigt hat (to offend heißt auch kränken, verletzen, jemandem Leid zufügen)?

Stimmt das also, was die Überschrift und der erste Satz dieses Editorial behaupten?



Der Osservatore Romano bringt die offizielle englische Übersetzung der Stellungnahme des Papstes in Castel Gandolfo am 17. September. Darin heißt es (Hervorhebungen von mir):
At this time, I wish also to add that I am deeply sorry for the reactions in some countries to a few passages of my Address at the University of Regensburg, which were considered offensive to the sensibility of Muslims. These in fact were a quotation from a Medieval text, which do not in any way express my personal thought.

Yesterday, the Cardinal Secretary of State published a statement in this regard in which he explained the true meaning of my words. I hope that this serves to appease hearts and to clarify the true meaning of my Address, which in its totality was and is an invitation to frank and sincere dialogue, with great mutual respect. This is the meaning of the discourse.


Jetzt möchte ich noch hinzufügen, daß ich die Reaktionen in einigen Ländern auf einige wenige Passagen meiner Vorlesung an der Universität Regensburg, die als die Empfindungen der Moslems beleidigend betrachtet wurden, sehr bedaure. Diese waren in Wirklichkeit ein Zitat aus einem mittelalterlichen Text, der in keiner Weise mein eigenes Denken ausdrückt.

Gestern hat der Kardinalstaatssekretär hierzu eine Stellungnahme herausgegeben, in der er den wahren Sinn meiner Worte erläuterte. Ich hoffe, daß das dazu dient, die Herzen zu besänftigen und den wahren Sinn meiner Vorlesung zu klären, die in ihrer Gesamtheit eine Einladung zu einem offenen und ernsthaften Dialog mit großem gegenseitigem Respekt ist. Das ist der Sinn dieser Ausführungen.
Am 20.9. hat der Papst noch einmal in seiner Generalaudienz zu der Regensburger Vorlesung Stellung genommen. Dort hat er gesagt (offizelle deutsche Übersetzung des Vatikans):
Mit meinem Besuch wollte ich die Bande zwischen der Kirche in Deutschland und dem Stuhl Petri festigen; ich wollte die Menschen im Glauben an Jesus Christus stärken, den wir in der Gemeinschaft der Kirche bekennen. Ein besonderes Anliegen war es mir, das Verhältnis von Glaube und Vernunft und die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs sowie des Dialogs zwischen Wissenschaft und Religion aufzuzeigen. Hier bedarf es der Selbstkritik und, wie ich in München hervorgehoben habe, der Toleranz, die "die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist", einschließt. Mit diesen Worten möchte ich nochmals klar meinen tiefen Respekt vor den Weltreligionen und vor den Muslimen bekunden, mit denen wir gemeinsam eintreten "für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen" (Nostra Ætate, 3).


Der Papst sagt, er bedaure es, daß seine Worte mißverstanden worden seien. Und er erklärt in beiden Stellungnahmen noch einmal den Sinn seiner Vorlesung: Ein Plädoyer für Vernunft und Toleranz. That's all. Kein Wort von Reue oder Zerknirschung ("contrition"), keine Rede von Bedauern, die Moslems beleidigt zu haben ("regret for offending Muslims").

Wer immer das Editorial der New York Times geschrieben hat - wie kann man so klare Worte nur so vollständig mißverstehen?