18. Juni 2017

Wider den Zwang zur Distanzierung. Was ich vor 25 Jahren nicht getan habe

Erinnern Sie sich noch an die Lichterketten, die im Winter 1992 in vielen deutschen Städten als Reaktion auf den Brandanschlag von Mölln stattfanden? Ich muss gestehen, dass ich an keiner solchen Veranstaltung teilgenommen habe.

Die Einstellung, die auf diesen Versammlungen vertreten wurde, nämlich dass man Verbrechen gegen Leib und Leben verurteilte, entsprach (und entspricht) freilich meiner Überzeugung. Ich hätte kein Problem damit gehabt, zu dieser Haltung zu stehen.

Weshalb bin ich diesen Zusammenkünften dennoch ferngeblieben? Weil es mir widerstrebte, Gesicht zeigen, mein Gesicht zeigen zu müssen, um mich von dem unterschwelligen, schon per se unverschämten Verdacht reinzuwaschen, man würde mit Kriminellen sympathisieren, wenn man nicht coram publico gegen deren Untaten Stellung bezöge. Respektive, um es ein bisschen polemischer zu formulieren: Weil mir das von der veröffentlichten Meinung anempfohlene Gesinnungsschaulaufen ein bisschen zu viel an ideologischem Exhibitionismus und an politischer Bekenntnispflicht war.

Unternehmen wir einen Zeitsprung: Gestern wurde in Köln eine Demonstration gegen den islamischen Terrorismus abgehalten. Veranstaltet von Muslimen, sollte der Friedensmarsch insbesondere auch deren Glaubensbrüder auf die Straße bringen. Anstatt der erhofften 10.000 Teilnehmer schlossen sich nur circa 1.000 Menschen der Versammlung an.

Ein Grund für den geringen Veranstaltungsbesuch mag gewesen sein, dass zwei muslimische Organisationen, nämlich der Islamrat und DITIB, ihre Beteiligung im Vorfeld mit zum Teil lächerlichen Argumenten abgesagt und folglich die Demonstration unter ihren Mitgliedern und den Besuchern der DITIB-Moscheen auch nicht beworben hatten.

Man kann natürlich bedauern, dass der Friedensmarsch auf vergleichsweise wenig Resonanz gestoßen ist. Der Stimmung in diesem Land wäre es sicher zuträglich gewesen, wenn 10.000 oder noch besser: 20.000 Menschen, darunter überwiegend Muslime, gegen das Morden im Namen Allahs protestiert hätten.

Aber ich kann jenen Muslimen, die zu Hause geblieben sind, keinen Vorwurf machen. Ich unterstelle ihnen auch nicht pauschal, dass sie klammheimlich mit dem islamischen Terrorismus sympathisieren. Dafür weiß ich noch zu gut, was ich vor 25 Jahren selbst nicht getan und warum ich es unterlassen habe.

Noricus

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