26. März 2017

Die Glaubwürdigkeit der CDU und das Merkel Problem

­Etwas mehr oder weniger Lustiges passiert in diesen Tagen, wenn man mal dann und wann durch den Blätterwald wandert und nicht nur die Schlagzeilen zu London oder den römischen Verträgen durchliest: Die CDU versucht es mit Programm. Kalt erwischt von dem unerwarteten Erfolg von Martin Schulz (der auch retrospektiv nur schwierig nachzvollziehen ist), ist der CDU scheinbar in diesen Tagen aufgegangen, dass sie gar nicht mehr so alternativlos ist, wie sie sich selber gerne sieht.


War die Strategie der Union durch die letzten 8 Jahren vor allem dadurch gefärbt, dass man SPD-Positionen (oder noch linkere) besetzt hat und dadurch wild Wähler aus dem linken Lager gewann, während gleichzeitig die eigentliche eigene konservative Wählerschaft ignoriert wurde (da die ja ohnehin keine Alternative haben sollte), so greift diese Strategie seit dem Rücktritt von Sigmar Gabriel nun gar nicht mehr. Die Leute wählen halt am Ende doch lieber das Original, und auch wenn Medien und Politikbetrieb sehr, sehr rücksichtsvoll mit Angela Merkel umgegangen sind, so weht der CDU plötzlich ein schon lange nicht mehr gekannter Wind ins Gesicht. Sie ist nun nicht mehr die "Mutter der Flüchtlinge" (schönen Gruß von Daenerys Stormborn), sie ist jetzt nur noch Angela Merkel, die Chefin der CDU.
Zutiefst verunsichert wie man mit der "Schulz-Mania" des deutschen Medienbetriebes umgehen soll, versucht es die CDU nun unerwarteterweise mit Programm und Ideen. Noch erstaunlicher auch solchen aus dem konservativen Bereich. Da ist nun die Flüchtlingsobergrenze wieder da, da ist der Ruf nach Abschiebungen, die Einschränkung des Familiennachzuges und ebenso oft hört man den doch recht seltsamen Satz "eine Situation wie 2015 dürfte sich nicht wiederholen". Und da auch das nicht mehr reicht, versucht man auch den Rutte zu machen, schimpft auf die Türkei, will die Beitrittsgespräche auf Eis legen und um dem die Krone aufzusetzen, stellt man auch die doppelte Staatsbürgerschaft wieder in Frage.
Das wären an und für sich alles Punkte, die man von einer konservativen Partei erwarten würde, vieles davon wäre auch vermutlich im Wahlvolk durchaus mehrheitsfähig und könnte insofern tatsächlich zu Mehrheiten führen. Wenn. Wenn da nicht ein ganz gewaltiger Haken wäre: Das ist von A-Z unglaubwürdig. Und zwar so unglaubwürdig, dass eine Claudia Roth, die plötzlich ihre Liebe zur Kernkraft entdecken würde, glaubwürdiger wäre.
Und das aus mindestens drei Gründen:

1.   Mit welchen Mehrheiten bitte? Die CDU wird kaum alleine regieren können und auch mit der FDP zusammen (so die überhaupt in den Bundestag käme UND das ganze mitmachte) reicht es nicht für eine Mehrheit. Der mehrheitlich linke Bundesrat kommt dazu. Für solche Positionen gibt es in Deutschland derzeit schlicht keine Mehrheiten, es ist absolut unrealistisch. Nun kann man genau das auch ausführen ("wir würden ja gerne, aber realistisch ist das nicht"). Dummerweise werden Parteien aber nicht für Wunschträume gewählt, sondern für das, was sie versprechen. Und das braucht zumindest eine theoretisch realistische Komponente.

2. Warum nicht heute? Die CDU stellt sich im Moment relativ armseelig hin und versucht "Haltet den Dieb" zu rufen. Eine Situation wie 2015 dürfte sich nicht wiederholen. Ja, wer hat sie denn 2015 geschaffen? Doch nicht die SED, liebe CDU. Das war die Frau Bundeskanzler mit ihrem Hofstaat. Wie glaubwürdig ist es, wenn jemand an der Macht(!) ist, und dann von sich behauptet: "Wenn wir am Herbst an der Macht sind, machen wir alles anders." ? Es ist die Rede von Abschiebungen, aber wo passiert das denn? Regiert in Bayern nicht mehr die CSU? In Hessen? In Sachsen? Im Saarland?

3. Und drittens und am wichtigsten: Angela Merkel. Wie glaubwürdig ist es, wenn die CDU einen Parteitagsbeschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft trifft und sich Angela Merkel offen vor ihre Partei stellt und verkündet, dass sie diesen ignorieren wird? Wie glaubwürdig ist eine Partei, die es ihrer Parteichefin gestattet, ihr offen ins Gesicht zu spucken, ohne dass das eine Konsequenz hat? Angela Merkels Haltung zu Flüchtlingen ist hinreichend bekannt und nichts, aber auch gar nichts(!), wird die CDU daran ändern können, so lange Merkel über CDU und Staat regiert.Da kommt selbstverständlich(!) der volle Familiennachzug, da kommt selbstverständlich(!) keine Obergrenze, da kommt auch selbstverständlich(!) keine große Abschiebewelle.

Jeder dieser drei Gründe ist für sich kaum zu widerlegen. Die einzige Chance auf Glaubwürdigkeit für solche Aussagen würde darin bestehen Angela Merkel zu stürzen und von vorneherein auf eine absolute Mehrheit (eventuell unter Zuhilfename von FDP und AfD) ohne die linke Seite des Pralaments abzuzielen. Beides auch nicht realistischer wie das obige Beispiel von Claudia Roth. (Ich glaube auch, dass das der eigentliche Grund für den Run von Martin Schulz ist: Es ist weniger seine eloquente oder ansteckende Art (mal ehrlich: Es ist ein vergleichsweise unsympathischer Apparatschik), es ist schlicht das selbst eine ansonsten nicht vor Ideen strotzende SPD einfach glaubwürdiger erscheint als die CDU.)
Die CDU mag sich in einem Anfall von Selbstreflektion dazu durchringen ein paar vernünftige Aussagen zu Papier zu bringen. Alleine, was ist es wert, wenn der Wähler eigentlich genau weiss, dass nichts davon Realität werden wird? Die CDU hat einen verheerenden taktischen Fehler gemacht: Sie ist von zwei Annahmen ausgegangen: Erstens, dass "konservative" Wähler ohnehin keine Wahl haben als ihr Kreuz bei der CDU zu machen und zweitens, dass die SPD mit Sigmar Gabriel (auf dessen Machtgeilheit man sich eigentlich ansonsten verlassen konnte) keinen Gegenpunkt setzen würde, der die Frau Bundeskanzler daran hindert würde, weiter die Stimmen der "linken Mitte" einzusammeln. Beides war falsch. Die Frau Bundeskanzler ist nicht mehr das Lieblingskind der Presse und für "konservative" Wähler ist sie inzwischen ein rotes Tuch. Dummerweise gibt es aber keinen Weg mehr zurück, die CDU kann ihren Kandidaten nicht mehr auswechseln und ein Schwenk zur AfD (so schwierig er bei dieser doch noch recht amateurhaften Truppe auch sein würde) ist vollkommen undenkbar. Nicht nur aufgrund von Merkel, sondern aufgrund ihres kompletten Hofstaats.
Die CDU hat fertig. Und ich wage die Prognose, dass wir im Herbst eine Volksfront Regierung erleben werden, die die angerichtete Merkelkatastrophe noch verstärken wird. All das hätte verhindert werden können, wenn ein Schäuble oder Seehofer die Cohones gehabt hätte zu sagen: Bis hierher und nicht weiter. So lange die CDU sich allerdings darauf beschränkt "Haltet den Dieb" zu rufen, statt sich mal zu fragen, welche Verantwortung sie für "2015" trägt, so lange wird das erst mal nix werden. Oder um es simpel zu sagen: Einem solchen Verein möchte man nicht einmal seine Erststimme opfern.


Llarian

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