30. November 2016

Marginalie: Eiserne Fäuste und Samthandschuhe

Wenn es nach den Grünen geht, sollen Sanktionen gegen Steuerhinterzieher künftig entfallen. Denn die Androhung von Strafen verhindere, dass sich Finanzämter und abgabepflichtige Bürger auf Augenhöhe begegneten. Applaus kommt von einigen versprengten Mitgliedern der FDP.

29. November 2016

Werbepause



Ach, was muß man oft von bösen
Werbemenschen wieder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Jung und von Matt hießen;
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten.
Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu ist man bereit!
In das UBW von Muggeln
Bössignale einzuschmuggeln,
Adolfs kaum geheilte Erben
Wieder schwarzbraun einzufärben;
Und mit höchst suspekten Zahlen
Deren Netzhaut zu bestrahlen.
"Heile Welt" zu suggerieren
Und sie damit zu verführen.
Das ist freilich angenehmer,
Und zudem noch viel bequemer
Denn als Masi wachsam walten
Und das #Neuland rein zu halten!
Doch gottlob! nun ists vorbei
Mit der Übeltäterei:
So weist man dem Pack die Schranken:
Frau Sabine ist zu danken,
Denn sie dachte sich ihr Teil
Und fand dies gar nicht supergeil.
Und sie ließ uns alle wissen
Worauf wir künftig achten müssen!
Auch angesichts von Spott und Hohn
Denn Undank ist der Mühe Lohn.
Dementsprechend vorgewarnt
Sehen wir den Feind enttarnt.
Und von diesem Bubenstück
Bleibt kein Fitzelchen zurück.

Erschreckendes, ja nachgerade Bedenkliches war in der vorigen Woche im angesehenen Manager-Magazin zu lesen. Dort teilte die Direktorin der Landeszentrale für Politische Bildung in Hamburg, Sabine Bamberger-Stemmann, in einem Interview die Befunde mit, zu denen sie angesichts der diesjährigen weihnachtszeitlichen Werbekampagne der Supermarktkette "Edeka", in der es nur vordergründig um die Suggerierung einer stressfreien, entspannten Alternative zur feiertäglichen Hektik geht, gelangt war, ja hatte gelangen müssen.

28. November 2016

Sie sterben als alte Männer

Als Fidel Castro vor ein paar Tage das Zeitliche segnete war er 89 Jahre alt (nach eigener Meinung 90, doch darauf kommt es nicht an). Er starb wohl eines natürlichen und friedlichen Todes. Mao Zedong war 82 Jahre alt, auch er starb vergleichsweise friedlich (Herzinfarkt) eines natürlichen Todes. Pol Pot ist hier mal eine Ausnahme, er wurde "nur" 69, als er sich selbst die Fahrkarte knipste. Idi Amin wurde 75 Jahre, bevor er eines natürlichen Todes starb. Josef Stalin widerum wurde im zarten Alter von 74 Jahren von einem Schlaganfall ins Jehenseits befördert und, um auch mal ein deutsches Beispiel einzuwerfen, Erich Honecker starb mit 81 Jahren vergleichsweise friedlich im Beisein seiner Familie.

27. November 2016

Kein Nachruf

Fidel Castro ist also tot.

23. November 2016

"Patria, peccavi." Eine Ohrenbeichte



Es gehört zu den guten Traditionen der Römisch-Katholischen Kirche, daß sie über das Sakrament der Ohrenbeichte verfügt - in Gegensatz zum Protestantismus, bei dieses zwischen den reumütigen (oder zumindest geständigen) Sünder und sein finales Sündenkonto gefügte Bußinstrument abgeht (und der sich im Gegenzug im Hinblick auf diese finale Rechnungslegung salvierte, daß er den christlichen Himmel samt seiner Bewohnerschaft nach und nach entleerte, bis im Zuge etwa der "death-of-God"-Theologie des mittigen 20. Jahrhunderts mit nur das Als-ob eines besenreinen Vakuums zurückblieb).  Nicht vergeben werden können durch diese Institution freilich die sieben Todsünden, die peccata mortalia; Superbia, Avaritia, Luxuria, Ira, Gula, Invidia und Acedia (wobei in diesem Fall freilich nicht die leibliche Trägheit, sondern die Gleichgültigkeit des Herzens gemeint ist), und deren Siebenzahl sich eher antiker Zahlenmystik verdanken dürfte als einer strikten ontologischen Feldvermessung. Ob darunter etwa auch jene Sündenkategorie einzureichen wäre, für die es im Englischen die schöne Vokabel schadenfreude gibt (vermeintlicherweise seit der Ausstrahlung der 3. Folge der II. Staffel von The Simpsons;  obwohl mir als Leser das Wort in englischen Texten schon in den 1970ern zuhauf untergekommen ist) - bleibe dahingestellt. Da aber Vorsicht die Mutter der Porzellankisten ist, zumal jener jenseitig transzendentaler Natur, ist es geraten, auch ohne theologische Rückversicherung auf Nummer Sicher zu gehen. Einem Religionslosen bleibt da, in Ermangelung des Beichtvaters in den Weiten des Cyberspace, nur das allseits einsehbare quasiöffentliche Geständnis seiner Fehlbarkeit.

Lisa: Dad, do you know what Schadenfreude is?
Homer: No, I don't know what "shaden-frawde" is. [sarcastic] Please tell me, because I'm dying to know.
Lisa: It's a German term for "shameful joy", taking pleasure in the suffering of others.
...
Homer: What's the opposite of that shameful joy thing of yours?
Lisa: Sour grapes.
Homer: Boy, those Germans have a word for everything!
("When Flanders Failed", 1991)

20. November 2016

Merkel geht nicht weg

Habemus candidatam. Wenig überraschend hat sich Angela Merkel bereit erklärt, für eine vierte Amtszeit als deutsche Bundeskanzlerin zur Verfügung zu stehen. Glaubt man einer Umfrage, entspricht sie damit dem Willen der Mehrheit der Wähler. Freilich: Nicht jeder, der in der Öffentlichkeit Gehör findet, ist mit dieser erneuten Bewerbung einverstanden. So zeichnet Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die wirtschaftspolitische "Negativbilanz einer Kanzlerin".

Doch Merkel hat sich, um ein von ihr gern verwendetes Wort zu reproduzieren, alternativlos gemacht. Jedenfalls für die Partei, der sie angehört. Gab es zu Beginn ihrer Kanzlerkarriere in den eigenen Reihen noch potenzielle Konkurrenz in Form von landesfürstlichen Schwergewichten, herrscht nunmehr zwischen Merkel und dem schwarzen Rest gähnende Leere, woran Madame Non bekanntlich nicht ganz unschuldig ist.

19. November 2016

Postfaktisch - die gefühlte Realität

Das Oxford Dictionary hat die Formulierung „post-truth" zum internationalen Wort des Jahres gekürt, weil es in jüngster Zeit erfunden und immer mehr gebraucht wurde, um die Verwechslung der Realität mit gefühlten Tatsachen zu bezeichnen. Meinungen, die durch Einbildung oder durch die Werbung oder durch politische Propaganda verbreitet wurden, stammen gar nicht aus der Erfahrung der Wirklichkeit, sondern waren Lügen und werden z. T. hartnäckig gegen diese geglaubt, z. B. Verschwörungstheorien. Gefühle verändern also die Fakten oder erschaffen Unwahrheiten. Mit dieser verspäteten Einsicht in die Alltagswelten der Unter- und Mittelschicht erklärt man jetzt auch die unzutreffenden Vorhersagen des Wahlsiegers in den USA. Die Klugen täuschten sich.

Kurze Anmerkung: Der lange Schatten von 2009.

In der Samstagsausgabe der FAZ findet sich ein Interview mit Christian Lindner. Als Appetizer ist in der online Ausgabe der FAZ ein kleiner Artikel erschienen, in dem einige Aussagen von Lindner dann auch zitiert werden. ­
Die zentrale Aussage ist, dass die CDU, insbesondere Merkel eine Durchgrünung der Politik durchführe. Der Klimaschutzplan sei nicht nur ökologisch und ökonomisch schädlich, nein, die FDP würde diesen auch sofort stoppen (!), wenn sie in der Regierung säße. Und abschließend kommt dann noch die schöne Bemerkung: "Die Richtung muss stimmen".

18. November 2016

Hofreiters Hühner

Grünen-Vorsitzender Hofreiter ist nicht nur ein extrem schöner Mann, sondern immer auch für originelle Aussagen gut. Zum Wahlkampfauftakt behauptet er nun:
"Deutsche Agrarpolitik für Flüchtlingskrise mitverantwortlich".
Konkret gemeint sind subventionierte deutsche Produkte, insbesondere Geflügelerzeugnisse, die in diversen afrikanischen Ländern verkauft werden und dort nach Meinung Hofreiters die Leute in die Flucht schlagen.

Nun haben Subventionen viele Nachteile. Insbesondere für die Leute, die sie bezahlen müssen - hier also die deutschen Steuerzahler. Dagegen profitieren die Leute, denen diese Gelder zugute kommen - hier also deutsche Bauern und afrikanische Konsumenten. Gerade in ärmeren Ländern sind die Ausgaben für Nahrungsmittel der teuerste Anteil der Lebenshaltung und jede Erleichterung ist hochwillkommen.
Nicht so glücklich wie ihre Landsleute sind natürlich afrikanische Hühnerzüchter, denen Geschäft entgeht. Aber diese Leute sollen nun so frustriert sein, daß sich sie zu Tausenden auf den Weg nach Europa machen?

Eigentlich eine ziemlich hanebüchene Behauptung, die Hofreiter natürlich auch nicht belegt. Aber hanebüchen oder nicht - das läuft unkritisiert und unrecherchiert durch die deutschen Medien.
Dabei ist es gar nicht so schwer, das nachzuprüfen.

14. November 2016

Leonard Cohen. Ein Kaddisch



Wenn so jemand - einer der ganz Großen - von uns geht, erübrigen sich eigentlich alle Worte. Wen seine Lieder durch das Leben begleitet haben, braucht keine Belehrung oder Einführung, und wem seine Musik nie nahe gewesen ist, dem werden auch so gut gewählte Worte nichts vermitteln können. Es bleibt, seine Songs zu spielen, ihnen zu lauschen, in den Klang der Worte und Verse einzutauchen. Musik wie aus tiefen Weltraumfernen, zeitlos und tief persönlich.

Als Beispiel soll das Titelstück seines letzten, vor drei Wochen erschienen Albums gelten, "You Want It Darker", das als Auskoppelung am Tag seines 82. Geburtstags erschien und das jetzt zu seinem Vermächtnis geworden ist.

If you are the dealer, I'm out of the game
If you are the healer, it means I'm broken and lame
If thine is the glory then mine must be the shame
You want it darker
We kill the flame

There's a lover in the story
But the story's still the same
There's a lullaby for suffering
And a paradox to blame
But it's written in the scriptures
And it's not some idle claim
You want it darker
We kill the flame

Magnified, sanctified, be thy holy name
Vilified, crucified, in the human frame
A million candles burning for the help that never came
You want it darker

Hineni, hineni
I'm ready, my lord

12. November 2016

Von der kulturellen Hegemonie der Grünen und der Zerstörung der Gesellschaft

Eine typisch deutsche Feuilleton-Debatte lässt sich in einem Satz resümieren: Jemand schreibt das Offensichtliche und löst damit einen Sturm im Wasserglas aus. Giovanni di Lorenzo, seines Zeichens Chefredakteur der ZEIT, sinniert in der Ausgabe Nr. 40/2016 des Hamburger Wochenblattes über die "kulturelle Hegemonie" der Grünen und erntet dafür eine Woche später regen Widerspruch von Renate Künast (ZEIT Nr. 41/2016). Die Behauptung, der Erfolg der AfD stehe mit dem Ergrünen der deutschen Gesellschaft im Zusammenhang, weist die ehemalige Bundesministerin vehement zurück.

(Der guten Ordnung halber ist zu betonen, dass di Lorenzos Reflexionen nicht ohne Vorläufer sind. Alexander Marguier hat im CICERO bereits dreieinhalb Jahre früher über die heimliche Herrschaft der Grünen nachgedacht. Jedenfalls in diesem Blog blieb dies nicht unbemerkt.)

Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der ZEIT, springt in deren Ausgabe Nr. 43/2016 seinem Vorgesetzten zur Seite und benennt das besonders Ungenießbare an Künasts Gestus, nämlich die Attitüde, sich - obschon lupenreine Vertreterin des Establishments - zur Rebellin gegen eine angeblich weiterhin latent vorhandene Rechtslastigkeit ihrer Mitbürger zu stilisieren. Andererseits: In gewisser Weise bilden die Grünen immer noch eine Minderheit. Denn wie bei jeder dominanten Ideologie ist die strenge Observanz die Sache Weniger; die Vielen nehmen ob ihrer Schwachheit mit einer verwässerten Version vorlieb. Dies mag auch ein Grund dafür sein, weshalb die grüne Lufthoheit über den Köpfen in nicht allzu ferner Zukunft in Gefahr geraten könnte.

11. November 2016

Aphorismen und ungeordnete Gedanken zu Trump

1. Und sie bewegt sich immer noch.

2. Trump ist lupenreines weißes Establishment. Aber eben nicht lupenreines weißes Polit-Establishment. Würde die veröffentlichte Meinung in Deutschland Kohl, Schröder oder gar Strauß und Wehner heute noch (er)tragen?

3. Die Käßmannisierung des politischen Diskurses gebiert Rechtspopulisten.

4. Trumps Nachfolger ist zu beneiden. Er darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Ex-ante-Friedensnobelpreis machen.

5. Wer adjustiert die Kristallkugeln der Meinungsforscher?

6. Trump hat es leicht. Er muss sich nur mit einem extrem schwachen Vorgänger messen.

7. Trump wird die USA nicht in den Ruin führen. Er wird das Land aber auch nicht wieder groß machen.

8. Der Marsch durch die Institutionen verändert im Allgemeinen eher die Marschierenden als die Institutionen.

9. Weshalb hat man vor einem Mann, der im Wahlkampf den Mund recht voll genommen hat, mehr Angst als vor einer Frau, welche die Energieversorgung und die Sicherheit des von ihr regierten Landes nachweislich aufs Spiel setzt?

10. Was hat das alles mit mir zu tun?
Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.

10. November 2016

Die Sache mit der Demokratie

Das man mehrheitlich in Deutschland mit dem amerikanischen Wahlausgang nicht allzu glücklich ist, ist wenig überraschend wie auch naheliegend und das diese Wunde besonders in der öffentlichen Zunft (sprich: Politik und Medien) am meisten blutet ist auch nicht besonders verwunderlich. Wochenlang hat man die Wahl als praktisch gelaufen beschrieben, hat sich in ziemlich wilder Verleumdung des (nun gewählten) Kandidaten versucht gegenseitig zu übertreffen, ist zufrieden mit sich am Dienstag schlafen gegangen. Und nun? 

8. November 2016

"Trumpery Insanity"

"Postremo petitio cura ut pompae plenae sit, ut inlustris, ut splendida, ut popularis sit, ut habeat summam speciem ac dignitatem, ut etiam, si qua posit ratione, competoribus tuis exsistat aut sceleris aut libidinis aut largitionis accomodata ad eorum mores infamia."
- Quintus Tullius Cicero, Commentariolum petitionis, §52

Vor drei Jahren, zu Ende des Jahres 2013, hat der Verfasser dieser Zeilen verschiedentlich in Gesprächen geäußert, daß es jetzt genau ein halbes Jahrtausend, exakt ein Jahrfünfhundert her sei, daß das älteste Buch fertiggestellt wurde, aus dem in der modernen Welt noch direkt, unverstellt, durch unmittelbare Lektüre das zu ziehen sei, was altfränkischer gepolte Gemüter unter "Nutz und Frommen" einsortieren könnten  - nicht als historische Quelle, als Darlegung einer Philosophie oder Religion, als Dichtwerk - ob nun geistlicher oder schnöde weltlicher Art. Da sind Werke wie Lukrez` De rerum natura oder die Gedichte des Tang-zeitlichen Dichters 李商隱 (Li Shangyin), die Genji monogatari der Murasaki Shikibu oder die Canterbury Tales noch unverstellt zugänglich und genießbar, solange man den Mut - oder die schnöde Wurstigkeit - hat, sich darauf einzulassen (obwohl ein Anmerkungsapparat mitunter gute Dienste als Räuberleiter in versunkene Zeiten tut) . Sondern als lebenspraktische Lektüre, als Ratgeber, als ein unmittelbar Orientierung gebendes opusculum. Werke wie das Laus stultorum, das "Lob de Torheit" des Erasmus von Rotterdam oder Castigliones Hofmann sind uns, bei allem Bemühen, letztlich fern und fremd; das zeitlich am weitesten zurückreichende Werk dürften in aller Regel die Essais von Montaigne darstellen. Nun: im Lauf des Jahres 1513 schloß Niccolò Machiavelli sein erstes bleibendes Werk ab, die Discorsi - eine Darlegung politisch nützlicher oder schädlicher Strategien, der Auswirkungen auf das Gemeinwesen, der Verantwortlichkeit und den Möglichkeiten politischen Handelns. Daß er als Beispiele für diese Erörterungen die ersten fünfzehn Bücher der Ab urbe condita, der Darstellung der römischen Geschichte durch Titus Livius wählte, die nach dem Dafürhalten heutiger Historiker wohl keinerlei historische Geschichtlichkeit für sich beanspruchen können, tut der Sache keinen Abbruch: die dargestellten Ereignisse mit ihren Folgen, die Überlegungen, unter welchen Umständen ein anderes Handeln vorteilhaftere Ausgänge nach sich gezogen hätte: all das wird ungeachtet der "historischen Korrektheit" nicht tangiert. Auch Barbara Tuchman wählte ja noch für ihre Beispielsammlung desaströser politischer Weichenstellungen, The March of Folly (deutsch unter dem Titel Die Torheit de Regierenden) das Beispiel des Trojanischen Krieges, von dessen Historizität vor Heinrich Schliemann niemand überzeugt war wie nach ihm. (Es gibt freilich in dieser Liste zwei Ausnahmen, die die Doppelkriterien des Alters wie der Nützlichkeit erfüllen: die beiden unter dem gleichen Titel Die Kunst des Krieges überlieferten Abhandlungen von Sun Tse und Sun Bin - wobei bei letzterem der wohl einmalige Fall vorliegt, daß ein Werk der Antike, das komplett verlorengegangen war, durch einen glücklichen archäologischen Fund - in diesem Fall die Entdeckung der Yinqueshan-Bambustexte im Jahr 1972 - wiederentdeckt wurde. Da ich aber momentan nicht damit beschäftigt bin, Feldzüge zu planen, nicht einmal solche, die Johann Georg Hamann unter dem Titel Kreuzzüge des Philologen subsumiert hat, bleibt deren Praxistauglichkeit fürs Erste suspendiert.)

Gar nichts weiß man.

7. November 2016

Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion

Nach dem Ende der traditionellen Samstagabendshow dürfte der Tatort das letzte verliebene Lagerfeuer der deutschsprachigen Fernsehkulturnation darstellen. Freilich hat die seit 1970 über den Bildschirm flimmernde Krimireihe den Verdacht eines Etikettenschwindels zu gewärtigen: Denn die - häufig ohnehin wenig realistisch abgebildete - Polizeiarbeit spielt in den meisten Folgen lediglich den Part einer Rahmenhandlung. Im Mittelpunkt steht in einer Vielzahl von Episoden die Beleuchtung einer gesellschaftlich relevanten Problematik, was bisweilen sehr hanebüchen, da zu dick aufgetragen grünfromm daherkommt, aber manchmal ganz gut gelingt.

6. November 2016

Warum ich Donald Trump viel Erfolg wünsche. Aber nicht daran glaube.

Ich gebe zu, ich bin nicht gerade der größte Fan von Donald Trump. Nicht weil ich ihn unsympathisch finde, sondern eher weil ich meine, dass jemand, der sich auf das mächtigste Amt dieses Planeten bewirbt, besser auf dieses vorbereitet sein sollte. "Make America great again" mag ein schöner Slogan sein (wir erinnern uns ja auch an "I like Ike"), aber die Idee wie und mit welchen Methoden Amerika nun wieder groß werden soll, die fehlen mir so ein bischen.

Die Geister des Mars



a.
Und wieder einmal, so die unabweisbare Erkenntnis, ist eine Raumsonde auf dem Weg zum Roten Planeten ein Opfer des Großen Galaktischen Ghuls geworden. Und wie es sich für einen Fall von spukhafter Fernwirkung gehört, beginnt es mit mit einem Fall von déjà vu, der bis ins Jahr 1969, dem Jahr der ersten bemannten Mondlandung, zurückblendet.

Der Höhenmesser zeigte einhunderttausend Fuß an, und John Gant hörte von draußen das stete, dumpfe Dröhnen der Marsatmosphäre, die von dem gedrungenen Körper des Moduls, des Landsflugzeugs, zerteilt wurde. Aber immer noch gellte das Alarmzeichen mit unverminderter Lautstärke. 
     "Ist etwas nicht in Ordnung?" sagte John Gant mit einem Blick auf Luftwaffenmajor Ben Lockwood, der neben ihm im Pilotensitz des Moduls saß.
      "Der Fallgeschwindigkeitsamzeiger spielt verrückt," erwiderte Lockwood. Gant blickte auf die Armatur und sah den dünnen, roten Zeiger zitternd nach rechts wandern.
     John Gant bewegte sich nicht in seinem Co-Pilotensitz. Er lauschte dem Dröhnen der Masratmosphäre, die an der Außenwand des Moduls entlangraste. Es wurde immer mehr zu einem gellenden, sich zur Unerträglichkeit steigernden Heulen und Pfeifen. Die Thermometer zeigten, daß die äußere Hülle des Landeflugzeugs bereits rotglühend sein mußte.
(...)
"Mach 1,05!" sagte Lockwood mit automatenhaft klingender Stimme. "Wir hanen die Schallgeschwindigtkeit überschritten und nähern uns Mach 1,5. Wenn wir bei dieser Geschwindigkeit den Marsboden berühren, bleibt keine Schraube von uns übrig, selbst wenn die Stelle, an der wir landen, so eben ist wie ein Spiegel."
(...)
Gant warf dem Sprechfunkgerät neben seiner rechten Hand einen Blick zu. Lockwood hatte recht. Es war zu spät, einen Versuch zu unternehmen, mit dem in seiner Marsumlaufbahn kreisenden Raumschiff, von dem sie gestartet waren, Funkverindung aufzunehmen. Wahrscheinlich blieben ihnen nur noch wenige Minuten bis zum Aufschlag, und solange sich ihr Modul mit einer solchen wahnsinnigen Geschwindigkeit durch die Marsatmosphäre bewegte, war es von eine Hülle ionisierter Luft umgeben, die keinen Funkkontakt zuließ. 
     Blitzartig schoß John Gant durch den Kopf, was er im Ausbildungszentrum der NASA gelernt hatte: Die Gravitation, die Schwerkraft des Mars, beträgt nur wenig mehr als ein Drittel der irdischen. Und nun rasten sie, angezogen von einer mächtigen Gravitation, der Oberfläche des vierten Planeten entgegen, um auf ihr zu zerschellen. (S. 7-10)