16. Februar 2018

新年快乐! - xīn nián kuàilè!

狗年大吉新年快乐2018年2月16日!





Gǒu nián dàjí - xīn nián kuàilè! Zum Auftakt des Jahr des Hundes nach dem chinesischen Lunisolarkalender (noch einmal) alle guten Wünsche zum Jahreswechsel. 


旧历的年底毕竟最像年底,村镇上不必说,就在天空中也显出将到新年的气象来。灰白色的沉重的晚云中间时时发出闪光,接着一声钝响,是送灶的爆竹;近处燃放的可就更强烈了,震耳的大音还没有息,空气里已经散满了幽微的火药香。


- 鲁迅 《祝福》 (1924)

"Das Neujahrsfest nach dem alten Mondkalender wirkt mehr wie das wirkliche Neujahrsfest; nicht nur in den Städten und auf den Dörfern, sondern in der Luft selbst liegt ein Gefühl, daß jetzt ein neues Jahr beginnt. Aus den fahlen, tiefhängenden Abendwolken blitzt es häufig auf, und darauf folgt das Krachen der Feuerwerkskörper, die die Abreise des Herdgottes feiern. In der Nähe explodieren sie noch heftiger, und die Luft ist mit einem feinen Geruch nach Schwarzpulver getränkt."

- Lu Xun (1881-1936), "Zhùfú" ("Das Neujahrsopfer")


Lu Xuns Erzählung, die zuerst am 25. März 1924 in der Zeitschrift 东方杂志 (Dongfeng Zazhi, "Magazin des Ostens") erschien und zwei Jahre später die erste Erzählung seiner zweiten Kurzgeschichten-Sammlung  徬徨 (Panhuang, Zwischen den Zeiten; im August 1926 im Verlag der Pekinger Buchhandlung 北新书局, Beixin shuju, Der Buchhandel des Nordens, erschienen), ist im Hinblick auf alte chinesische Traditionen von einer tiefen Gebrochenheit und Ironie - wie so gut wie alle Erzählungen dieses ersten Autors des neuzeitlichen Chinas, der zuerst das Putonghua, die tatsächlich gesprochene Variante des modernen Chinesisch, anstelle des bis dahin üblichen Wenjan (des "klassischen Chinesisch", das versuchte, als rein schriftliche Variante den Stand der Sprache in Laut und Syntax von vor über einem Jahrtausend zu bewahren: darin durchaus dem Sanskrit oder dem Latein des Mittelalters vergleichbar) als literarisches Idiom verwendete. Frau Xianglan, die tragische Gestalt im Mittelpunkt der kleinen Dorfgeschichte, ist ohne jedes Verschulden, nur durch die Wucht der alten Traditionen, von jedem Lebensglück ausgeschlossen, sogar von der lokalen Tradition des Neujahrsopfers in dem kleinen Dorf Luchun, in den die Erzählung spielt: als Verwitwete zwangsweise ein zweites Mal wiederverheiratet und nach dem frühen Tod ihres zweiten Mannes (er wird als Hirte im bitterkalten Winter Nordchinas von Wölfen getötet) eine Ausgestoßene, die von ihrer Verwandtschaft wie ein unmündiges Kind behandelt wird. Am Ende findet sie sich, die einzig ihre traurige Lebensgeschichte zu erzählen weiß (und die aus zweiter Hand jetzt auch den Ich-Erzähler erreicht, der das Dorf seiner Kindheit besucht), als Bettlerin aus dem Haus gewiesen und auf die Straße geschickt. Von daher ist der nostalgische Rekurs der zitierten Eingangssätze von ebenso bitterem Sarkasmus wie die letzten Sätze:


我给那些因为在近旁而极响的爆竹声惊醒,看见豆一般大的黄色的灯火光,接着又听得毕毕剥剥的鞭炮,是四叔家正在“祝福”了;知道已是五更将近时候。我在蒙胧中,又隐约听到远处的爆竹声联绵不断,似乎合成一天音响的浓云,夹着团团飞舞的雪花,拥抱了全市镇。我在这繁响的拥抱中,也懒散而且舒适,从白天以至初夜的疑虑,全给祝福的空气一扫而空了,只觉得天地圣众歆享了牲醴25和香烟,都醉醺醺的在空中蹒跚,豫备给鲁镇的人们以无限的幸福。


"Ich wurde vom Lärm der Feuerwerkskörper geweckt, die in der Ferne explodierten, und sah als erstes das Flackern der gelben Laternen und dann das Licht der Böller, die in der Straße gezündet wurden. Es war fast Morgen. Weiter entfernt verschmolz der Lärm zu einem beständigen Hintergrund, zu einer Wolke, die mit den Wolken verschmolz, aus denen der Schnee das Dorf eindeckte. Wie in eine Decke in dieses Geräusch eingehüllt, fühlte ich mich entspannt und geborgen, und der Zweifel, der an mir den ganzen Abend hindurch genagt hatte, wurde durch die Feierstimmung fortgeblasen, und ich hatte das sichere Gefühl, daß die Himmlischen das Opfer der Dorfbewohner und den Weihrauchduft gnädig aufgenommen hatten und für sie endloses Glück bereithielten."

(* die Abreise des Herdgottes: nach der Tradition verläßt 灶君, Zao Jun, Schutzherr des heimischen Herds, kurz vor dem Jahreswechsel das Haus, um dem Himmelskaiser Rechenschaftsbericht über das vergangene Jahr abzuliefern. )

Da nach dem traditionellen chinesischen lunisolaren Kalender die Wintersonnenwende in den elften Monat fällt, fällt das Frühlingsfest, mit dem das neue Jahr beginnt, auf den zweiten Neumond, der auf den 21. Dezember folgt. Traditionell (und nicht nur traditionell, sondern in der geübten Praxis) dauert die Festzeit, das wichtigste Fest im chinesischen Jahreskreis, fünfzehn Tage an; allerdings sind neben der ersten fünf Tage nur der siebte und letzte Tag offiziell begangene Festtage (der dritte und vierte Tag sind für Verwandtschaftsbesuche reserviert, was dem vierten Tag neben der offiziellen Zählung 正月初四, "vierter Tag des ersten Monats" auch den inoffiziellen Namen 赤口, Chìkǒu, "Streit", wörtlich: "roter Mund" eingetragen hat). Den fünfzehnten und letzten Tag bildet das traditionelle Laternenfest, 燈節 Dēngjié.

Es bringt übrigens Unglück, während dieser zwei Wochen Schuhe zu kaufen. 鞋子,xiézi sind gleich anlautend mit dem Schlechten, Bösen, 邪; das Haareschneiden sollte vorher erledigt werden, da das Haar 髮, fà, homophon (wenn auch mit unterschiedlichem Ton) zu 发 fā, Wohlstand ist, und es nicht ratsam ist, in dieser kritischen Zeit etwas, das nach Wohlstand klingt, zu kürzen. Aus dem gleichen Grund sollte auf das Bücherkaufen verzichten. Bücher, 书, shū, haben die gleiche Lautung wie "verlieren", 输. Die gleiche Vorsicht vor dem Unglück bringenden Gleichklang ist übrigens der Grund dafür, warum viele chinesische Hotels keinen vierten Stock haben, und bei Buslinien oder Taxis die Zahl 4 selten vorkommt: Vier, 四, sí ist fast deckungsgleich im Klang mit 死 sǐ, dem Tod (in Singapur und Hongkong, westlichem wie östlichem Aberglauben gleichmaßen ausgesetzt, gibt es aus diesem Grund Hotels, die weder einen vierten noch einen dreizehnten Stock aufweisen). Umgekehrt verkörpert die 8 geradezu das Glück: 8 - 八, bā klingt nahe genug am "Wohlstand erlangen", 發 fā.. Je mehr Achten enthalten sind, desto mehr Glück. Das hat dazu geführt, daß sich Sichuan Airlines im Jahr 2003 die Telefonnummer 86 28 8888 8888 von der staatlichen chinesischen Telekomgesellschaft für eine Summe von 2,3 Millionen Yüan gesichert hat. Aus dem gleichen Grund wird die 18 im Chinesischen unter die Glückszahlen gerechnet. 18, 十八, shí bā klingt nicht nur nach "reich werden", sondern nach "ganz bestimmt reich werden", 實發, shì fā. Zumindest innerhalb der Sinosphäre zeigt eine Vorliebe für 18 und 88 mithin definitiv nicht jene Konnotationen an, von denen wir mittlerweile gelernt haben, daß sie die alte Zahl des Bösen, 666. ersetzen sollen.


 




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U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.