7. Juni 2006

Warum ist Itokawa nicht rund?

Ende vergangenen Jahres hat die japanische Raumsonde Hayabusa zweimal versucht, auf dem Asteroiden Itokawa zu landen. Was daraus geworden ist, kann man in der FAZ in einem sehr kompetenten Artikel nachlesen. Weitere Einzelheiten findet man zB in ZeeNews und im Yubanet.



Das Verblüffendeste an dem kleinen Asteroiden ist vielleicht seine Form:



Wie eine Kartoffel oder eine Gurke - eine allerdings ziemlich große (ungefähr 540 mal 290 mal 210 Meter); andererseits im Vergleich zu ausgewachsenen Planeten doch wieder sehr klein. (Das Kästchen zeigt die Stelle, wo Hayabusa, der Falke, gelandet ist).

Und gar nicht rund! Wo wir doch alle wissen, wie ein Asteroid auszusehen hat, nämlich so wie im "Kleinen Prinzen". Asteroiden, so sollte man mit Saint-Exépury meinen, haben rund zu sein: Wie Sonne, Monde, die Erde und die anderen Planeten; wie gewiß auch die Sterne (obwohl wir deren Form nicht sehen können; dazu sind sie zu weit weg).

Warum ist Itokawa nicht rund? Wenn wir das verstehen wollen, dann müssen wir offenbar zunächst wissen, warum denn die Erde usw. rund sind.



Zu (mehr oder weniger) Kugeln macht sie die Gravitation. Sie zieht alles zum Gravitationszentrum, also dem Mittelpunkt des jeweiligen Körpers hin. Solange etwas weiter vom Zentrum entfernt ist, als das sein müßte, bewegt die Gravitation es in Richtung Zentrum. Bis eine schöne Kugel entstanden ist, da kann dann nix mehr näher hin zum Mittelpunkt.



So ideal gilt das allerdings nur, wenn keine anderen Kräfte entgegenwirken.

Wie meist im richtigen Leben wirken andere Kräfte entgegen.

Bei gasförmigen Körpern weniger, die sind in der Regel also rund. Auch bei mehr oder weniger zähflüssiger Konsistenz entsteht eine schöne Kugel, wenn man dem Körper lange genug Zeit gibt, einen stabilen Zustand zu erreichen.

Bei einem festen Körper wird es aber schwierig. Da muß die Gravitation dessen Festigkeit überwinden, also die Kohäsionskräfte.

Anders gesagt, die Brocken und Felsen und Berge auf solch einem festen Körper müssen so schwer sein, daß sie gewissermaßen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen­brechen. (Gewicht ist ja eine Kraft; weswegen ein Pfund Wurst sich auch eigentlich nicht aus 500 Gramm zusammensetzt - wenn man's dennoch sagt, dann meint man Gewichtgramm; das nur nebenbei).

Tun sie das - brechen sie unter ihrem Gewicht zusammen, werden sie von der Gravitation zermalmt -, dann wird der Körper wieder etwas kugeliger. Und sie tun es, wenn sie schwer genug sind - also bei Bergen, wenn sie eine hinreichende Höhe haben.



Es ist alles eine Frage des Kräfteverhältnisses. Gravitation gegen Kohäsion. Bis zu einer Höhe von ungefähr 9000 m kann auf der Erde die Kohäsion der Gravitation noch standhalten. Viel höhere Berge kann es nicht geben. Ist der Planet kleiner, wie zB der Mars, dann kann er höhere Berge haben.

Und wie ist es nun bei unserem niedlichen kleinen Itokawa, auf dem die noch viel niedlichere Bonsai-Sonde Hayabusa beim zweiten Versuch gelandet ist? Nun, er ist so klein und erzeugt dadurch so wenig Gravitation, daß er nicht zur Kugel geworden ist.

Die Kohäsion hat, was die Kugeligkeit angeht, über die Gravitation gesiegt. Und das, obwohl es mit der Kohäsion beim kleinen Itokawa nicht weit her ist. Denn - auch das hat uns Hayabusa verraten - er besteht mehr aus Geröllstückchen als aus richtigem Felsen. Er ist porös. Mit einer Dichte von nur 1,9 Gramm pro Kubikzentimeter, weit weniger als die Erde.



Ja, kann man fragen, wozu ist es gut, das alles zu wissen?

Oh, antworte ich, gerade das ist sehr gut zu wissen: Denn solche Asteroiden sind ja Irrwische, von denen der eine oder andere sich der Erde nähert; sie auch gelegentlich mit seinem Besuch beehrt.

Wenn sie alle, oder jedenfalls viele, so sind wie Itokawa - was die japanischen Wissenschaftler vermuten -, dann ist mit ihnen leicher fertigzuwerden, als man bisher dachte. Man könnte sie beispielsweise mit einer Sprengladung leichter in die Luft jagen, als wenn sie kompakte Felsbrocken wären.

Naja, in die Luft besser nicht. Sondern ins leere All, bevor sie Luft schnuppern konnten.