31. Januar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (13): Heute wählt Florida. Wird es überraschenderweise keine Überraschung geben? Nebst Bemerkungen zur Demoskopie

Wenn der bisherige Verlauf der Primaries eines gelehrt hat, dann dies: In diesem von Volatilität des Wählers - von seinem Hin- und Herschwanken, seinem Wechseln und Rochieren - bestimmten Vorwahlkampf GOP (der Republikanischen Partei) ist nur eines sicher: Daß so gut wie nichts sicher ist.

Jede der drei bisherigen Vorwahlen lieferte mindestens eine Überraschung. In Iowa war es der Wahlsieg des bis dahin als Nachzügler hinter dem Spitzenfeld herlaufenden katholischen Konservativen Rick Santorum; in New Hampshire das gute Abschneiden Ron Pauls, in dessen Anhängerschaft so etwas wie eine politische Jugendbewegung sichtbar wurde; in South Carolina die vielleicht größte Überraschung - der souveräne Sieg von Newt Gingrich über den Favoriten Mitt Romney; jenes Newt Gingrich, der das Rennen schon verloren zu haben schien.

Und jetzt heute, in Florida? Heute könnte die Überraschung darin bestehen, daß es wider alles Erwarten diesmal keine Überraschung gibt.

Kleines Klima-Kaleidoskop (25): Bewegt sich jetzt doch etwas in der Klimadiskussion?

Als ich gestern über das hartnäckige Ausbleiben einer globalen Erwärmung seit mehr als zehn Jahren schrieb, bin ich nur auf die aktuellen Daten der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) eingegangen und habe mein Erstaunen darüber geäußert, daß diese und ähnliche Messungen so wenig Beachtung finden - wo sie doch eine massive Herausforderung für die herrschende Theorie einer menschengemachten globalen Erwärmung (anthropogenic climate change; ACC) darstellen (Jetzt liegen auch die globalen Temperaturdaten des Jahres 2011 vor. Sie werden vielleicht staunen, wenn Sie das sehen; ZR vom 30.1. 2012).

Nachdem dieser Artikel publiziert war, bin ich auf einen Beitrag in der Daily Mail vom selben Tag aufmerksam geworden, der dazu interessante Ergänzungen enthält; außerdem hat in Zettels kleinem Zimmer Ulrich Elkmann u.a. auf einen dazu passenden Artikel im Wall Street Journal vom vergangenen Freitag aufmerksam gemacht. Das veranlaßt mich, einen Nachtrag zu dem gestrigen Artikel zu schreiben.

30. Januar 2012

Kleines Klima-Kaleidoskop (24): Jetzt liegen auch die globalen Temperaturdaten des Jahres 2011 vor. Sie werden vielleicht staunen, wenn Sie das sehen

In dieser Serie und auch anderswo weise ich immer einmal wieder darauf hin, daß die globale Temperatur seit mehr als zehn Jahren nicht mehr steigt, während die CO2-Konzentration in der Atmosphäre Jahr für Jahr zunimmmt. Jetzt kann man sich bei der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Behörde der US-Regierung, die Daten einschließlich des kompletten Jahres 2011 ansehen.

Zitat des Tages: "Das trifft ins Herz des deutschen Maschinenbaus". Die Folgen des "Ausstiegs" für das produzierende Gewerbe

In einem Umfeld, in dem der Bedarf und damit die Produktion von Stahl stetig steigt (zwischen 2003 und 2010 allein um 50% weltweit), in einem Umfeld, in dem dies auch für andere mit hohem Energieaufwand zu erzeugende Grundstoffe gilt, bedeuten die von der Bundesregierung ausgegebenen Einsparziele Verzicht. Verzicht auf die Fähigkeit, all die vielen Materialien selbst herstellen zu können, die uns die Gestaltung einer lebenswerten Umgebung erst ermöglichen. Die Energiediät kann nur gelingen, wenn die Grundstoffindustrie abwandert.

Wir werden dann eben von Ammoniak bis Stahl die Dinge im Ausland teuer einkaufen müssen. Da die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung hier nicht mehr vorhanden sind, zahlen wir kräftig drauf. Und die Umwelt auch, denn nicht überall sind die Produktionsstandards so hoch wie in Deutschland. Mit der Grundstoffindustrie verschwindet auch der Anlagenbau – dorthin, wo die Anlagen benötigt werden. Das trifft ins Herz des deutschen Maschinenbaus.
Peter Heller im Blog ScienceSkeptical über die absehbaren Folgen des "Ausstiegs" für das deutsche produzierende Gewerbe. Überschrift: "Deutschlands Energiediät – Teil 1: Verzicht statt Fortschritt"

Kommentar: Ich zitiere aus diesem Artikel hauptsächlich, um Sie anzuregen, ihn zu lesen. Er beleuchtet nämlich einen Aspekt des "Ausstiegs" - inzwischen wird ja der lieblicher klingende Ausdruck "Energiewende" bevorzugt -, der in der bisherigen Diskussion kaum eine Rolle spielt:

Gingrichs Aufstieg, Wulffs Affäre, der Niedergang der FDP - drei Beispiele für rückgekoppelte Prozesse. Was folgt für das Los der FDP? Gutes! (Teil 2)

Die Absicht dieses zweiteiligen Artikels ist es, anhand einiger Beispiele auf die Bedeutung von Rückkopplungsprozessen in unserer Mediendemokratie aufmerksam zu machen. Prozesse dieser Art hat es auch früher schon gegeben; aber sie haben heute doch eine besondere Bedeutung, wo Medien die Vorgänge in der politischen Welt in ihrer Berichterstattung und Kommentierung nicht nur wiedergeben, sondern diese zugleich massiv beeinflussen.

Im ersten Teil habe ich das anhand von zwei aktuellen Beispielen analysiert - dem nachgerade atemberaubend schnellen Wechsel der Wählergunst bei den US-Vorwahlen sowie der Entwicklung des Falls Wulff, der als Kritik an einer unvollständigen Auskunft gegenüber dem Niedersächsischen Landtag begann und der sich dann über verschiedene Rückkopplungen zu einer großen Affäre hochschaukelte.

Im jetzigen zweiten Teil möchte ich zu zeigen versuchen, daß derartige Prozesse der Rückkopplung auch beim Niedergang der FDP eine wesentliche Rolle gespielt haben und spielen. Wenn man sie versteht, dann lassen sich andererseits auch Folgerungen ziehen zu der Frage, wie die FDP aus ihrem gegenwärtigen Tief wieder herauskommen könnte.

Marginalie: Sarkozy gestern Abend im französischen TV. Was er gesagt hat, nebst einem Kommentar

Gestern habe ich, gestützt auf das, was vorab durchgesickert gewesen war, eine Vorschau auf das Interview Nicolas Sarkozys am Sonntagabend gegeben (Sarkozy heute Abend im französischen TV. Was er ankündigen wird; ZR vom 29. 1. 2012). Der Präsident kündigte in der Tat im wesentlich das an, was nach diesen Informationen zu erwarten gewesen war. Einzelheiten können Sie beispielsweise im Figaro und deutschsprachig in der NZZ nachlesen. Ich möchte das jetzt durch meinen persönlichen Eindruck ergänzen.

Ich habe einen anderen Sarkozy erlebt, als ich ihn bisher aus Reden und auch aus den meisten Interviews kannte.

29. Januar 2012

Marginalie: Sarkozy heute Abend im französischen TV. Was er ankündigen wird

Heute Abend von 20.10 Uhr bis 21.15 Uhr kann man den Staatspräsidenten Sarkozy gleichzeitig auf sechs TV-Kanälen sehen; dieser exklusive Zugang zu den Medien ist ein altes Privileg der Präsidenten der Fünften Republik. In Deutschland zu empfangen ist davon über Satellit beispielsweise LCP (La Chaîne Parlemantaire) und France24. Sarkozy wird sich von vier - wie immer - handverlesenen Journalisten befragen lassen; diesmal Claire Chazal, Laurent Delahousse, François Lenglet und Jean-Marc Sylvestre.

Worum es gehen wird, das berichten vorab der Nouvel Observateur sowie Reuters.

28. Januar 2012

Zitat des Tages: "Der Kapitalismus ist noch längst nicht am Ende". Dorothea Siems über Stärke und Gefährdung der Marktwirtschaft

Die Abgesänge auf den Kapitalismus sind – mal lauter, mal leiser – seit seinen Frühzeiten zu hören. Doch immer wieder gelang es der Marktwirtschaft, ihre Kritiker zu widerlegen – weil sie sich als überaus anpassungsfähig erwies. (...) Die Gefahr ist indes, dass nach einer langen Phase der Liberalisierung nun das Pendel all zu stark in die Gegenrichtung ausschlägt. Die Freiheit, die wir für selbstverständlich nehmen, geht dann schleichend verloren: durch höhere Steuern, staatliche Gängelei, weniger Wandel.
Die Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik der "Welt"-Gruppe Dorothea Siems in einem Kommentar in "Welt-Online" anläßlich des Weltwirtschaftsforums in Davos; Titel: "Der Kapitalismus ist noch längst nicht am Ende".

Kommentar: Ist dieser Artikel lesenswert? Ja und nein. Was Dorothea Siems schreibt, das sind im Grunde Binsenweisheiten - daß der Erfolg des Kapitalismus auf seiner Anpassungsfähigkeit beruht; daß er dank dieser Wandelbarkeit bisher noch immer die Prognosen überlebt hat, die ihn zum baldigen Untergang verurteilten; daß auch als Reaktion auf die jetzige Krise wieder ein modifizierter Kapitalismus im Entstehen ist, der beste Aussichten hat zu überleben.

Anmerkungen zur Sprache (12): Der unsinnige Begriff der "erneuerbaren Energien" und wie es zu ihm gekommen ist

Es gibt Begriffe, die irgendwann gedankenlos in die Welt gesetzt wurden und die sich dann festhaken; kaum jemand merkt noch, wie unsinnig sie sind. Dazu gehört der Begriff der "erneuerbaren Energien", der fast unweigerlich auftaucht, wenn über Stromversorgung diskutiert wird, wie beispielsweise aktuell in Zettels kleinem Zimmer.

Gemeint ist mit diesem Begriff die Stromerzeugung beispielsweise mittels Photovoltaik oder in sogenannten Windparks. "Erneuerbar" ist da aber nichts; außer vielleicht den Maschinen, die man irgendwann modernisiert.

Es findet vielmehr im Prinzip dasselbe statt wie beim Verbrennen von Kohle und Gas oder im Kernkraftwerk:

27. Januar 2012

Kurioses, kurz kommentiert: Ein "einflußreicher Kabarettist". Von der Kleinkunst der Literarischen Kabaretts zu den Shows unserer Comedians

Dieter Hildebrandt, 84, ist einer der einflussreichsten Kabarettisten Deutschlands.
Aus dem Kastentext zu einem Interview mit Hildebrandt im aktuellen "Zeit-Magazin" (5/2012 vom 26. 1. 2012, S. 46).

Kommentar: Ein "einflußreicher" Kabarettist? Ist dem Redakteur, der diesen Kastentext geschrieben hat, da nur ein falscher Ausdruck in die Tasten geglitten; meinte er es also so, wie es auch in der Vorabmeldung in "Zeit-Online" an dieser Stelle steht: "Hildebrandt ist einer der populärsten Kabarettisten Deutschlands"? Oder steckt hinter dem "einflußreichsten" ein vertrackter, ein kurioser Hintersinn?

26. Januar 2012

"Vom guten König, dem Weizen und dem Mais". Ein Märchen zur Energiewende, als Gastbeitrag erzählt von Meister Petz

Häufig hört man in der Diskussion um die Energiewende, die Möglichkeit eines großen europäischen Blackouts als mittelbare Folge dieser Wende sei so etwas wie "Propaganda der Energiekonzerne"; so auch kürzlich in Zettels kleinem Zimmer als Reaktion auf einen Beitrag. Dabei wird meist in irgendeiner Form das Argument ins Feld geführt, die Stromhandelsbilanz sei ja nach wir vor positiv, deshalb müssten wir uns keine Sorgen machen.

In einem Land, das seinen ohnehin schon recht geringen Nationalstolz meist aus dem Titel des "Exportweltmeisters" bezieht, ist das nicht verwunderlich; und gerade die Befürworter der Energiewende führen diese Behauptung ins Feld, zum Beispiel die Kölner "Grünen"

Dass aber eine positive Stromhandelsbilanz nicht gleichbedeutend mit einer besseren Versorgungssicherheit ist (so nach dem alten Wirtshauskalauer "Gast: Haben Sie mal ein Pils? - Wirt: Soviel, dass ich es sogar verkaufe!") – diese Überlegung möchte ich mit einem kleinen Märchen illustrieren.

Respekt vor dem Amt

Seit Wochen erleben wir nun die Diskussion um die "Wulff-Affäre". Wobei es da zwei Diskussionen gibt: In den Medien war das Urteil über Wulff schon im Dezember gefällt, und seitdem werden nur noch Details nachgeschoben. In der Bevölkerung oder auch hier in "Zettels Raum" geht es eher um die Frage, ob wir nun eine Krise des Bundespräsidenten oder eher eine Krise der Medien haben. Ob die "Würde des Amts" durch einen Rücktritt geschützt würde oder ob sie durch die Rücktrittsforderungen beschädigt wird.

Ein Paradebeispiel für die eher medienkritische Sicht findet sich heute in "Welt-Online". Ein Beispiel auf mehreren Ebenen.

Marginalie: Wie beurteilen die Amerikaner das US-Wirtschaftssystem? Und was bedeutet das für Obamas Wahlkampf-Strategie? Eine Umfrage von Gallup

In seiner State of the Union Address - seiner Ansprache zur Lage der USA - am Dienstag hat Präsident Obama, so faßt es Gallup heute zusammen, das gegenwärtige amerikanische Wirtschaftssystem als nicht fair dargestellt. Wie aber sehen das die Amerikaner selbst?

Gingrichs Aufstieg, Wulffs Affäre, der Niedergang der FDP - drei Beispiele für rückgekoppelte Prozesse. Was folgt für das Los der FDP? Gutes! (Teil 1)

Newt Gingrich hat in der täglichen Umfrage von Gallup bei den Wählern der Republikaner den bisher führenden Mitt Romney jetzt mit 31 zu 28 Prozent überholt. In Deutschland liegt die FDP nach den Umfragen der großen Institute bei 3 bis 4 Prozent; käme also bei diesem Stand nicht wieder in den Bundestag.

Auf den ersten Blick scheinen diese beiden demoskopischen Befunde wenig miteinander zu tun zu haben. Es gibt aber einen Zusammenhang; eine Parallele, die für die FDP interessant ist und die ihr Grund zur Hoffnung gibt. Und es gibt - was zunächst noch weniger offenkundig erscheinen mag - Aspekte, die beides mit der Affäre Wulff verbinden.

25. Januar 2012

Zitate des Tages: Gregor Gysi, der Kalte Krieg und "Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe". Kommunistische Lügen und Tarnungen

Die stecken noch mitten im Kalten Krieg. Denen hat keiner gesagt, dass es die DDR nicht mehr gibt.
Gregor Gysi über den Verfassungsschutz, zitiert von "Focus-Online".
Die DDR ist nicht bloß unsere Vergangenheit, sondern auch unsere Zukunft.
Aus einer Mitteilung der "Kommunistischen Plattform" in der Partei "Die Linke"; zitiert von Peter Carstens in der heutigen FAZ.

Kommentar: Die Chuzpe Gysis ist schon beeindruckend. Jeder, der das will, kann sich davon überzeugen, daß die SED mit ihrer wiederholten Namensänderung ihre alten Ziele keineswegs aufgegeben hat.

Lesen Sie, was Peter Carstens - in der Berliner Redaktion der FAZ unter anderem für die Nachrichtendienste zuständig - in dem verlinkten FAZ-Artikel an Belegen und Zitaten zusammengetragen hat.

24. Januar 2012

Marginalie: Iran, Europa, USA. Bahnt sich ein Arrangement an?

Die EU hat nach langem Zögern nun doch ein Öl-Embargo über den Iran verhängt. Vom 1. Juli an soll kein persisches Öl mehr in die Länder der EU eingeführt werden.

Bis zum 1. Juli sind es noch mehr als fünf Monate. Bis dahin wird die Welt allerdings möglicherweise durchaus anders aussehen als heute. Denn es gibt Anzeichen dafür, daß sich eine Übereinkunft zwischen den USA und dem Iran anbahnen könnte. Das Embargo könnte zu einem Gedröhne gehören, wie es oft veranstaltet wird, wenn man sich zu verständigen beginnt.

Zettels Meckerecke: Nach der kollektiven Besoffenheit der Kater. Die Folgen der "Energiewende" werden allmählich greifbar

Besoffenheit hat meist einen Kater zur Folge. Der Kater nach der kollektiven Besoffenheit, in der Deutschland im Frühjahr 2011 eine "Energiewende" beschlossen hat, stellt sich jetzt allmählich ein.

Strom kann man bekanntlich nur in geringem Umfang speichern. Es gibt Batterien, es gibt Pumpspeicherwerke. Im wesentlichen aber funktioniert die Stromversorgung so, daß durch Anpassung bei der Stromerzeugung immer gerade soviel Strom produziert wird, wie es der aktuellen Nachfrage entspricht.

Nun hat Deutschland im Frühjahr vergangenen Jahres die Weichen für zwei Entwicklungen gestellt:

Zitat des Tages: "Der Verfassungsschutz darf die Arbeit frei gewählter Abgeordneter nicht beeinträchtigen". Rechtsstaat, Kommunisten, Extremismus

Nach Berichten über die Beobachtung zahlreicher Abgeordneter der Partei Die Linke gerät das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Kritik. Die Arbeit frei gewählter Bundestagsabgeordneter dürfe nicht durch den Verfassungsschutz beeinträchtigt werden, sagte Bundes­justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der "Süddeutschen Zeitung".
Aus einem Artikel in "Focus-Online" mit dem Titel "Leutheusser-Schnarrenberger rügt Verfassungsschutz - Beobachtung von Abgeordneten sei 'unerträglich'".

Kommentar: Man kann darüber streiten, ob "frei gewählte" (gibt es denn in Deutschland auch andere?) Abgeordnete vom Verfassungsschutz überwacht werden dürfen oder nicht.

Das ist eine Grundsatzentscheidung, bei der es um die Rechte von Legislative und Exekutive geht; und im Kern ist es ein Wertekonflikt: Die Würde des Abgeordneten auf der einen Seite, welcher ein gewählter Repräsentant des Souveräns ist; die wehrhafte Demokratie auf der anderen Seite, die sich gegen ihre Feinde verteidigen können muß.

Ich will jetzt gar nicht dazu Stellung nehmen, welcher dieser Werte höher zu gewichten ist. Ich möchte aber auf die zwingende Konsequenz hinweisen, die sich ergibt, wenn man frei gewählte Abgeordnete von der Überwachung durch den Verfassungsschutz ausnimmt:

23. Januar 2012

Marginalie: Laura Dekkers Weltumseglung - damals und aus heutiger Sicht. Hatte der Staat eingreifen dürfen?

Vor gut zwei Jahren, im Dezember 2009, erschien einer der kürzesten Artikel in der Geschichte von ZR: Ein Zitat des Tages, das ich aus dem Holländischen übersetzt hatte; dazu ein Kommentar von genau zwei Sätzen (Zitat des Tages: Het zeilmeisje oogt rustig. Lauras Heimkehr, ZR vom 22. 12. 2009).

Das Zitat handelte davon, daß man die verschwundene Laura Dekker - sie war im September 2009 vierzehn Jahre alt geworden - auf der Karibikinsel Sint Maarten aufgegriffen hatte. Via Curaçao würde sie nun in die Niederlande zurückgebracht werden.

Mein Kommentar lautete:
Wie wäre Laura Dekker glücklicher geworden? Wenn sie ihr eigenes Leben hätte leben können, oder wenn sie jetzt, wie zu erwarten, in ein Heim gesteckt wird?
Laura Dekker war danach zwar nicht in ein Heim eingewiesen, aber unter Vormundschaft gestellt worden. Sie konnte damit ihre geplante Weltumseglung vorerst nicht antreten.

Es ging dann so weiter:

Zitat des Tages: "Demographische und militärpolitische Faktoren werden das Gewicht Europas reduzieren". Wolfgang Ischinger zur Geopolitik

Das relative Gewicht Europas wird sich aufgrund ... [von] demografischen und damit gekoppelt auch ökonomischen und militärpolitischen Faktoren im Vergleich zu anderen Regionen im Laufe der nächsten Jahrzehnte erheblich reduzieren. Es ist jetzt schon klar, dass es eine ganz erhebliche Machtverlagerung nach Asien geben wird. Fakt ist, dass die Anzahl der rund 500 Millionen Europäer zurückgehen und die Anzahl der bereits jetzt vier oder fünf Milliarden Asiaten weiter zunehmen wird. Das bedeutet einen Zuwachs an ökonomischem sowie militärischem Gewicht. Diese Tatsache ist schon heute allen bewusst; die USA haben diese Entwicklung bereits zum Gegenstand ihrer strategisch-politischen Entscheidungen gemacht.
Wolfgang Ischinger, langjähriger deutscher Spitzendiplomat und gegenwärtig Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, in einem Interview mit The European.

Kommentar: In knapp zwei Wochen, am 3. Februar, beginnt die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz; eine Veranstaltung, auf der sich die Sicherheitspolitiker der wichtigsten Länder treffen.

Oft werden auf diesen Konferenzen Trends der Außen- und Sicherheitspolitik erstmals für die Öffentlichkeit deutlich. Vor fünf Jahren beispielsweise markierte ein Auftritt Putins die damals neue, auf eine Wiederherstellung der Sowjetunion in Form von Einflußzonen gerichtete Außenpolitik Rußlands

Zu Friedrichs 300. Geburtstag: Ein ungewöhnliches Porträt. Ein lesenswerter Aufsatz mit einem bedrückenden Bezug zur Gegenwart


Dieses Porträt Friedrichs II. von Preußen entstand 1775. Da war der König, dessen Geburtstag sich morgen zum 300. Mal jährt, also 63 Jahre alt.

Gemalt hat dieses eigenartige Bild Anna Dorothea Therbusch; eine Porträtmalerin aus einer Berliner Malerfamilie, die sich in Paris, Wien, Brüssel, Den Haag und Amsterdam künstlerisch gebildet hatte, bevor sie mit fast fünfzig Jahren 1769 nach Berlin zurückkehrte.

Ein verwunderliches Bild ist das, weil es einen ganz anderen Friedrich zeigt, als wir ihn von den meisten Porträts kennen.

22. Januar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (12): Gingrichs Triumph. "Noch nie gab es ein solches Auf und Ab". Obama, Wählbarkeit und Rückkopplung

"Wir sehen dieses Jahr mehr Bewegung, mehr Auf und Ab bei republikanischen Vorwahlen als irgendwann, seit wir dazu Daten erheben". Das sagte am Vorabend der gestrigen Entscheidung in South Carolina der Chefredakteur von Gallup, Frank Newport, im amerikanischen TV-Sender MSNBC. Was sich in der vergangenen Woche in diesem Wahlkampf abgespielt hat, ist in der Tat bemerkenswert:

Noch in der ersten Wochenhälfte sah bei den Republikanern (GOP) alles klar und sozusagen normal aus: Mitt Romney hatte in New Hampshire gewonnen und schien nun auf dem Weg zu einem sicheren Sieg auch in South Carolina zu sein

Zitat des Tages: "Die Palästinenser werden von den Israelis entsetzlich verfolgt". Worte des Ex-Präsidenten Jimmy Carter

Wer are completely in bed with the Israelis who are persecuting the Palestinians horribly. (...) ... the religious leaders of Iran have sworn on their word of honor that they're not to manufacture nuclear weapons. If they are lying, then I don't see that as a major catastrophe becauce they'll only have one or two military weapons. Israel probably has 300 or so.

(Wir stecken völlig mit den Israelis unter einer Decke, die die Palästinenser entsetzlich verfolgen. (...) ... die religiösen Führer des Iran haben mit ihrem Ehrenwort beschworen, daß sie keine Atomwaffen herstellen werden. Wenn sie lügen, dann sehe ich darin keine große Katastrophe, denn sie werden nur eine oder zwei militärische Waffen haben. Israel hat wahrscheinlich ungefähr 300).
Jimmy Carter in einem Interview in der aktuellen Ausgabe von Time Magazine (Erscheinungsdatum 30. 1. 2012).

Kommentar: Jimmy Carter hat sich bekanntlich seit dem Übereinkommen von Camp David 1978 immer wieder als ein neutraler Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern dargestellt. Er ist das nicht.

21. Januar 2012

Mal wieder ein kleines Quiz: Staat, Flagge, Verfassung

Die Flagge welches Staates ist das?


Bonusfrage: Die erste Verfassung dieses Staats wurde von einem Philosophen verfaßt. Wer war es?

20. Januar 2012

Zitate des Tages: "Man muß dann sehen ...". "Wenn sich neue Tatsachen ergeben ...". Wann endlich hört Wulff die Signale?

Es geht um Vorwürfe, die sich an einen Mitarbeiter richten, und erst wenn man die erhärtet hat, dann muss man sehen, ob man hier Vorwürfe an den Bundespräsidenten richten kann, ob er das wissen konnte, wissen musste.
Der Generalsekretär der CDU Hermann Gröhe im ARD-Fernsehen, zitiert von FAZ.NET.
Der Bundespräsident sollte alles tun, um Vertrauen zurückzugewinnen. (...) Wenn sich neue Tatsachen ergeben, gehören sie bewertet.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem Intervew in der morgigen FAZ, ebenfalls zitiert von FAZ.NET.

Kommentar: Deutlicher kann man sich von einem Amtsträger aus dem eigenen politischen Lager kaum noch distanzieren.

Hört den Wulff die Signale nicht? Er wird mir immer rätselhafter.

Generalprobe mißglückt

Nun wird es also doch Neuwahlen im Saarland geben. Damit hatte Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer wohl nicht gerechnet, als sie zu Dreikönig ihren Koalitionspartner FDP medienwirksam feuerte und auf eine große Koalition zusteuerte.
Offen bleibt, ob Kramp von ihrem Wunschpartner Maas reingelegt wurde, oder ob er sich intern nicht durchsetzen konnte - oder ob sie so naiv war, ohne verbindliche SPD-Zusage die bestehende Koalition platzen zu lassen.

Stratfors Analysen: George Friedman über die immer bedrohlichere Lage am Persischen Golf und das Machtspiel USA-Iran (mit deutscher Zusammenfassung)

Zusammenfassung: Die Spannungen am Persischen Golf wachsen. Die USA ziehen dort Flottenverbände zusammen oder stellen sie bereit. Hinter den Kulissen läuft zwischen den USA, dem Iran, Israel und der Türkei eine umfangreiche Diplomatie.

Auch andere Krisen - die Eurokrise, Chinas drohende Exportkrise - werden das internationale System verändern. Aber die Dynamik der Entwicklung zwischen den USA und dem Iran könnte die ernstesten Folgen für die Welt haben.

Die Stärke des Iran liegt nicht nur darin, daß er die größte Militärmacht der Region ist, sondern vor allem auch in seinen geheimdienstlichen Fähigkeiten und seinem politischen Einfluß.

Kurioses, kurz kommentiert: Der freundliche Wulff und der au ... e Horst Köhler

Während seines Antrittsbesuchs in der Schweiz im September 2010, gut zwei Monate nach seiner Wahl, hielt Wulff allerlei belanglose Reden und Grußworte. Es handelte sich um einen Freundschaftsbesuch. Anders als sein zuweilen authentisch wirkender Vorgänger Horst Köhler aber suchte Wulff – ganz Parteipolitiker und Landesvater – stets Kontakt zu Journalisten.
Aus einem Artikel von Daniel Friedrich Sturm in "Welt-Online" zur Haussuchung bei Olaf Glaeseker ("Wie Wulffs Spindoctor plötzlich zur Gefahr wird").

Kommentar: Wer nicht stets Kontakt zu Journalisten sucht, der verhält sich "authentisch"? Eigenartig, nicht wahr? Oder sollte der Autor doch eher "autistisch" gemeint haben?

19. Januar 2012

Marginalie: Haussuchung bei Glaeseker. Wann ist eine Haussuchung zulässig? Nebst (wieder einmal) etwas zu Wulffs eklatanter Ungeschicklichkeit

Mehr als das, was alle Agenturen melden, scheint noch nicht bekannt zu sein; auch die in solchen Dingen stets wohlinformierte Hannoversche "Neue Presse" weiß offenbar noch nichts weiteres: Bei Bundespräsident Wulffs ehemaligem (bis zu seiner abrupten Entlassung am 22. Dezember 2011) Pressesprecher Olaf Glaeseker hat es heute eine Haussuchung gegeben; in privaten und geschäftlichen Räumen. Es geht um den Verdacht der Bestechlichkeit.

Wie sieht in einem solchen Fall die Rechtslage aus?

Marginalie: Mitt Romney "strauchelt" schon wieder. "Spiegel-Online" und die Vorwahl in South Carolina

Erinnern Sie sich? Zu der Vorwahl in New Hampshire brachte "Spiegel-Online" einen Bericht, dessen Autoren - Marc Pitzke und Sebastian Fischer - sich schier verzweifelt zeigten über die Lage der Republikaner (GOP) und besonders des armen Kandidaten Mitt Romney, der "gestrauchelt" sei ("Es ist zum Verzweifeln". Wie "Spiegel-Online" über die Lage der Kandidaten im US-Vorwahlkampf desinformiert; ZR vom 10. 1. 2012).

Jetzt ist es dem Bedauernswerten, falls wir "Spiegel-Online" Glauben schenken wollen, schon wieder passiert, das Straucheln. Dort kann man heute einen Artikel mit der Überschrift "Kandidat Superreich strauchelt" lesen; wieder aus der Feder von Sebastian Fischer:

Marginalie: Aktion "Träume einfangen". Wie Barack Obama seine Sympathisanten analysieren läßt

Wenn Sie Kunde bei Amazon oder einem ähnlichen Unternehmen sind, dann kennen Sie das: Sie bekommen Angebote zugeschickt, die gemäß Ihrem bisherigen Kaufverhalten zusammengestellt sind.

Manchmal ist das intelligent, manchmal weniger. Ich habe zum Beispiel im kalten Winter 2010/2011 ein paar warme Winterstiefel gekauft; seither erhalte ich regelmäßig Angebote für Herrenstiefel. Offenbar vermutet das Programm in mir einen Stiefel-Fetischisten. Ich habe aber mit einem Paar Stiefel vorerst genug. Auch daß jemand, der, sagen wir, gerade ein Notebook gekauft hat, nun gleich wieder eines haben möchte, ist nicht so sehr wahrscheinlich.

Immerhin: In vielen Fällen ist dieses selektive Anbieten vernünftig. Ich bekomme Angebote für Bücher, die meist ziemlich nah an meinen Interessengebieten liegen; manches andere Interesse spiegelt sich in den Angeboten ebenfalls trefflich wider.



Wahlkämpfe haben heutzutage, zumal in den USA, viel Ähnlichkeit mit der Vermarktung von Produkten. Alle Kandidaten, die gern Präsident werden wollen, haben folglich in ihren Teams Spezialisten für Marketing.

18. Januar 2012

Zettels Meckerecke: "Döner-Morde". Der Unfug des Unworts. Und Prantl hebt den Zeigefinger, sich mit der anderen Hand an die Brust klopfend

Das "Unwort des Jahres 2011", so ging es gestern durch die Presse, ist "Döner-Morde". Wer denkt sich so etwas aus? Und warum? Und was ist das überhaupt, ein "Unwort"?

Ein Unfug ist etwas, das sich nicht fügt. Ein Unmensch ist einer, der kein Mensch mehr ist. Was also ist ein "Unwort"? Ein Wort, das eigentlich gar keines ist? Ein Wort, das man nicht verwenden kann, das sich nicht aussprechen läßt?

Nein, bekanntlich meinen diejenigen, die diese sprachliche Mißgeburt "Unwort" erdacht haben, etwas anderes: Ein Wort, das ihnen nicht gefällt. Ein Wort, an dessen Bedeutung, an dessen Verwendung sie gern, den Zeigefinger hochgereckt, öffentlich Kritik üben möchten.

Wer ist das, der da alljährlich den Zeigefinger in die Höhe hält?

17. Januar 2012

Gedanken zu Frankreich (40): Marine Le Pen - die große Unbekannte. Schon stärker als Sarkozy? Oder darf sie am Ende gar nicht antreten?

Die Kandidatin des rechts­populistischen Front National (FN), Marine Le Pen, hat weiter ausgezeichnete Umfragewerte. Je nach Institut liegen sie zwischen 16 und 20 Prozent; bei den (unter der Woche) täglichen Umfragen des Instituts Ifop am vergangenen Donnerstag und Freitag sogar bei je 21,5 Prozent.

Le Pen ist damit nicht mehr sehr weit von Nicolas Sarkozy entfernt; am Donnerstag beispielsweise lag der Staatspräsident bei Ifop mit 23,5 Prozent nur noch zwei Prozentpunkte vor ihr. Andere Institute geben ihm einen etwas größeren Vorsprung; aber keines sieht ihn gegenwärtig bei mehr als 26 Prozent.

Diese Daten sind in zweierlei Hinsicht interessant. Erstens nämlich gibt es Indikatoren und Überlegungen, die darauf hinauslaufen, daß die Chancen von Marine Le Pen noch deutlich besser sein könnten, als es in ihnen zum Ausdruck kommt; sie wäre damit eine reale Gefahr für Sarkozy. Und andererseits ist es paradoxerweise möglich, daß sie es trotz dieser Umfragewerte noch nicht einmal schafft, überhaupt zur Wahl anzutreten. Wie kann es zu einer solchen Situation kommen?

Zitat des Tages: "Bitte lassen Sie Ihre Stimme hören!". Die Erklärung "Die Wikipedia wird abgeschaltet" im Wortlaut und übersetzt; nebst Kommentar

English Wikipedia to go dark January 18 in opposition to SOPA/PIPA

San Francisco -- January 16, 2012 -- On January 18, 2012, in an unprecedented decision, the Wikipedia community has chosen to blackout the English version of Wikipedia for 24 hours, in protest against proposed legislation in the United States — the Stop Online Piracy Act (SOPA) in the U.S. House of Representatives, and PROTECTIP (PIPA) in the U.S. Senate. If passed, this legislation will harm the free and open Internet and bring about new tools for censorship of international websites inside the United States. Wikipedia administrators confirmed this decision Monday afternoon (PST) in a public statement:

16. Januar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (11): Das Rennen bei der GOP scheint gelaufen. Es siegte der Verstand über das Herz. Nebst Anmerkungen über tricky Newt

Es sieht im Augenblick so aus, als werde diese Serie erheblich kürzer ausfallen als die zur Wahl des US-Präsidenten vor vier Jahren.

Zum einen, weil es damals zwei parallele Abläufe von Vorwahlen gab, aus denen bei den Republikanern John McCain und bei den Demokraten Barack Obama als die Sieger hervorgingen. Diesmal wird nur bei den Republikanern (der GOP) gekämpft; gegen Obama kämpft allenfalls ein Vermin Supreme (siehe Wie hat eigentlich Barack Obama bei der gestrigen Vorwahl abgeschnitten?; ZR vom 11. 1. 2012). Zweitens aber auch, weil der Kampf bei den Republikanern sich schon seinem Ende zu nähern scheint, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Wie kam es dazu?

Ist Wulff durch? Unten. Brauchen wir überhaupt einen Bundespräsidenten? Nebst einer Liste der Artikel in ZR zum Thema Wulff

Christian Wulff ist ein sturer Westfale. Möglicherweise muß man dieses psychologisierende Klischee zur Hilfe nehmen, um zu verstehen, warum er an seinem Sessel klebt, als sei er dort mit Pattex befestigt; dazu noch mit eisernen Ketten angeschmiedet. Denn Christian Wulff ist unten durch. Da ist nichts mehr zu retten.

Er ist nicht deshalb unten durch, weil er sich etwas hätte zuschulden kommen lassen, das einen "Skandal" gerechtfertigt hätte. Am Anfang stand ja nichts als die Beschuldigung, er habe den Niedersächsischen Landtag nicht vollständig informiert, als dort die Roten und die Grünen ihn mit einer Anfrage in die Enge zu treiben gedachten. Wenn eine solche Taktik skandalträchtig wäre, dann steckte dieses Land bis über beide Ohren in Skandalen.

15. Januar 2012

Zitat des Tages: "Verblendet". Der solare Gau. Nebst einer Erinnerung an den 30. Juni 2011

Seit Wochen haben die 1,1 Millionen deutschen Photovoltaikanlagen so gut wie keinen Strom mehr erzeugt. (...) Damit die Lichter nicht ausgehen, muss Deutschland zur Zeit große Mengen Atomstrom aus Frankreich und Tschechien importieren. Der Stromnetzbetreiber Tennet griff bereits auf eine Notreserve zurück: Ein betagtes Ölkraftwerk im österreichischen Graz wurde hochgefahren, um den Ausfall der Sonnenkraft zu kompensieren.
Der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe (3/2012 vom 16. Januar 2012) über die gegenwärtige Lage der Stromversorgung in Deutschland. Überschrift des Artikels von Alexander Neubacher: "Verblendet".

Kommentar: Ja, verblendet ist eine Energiepolitik, die zu solchen Zuständen geführt hat.

Daß die Photovoltaik eine energiepolitische Sackgasse ist - ebenso überteuert wie unzuverlässig -, war immer klar. Sie wurde und wird mit Milliardenbeträgen (bereits jetzt laut "Spiegel" mehr als 100 Milliarden, die ausgegeben oder zugesichert sind) allein deshalb gepäppelt, weil es so romantisch ist, sich auszumalen, wie eine lachende und gütige Mutter Sonne uns direkt ihre Energie spendet, die unausschöpfliche; siehe das Logo der "Grünen".

Sie ist aber, wie man jetzt sieht, sehr ausschöpflich, die Energie vom mit Solarpaneelen gepflasterten Dach und aus unseren "Solarparks".

Aufruhr in Arabien (24): Guido Westerwelle und "demokratisch-islamische Parteien". Die deutsche Nordafrika-Politik vor einer verhängnisvollen Wende?

Am Donnerstag habe ich eine Vorabmeldung in FAZ.NET kommentiert, die einen Artikel von Bundesaußenminister Westerwelle zur Entwicklung in den arabischen Ländern ankündigte; Überschrift in FAZ.NET: "Westerwelle fordert Islam und Demokratie zu vereinen" (Westerwelle tritt für islamisch-demokratische Parteien ein. Dazu vorerst nur einige Fragen; ZR vom 12. 1. 2012). Ich habe diesen Artikel jetzt gelesen und komme, nun besser informiert, noch einmal auf das Thema zurück.

Ich tat gut daran, mich am Donnerstag zunächst auf das Formulieren von Fragen zu beschränken und mit einer Stellungnahme zu warten, bis ich wußte, in welchem Kontext die Zitate in der Vorabmeldung stehen. Denn manches erscheint jetzt in einem anderen Licht.

14. Januar 2012

Zitat des Tages: "Zynisch und menschenverachtend". Sie lebt noch, die alte DKP-Bündnisstrategie. Nur jetzt auch im Bundestag verankert

Zynisch und menschenverachtend versuchen USA und EU, mit Embargos ihren Außenhandel und Zahlungsverkehr planmäßig lahm zu legen. Die Wirtschaft des Iran und Syriens soll bewusst in eine tiefe Krise gestürzt, ihre Arbeitslosenzahlen erhöht und die Versorgungslage ihrer Bevölkerung drastisch verschlechtert werden. Die inneren sozialen Konflikte sollen ethnisiert und zugespitzt, ein Bürgerkrieg entfacht werden, um einen Vorwand für die längst geplante militärische Intervention zu schaffen. An diesem Embargo gegen Iran und Syrien beteiligt sich auch ganz maßgeblich die deutsche Bundesregierung.
Aus dem "Aufruf" eines Vereins mit dem Namen "Freundschaft mit Valjevo e.V.", der in den letzten Tagen Furore machte, weil er auch von MdBs der Partei "Die Linke" unterzeichnet wurde - Dieter Dehm, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Heike Hänsel und vor allem Sevim Dağdelen, die als Fraktionssprecherin für Internationale Beziehungen von Amts wegen für dieses Thema zuständig ist.

Kommentar: Ist eine solche "Aktion" erwähnenswert; verdient sie es, kommentiert zu werden?

Wer ist überhaupt dieser Verein mit dem seltsamen Wort "Valjevo" im Vereinsnamen? Das kann man einem Aufsatz von Bernhild Vögel in der Zeitschrift "Ossietzky" entnehmen: Es handelt sich um einen in Pfaffenhofen ansässigen Verein, der im Juli 1999 als Hilfsverein für die vom Jugoslawienkrieg betroffenen serbische Stadt Valjevo gegründet wurde.

13. Januar 2012

Zitat des Tages: "Am schwächsten ist die nationale Identität in Deutschland". Eine empirische Untersuchung bestätigt das leider Offensichtliche

Im Vergleich mit anderen Ländern ist die nationale Identität in Deutschland am schwächsten. Das hat nicht nur unsere Studie gezeigt, auch bei anderen Untersuchungen ist Deutschland immer das Schlusslicht
Der Kölner Psychologe Ulrich Schmidt-Denter als Fazit eines über zehn Jahre laufenden Forschungsprojekts, in dem 6122 Jugendliche und ihre Eltern aus Deutschland, Dänemark, Polen, Tschechien, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden befragt wurden; zitiert in einem gestrigen Artikel von Maria Braun in "Welt-Online".

Kommentar: Es ist ja eigentlich erfreulich, wenn das, was man als einen Eindruck aus der allgemeinen Erfahrung gewonnen hat, durch eine wissenschaftliche Untersuchung bestätigt wird; noch dazu von einer so gründlichen und umfassenden Forschungsarbeit wie derjenigen von Professor Schmidt-Denter und seinen Mitarbeitern.

Weniger erfreulich ist der Inhalt dessen, was wir alle schon wußten und was diese sozialpsychologische Untersuchung nun nicht nur bestätigt, sondern auch in seinen Details untersucht hat:

Ist Anders Breivik schuldunfähig? Über den Unterschied zwischen einer paranoiden Schizophrenie und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung

Eine Marginalie mit dem Titel "Ist Anders Behring Breivik schuld­unfähig?" konnten Sie in ZR schon einmal lesen; am 30. November 2011, als das Gutachten der beiden norwegischen Psychiater Sørheim und Husby bekanntgeworden war, demzufolge der Massenmörder Anders Behring Breivik an einer paranoiden Schizophrenie leidet und somit schuldunfähig ist (früher hieß das im deutschen Strafrecht "zurechnungsunfähig"; umgangssprachlich hat sich die Bezeichnung "unzurechnungs­fähig" eingebürgert).

Ich habe damals vorsichtige Zweifel an der Eindeutigkeit dieser Diagnose geäußert und Beispiele für politische Attentäter genannt, bei denen die Diagnose "Paranoide Schizophrenie" aufgrund einer eindeutigen Symptomatik zu Recht gestellt worden war:

12. Januar 2012

Zitat des Tages: Westerwelle tritt für islamisch-demokratische Parteien ein. Dazu vorerst nur einige Fragen

Wir haben ein großes Interesse daran, dass sich das Leitbild islamisch-demokratischer Parteien verfestigt. Deshalb sollten wir es nach Kräften unterstützen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle in einem am morgigen Freitag erscheinenden Gastbeitrag in der FAZ; als Zitat heute zu lesen in einer Vorabmeldung von FAZ.NET.

Kommentar: Ich zitiere das jetzt hauptsächlich, um auf den morgigen Artikel aufmerksam zu machen. Vielleicht kaufen Sie sich ja die FAZ oder lesen sie - was ich tun werde - auf dem Kindle oder einem anderen Gerät. Denn ein solches brisantes Zitat sollte man erst kommentieren, wenn man den Kontext kennt.

Ein Stück Kontext ist allerdings schon bekannt, und das läßt Schlimmes erwarten.

Marginalie: Stratfor ist wieder online. Neue Informationen über den Hackerangriff

Gestern Nachmittag erhielten die Abonnenten von Stratfor die Nachricht, daß der Informationsdienst wieder online ist. Sie finden seine Site hier.

Es lohnt sich, einmal dorthin zu gehen; aus zwei Gründen:

11. Januar 2012

Marginalie: Wie hat eigentlich Barack Obama bei der gestrigen Vorwahl abgeschnitten? Was schätzen Sie? Nebst etwas über Vermin Supreme

Eine Vorwahl fand gestern nicht nur bei den Republikanern von New Hampshire statt, sondern, wie man sich denken kann, auch bei den Demokraten. Von ihr hört und liest man aber wenig. Wie ist sie eigentlich ausgegangen?

Sie meinen, das sei eine dumme, eine überflüssige Frage, weil bei den Demokraten ja nur Barack Obama zur Wahl stand? Nein.

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (10): Informationen zum Verständnis des Wahlergebnisses in New Hampshire. Zwei Sieger. Eine liberale Jugendbewegung?

Die Vorwahl der republikanischen Partei (GOP) in New Hampshire ist so ausgegangen, wie Sie es erwarten konnten, wenn Sie die Bericht­erstattung in diesem Blog verfolgt haben:

Mitt Romney ist keineswegs "gestrauchelt", wie "Spiegel-Online" noch gestern seinen Lesern nahebringen wollte, sondern er hat einen starken Sieg eingefahren. Ron Paul ist zweiter und Jon Huntsman Dritter geworden, so wie es die Umfragen vorhergesagt hatten. Wie meist hat das Modell von Nate Silver das Ergebnis außerordentlich genau getroffen - mit einer bemerkenswerten Ausnahme allerdings.

10. Januar 2012

Zettels Meckerecke: "Es ist zum Verzweifeln". Wie "Spiegel-Online" über die Lage der Kandidaten im US-Vorwahlkampf desinformiert

Bei "Spiegel-Online" macht man sich Sorgen um die Republikanische Partei in den USA. Genauer: Es sind Sebastian Fischer und Marc Pitzke, die sich sorgen. Seit heute um 12.50 Uhr können Sie es lesen:
Es ist zum Verzweifeln. Die US-Republikaner suchen einen Gegenkandidaten zu Präsident Barack Obama. Doch kurz vor der Entscheidung in New Hampshire strauchelt Favorit Mitt Romney und Shooting-Star Rick Santorum verliert die Nerven.
Schlimm, schlimm. Der bisherige Favorit Mitt Romney gestrauchelt, also am Boden. Rick Santorum, so müssen wir befürchten, ein Nervenbündel.

Nur ist es nicht so. Beiden geht es bestens; die heutigen Wahlen dürften für den einen wie den anderen zum Erfolg werden. Schauen wir uns die letzten Umfragedaten zum Primary in New Hampshire an

Zitat des Tages: "Sarrazin hat Özils Erfolg zertrümmert". Der Philosoph, der tritt herein / Und beweist euch, es müßt so sein

Gebauer: Nun hat man leider gesehen, dass Özils Erfolg im Frühsommer 2010 in Südafrika durch den Bestsellererfolg von Thilo Sarrazin im Spätsommer grandios zertrümmert worden ist. Das Komische war, dass Sarrazin weitgehend unwidersprochen vor seinem Publikum behaupten konnte, Türken würden zu dieser Gesellschaft kaum etwas beitragen. Ich fand das bemerkenswert, weil das in Frankreich 1998 auch passiert war ...

Tagesspiegel: ... die Equipe multiculturelle, die Fußball-Weltmeister wurde...

Gebauer: ... ja 1998. Und 2000 kam Le Pen in die Stichwahl ums Präsidentenamt.
Aus einem Interview, das Friedhard Teuffel mit dem Philosophen Gunter Gebauer führte und das im "Tagesspiegel" sowie gestern bei "Zeit-Online" erschien.

Kommentar: Von der Warte des Philosophen aus beschaut, sieht die Welt mitunter erstaunlich aus.

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (9): Die doppelte Bedeutung der heutigen Vorwahlen in New Hampshire

Auch vor vier Jahren, am 8. Januar 2008, waren die Vorwahlen in New Hampshire spannend; damals nicht nur bei den Republikanern, sondern ebenso bei den Demokraten. Dort ging ein gewisser Barack Obama als Favorit ins Rennen; ein Bewerber, dem gegen Hillary Clinton bis zu den Caucuses in Iowa wenig Chancen eingeräumt worden waren.

Zum Favoriten war Obama geworden, weil er ganz unerwartet am 3. Januar in Iowa gesiegt und Hillary Clinton sogar auf den Dritten Platz verwiesen hatte

9. Januar 2012

Apfelbäumchen 2.0

Wenn man sonntags morgens eine private Mail von Zettel bekommt, dann ist man schon sehr neugierig.

Denn es werden ja aktuell ganz heftige Themen in Zettels Raum diskutiert: Die Affären um den Bundespräsidenten, das Versagen deutscher Medien, die Gefahren der Islamisierung, Merkels Marsch in die Schuldenunion, die Zumutungen der Eurokratie, die zunehmende Intoleranz gegen Andersdenkende ...

Was also könnte so wichtig sein, daß der Hausherr außerhalb der Forumsdiskussionen "hinter den Kulissen" eine Mitteilung macht?

Zitat des Tages: Sarrazin über Pharisäer. Auch über Käßmann, Heinrich August Winkler, Sigmar Gabriel. Und über das Verhalten von Bundespräsident Wulff

Welt Online: Worüber regen sich dann so viele auf?

Sarrazin: Das ist die Wut der Pharisäer. Ich spreche etwas aus, was viele denken, sich aber zu sagen nicht trauen. Der Pharisäer ist ein Mensch, der schon etwas weiß, aber in festen Strukturen denkt und sie nicht gefährden will. Er will keine Fragen stellen, weil sie zu ungewollten Folgerungen führen könnten. Damit er weiter sein Leben als Pharisäer führen kann.
Thilo Sarrazin in einem Interview, das Andrea Seibel und Henryk M. Broder mit ihm führten und das seit heute 14.21 Uhr in "Welt-Online" zu lesen ist.

Kommentar: Selten ist es mir so schwer gefallen, aus einem längeren Interview diejenige Passage herauszusuchen, die ich als "Zitat des Tages" verwenden möchte. Denn fast jede Antwort Sarrazins in diesem Interview ist zitierenswert - in einem Gespräch, das von Broder und Seibel professionell geführt wurde; also sachlich, an Auskünften des Gesprächspartners interessiert, und nicht mit der Absicht, ihn fertigzumachen und vorzuführen.

Das sollte man erwähnen, denn es ist ja bei Sarrazin keine Selbstverständlichkeit.

Zettels Meckerecke: "Quelle: F.A.Z.". Der unsäglichste, der geschmackloseste Artikel, den ich seit langem gelesen habe. Nein, ich übertreibe nicht

Im Feuilleton von FAZ.NET ist derzeit ein Artikel mit der Überschrift "In Trümmerhaufen" zu lesen. Er trägt kein Datum. Es wird kein Autor genannt.

Daß derjenige, der das geschrieben - oder vielmehr überwiegend montiert - hat, nicht mit seinem Namen erwähnt wird, daß er vielleicht nicht genannt werden wollte, ist verständlich. Denn ein so schlimmes Machwerk habe ich lange nicht mehr in der Internet-Ausgabe einer deutschen Tageszeitung gelesen; schon gar nicht der FAZ.

8. Januar 2012

Marginalie: Textauszüge aus dem, was Wulff auf Diekmanns Mailbox gesprochen hat. Warum nur hat der Präsident einer Veröffentlichung nicht zugestimmt?

Wie zu erwarten gewesen war, blieb die Abschrift von Bundespräsident Wulffs Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Diekmann nicht lange unter Verschluß. Sie wird unter Journalisten längst von Hand zu Hand gereicht.

Der "Spiegel" der kommenden Woche (Heft 2/2012 vom 9. 1. 2012) bringt etliche Textpassagen wörtlich. Sie zeigen, wie das Magazin schreibt, daß die "Wortwahl der Niederschrift zumindest weniger auffällig und dramatisch" ist, "als es in den bisher veröffentlichten Wortfetzen den Anschein gehabt" hat.

"Ein Anschlag auf die Pressefreiheit? Das ist wohl reichlich übertrieben", heißt es nun im "Spiegel", der von einem solchen Anschlag gewiß gern berichtet hätte, gäbe der Text das denn her.

Marginalie: Ägypten hat gewählt. Vermutlich 62 Prozent der Abgeordneten sind Islamisten

Gestern ist in Ägypten die dritte Runde der Wahlen für das Parlament zu Ende gegangen (die sogenannte Volksversammlung; Ende des Monats beginnen die Wahlen zum weniger wichtigen Oberhaus).

Nach dem gegenwärtigen Stand der Auszählung werden die Islamisten 62 Prozent der 498 jetzt vergebenen Mandate in der Volksversammlung haben; hinzu kommen 10 vom regierenden Militärrat zu ernennende Abgeordnete. Der Rest der Sitze verteilt sich auf 13 oder 14 kleine Parteien. Nur rund 1,5 Prozent der Abgeordneten werden Frauen sein.

7. Januar 2012

Europas Krise (8): "Es gibt keine Europäer" (Gareth Harding in "Foreign Affairs"). Warum die Vereinigten Staaten von Europa nicht gelingen können.


"The euro crisis isn't really about money. It's about the fiction that Europeans ever existed at all". So lautet der Untertitel eines Aufsatzes in der aktuellen Ausgabe der außenpolitischen Zeitschrift Foreign Affairs. Zu deutsch: In der Eurokrise geht es in Wahrheit nicht um Geld. Es geht um die Fiktion, daß es jemals Europäer gegeben hätte.

Die Überschrift spricht vom "Mythos Europa", und der Autor ist Gareth Harding; gebürtiger Brite, Politologie-Professor in Missouri und langjähriger Journalist in Brüssel. Er kennzeichnet sich selbst so:

Marginalie: Jetzt Göring-Eckardt? Oder gar Klaus Töpfer? Die Spekulation über Wulffs Nachfolge ist eröffnet

Er ist noch da.

Aber über die Nachfolge wird schon diskutiert; nicht nur hier in ZR. Und über wen da als möglichen neuen Präsidenten diskutiert wird - das läßt einen an das makabre Wort "Genießt den Krieg, der Friede wird fürchterlich" denken: Vielleicht sollten wir in der Tat den Wulff genießen, solange wir ihn noch haben.

6. Januar 2012

Kurioses, kurz kommentiert: "Neokonservatives Rollback". Was man bei "Zeit-Online" alles lesen kann

Während Ex-Verteidigungsminister Guttenberg mit seinem Adels-Populismus immer auch Ängste vor einem neokonservativen Rollback weckte, traut dem Bundes­präsidenten kaum jemand überhaupt eine gezielte Strategie zu.
Christian Bangel heute in "Zeit-Online" über Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg und Christian Wulff.

Kommentar: Dieser Christian Bangel wird mir langsam ... hm, ich will nicht behaupten unheimlich. Sagen wir: Er kommt mir allmählich vor wie der Mann in dem Witz, den mein Großvater gern erzählte:

Zitat des Tages, heute zum Dreikönigstreffen der FDP. Die Methode "Haltet den Dieb!" und die Notwendigkeit einer liberalen Partei in Deutschland

Gerade von der FDP ist man gewohnt, dass sie keinen Stimmungen hinterherläuft, sondern lieber etwas länger, aber dafür gründlicher nachdenkt. Leider war das nach Fukushima nicht der Fall: Auch wir haben uns von Hysterie treiben lassen. Wir haben es einer vermeintlichen Mehrheit recht machen wollen, obwohl es immer eine liberale Stärke war, auch dann für eine Meinung einzustehen, wenn sie unpopulär ist.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow in einem Interview mit Oliver Das Gupta von der "Süddeutschen Zeitung".

Kommentar: Nicht nur zur traurigen und unwürdigen Rolle der FDP, als Deutschland den "Ausstieg" beschloß, spricht Holger Zastrow in diesem Interview klare Worte. Beispielsweise auch zu den Enttäuschungen, die er - in der DDR aufgewachsen - nach der Wende erlebte:

5. Januar 2012

Marginalie: Und wenn "Bild" den Mailbox-Text auch ohne Wulffs Zustimmung veröffentlichen würde?

Vielleicht haben Sie sich das auch gefragt: Wieso bittet "Bild" eigentlich den Bundespräsidenten um seine Zustimmung zur Veröffentlichung dessen, was er dem Chefredakteur Kai Diekmann auf dessen Mailbox gesprochen hat? Darf die Zeitung denn, falls Diekmann selbst zustimmt, nicht das publizieren, was auf dessen Mailbox gespeichert ist - ob es dem Anrufenden nun gefällt oder nicht?

Ich habe dazu heute im Lauf des Tages verschiedene Vermutungen gehört, alle von juristischen Laien.

Kurioses, kurz kommentiert: "Spiegel-Online" und die zitternden Kandidaten Romney und Santorum. Phantasien eines Redakteurs. Nebst einem Nachtrag

Gleichstand bei Vorwahlen in Iowa - Romney und Santorum zittern um jede Stimme.
"Spiegel-Online" heute Vormittag über die Caucuses in Iowa. Inzwischen ist diese Überschrift verschwunden, aber es gibt immer noch eine Fotostrecke, die auf der Startseite mit "Zitterduell Iowa" angekündigt wird.

Kommentar: Die Vorstellung von den "zitternden" Kandidaten Romney und Santorum ist schon kurios und zeigt, wie wenig Ahnung der Redakteur, der sich das ausgedacht hat, von den Caucuses (nicht "Vorwahlen", das sind Primaries) in Iowa hat.

Marginalie: Der Ungeschickte. Ist Wulff ein zweiter Lübke? Schlimmer

Am 19. Dezember - die "Affäre" war eine knappe Woche alt - habe ich mich mit den Gemeinsamkeiten zwischen den Bundespräsidenten Wulff und Lübke befaßt.

Beide Aufsteiger aus einfachsten Verhältnissen, beide vaterlos aufgewachsen und mit Fleiß und Strebsamkeit ganz nach oben gelangt. Beide eher linkisch wirkend, schon bevor sie Präsident wurden, aber mit dem Image des redlichen, ungewöhnlich anständigen Politikers.

Und vor allem: Beide überfordert vom Amt des Präsidenten, das sie nie angestrebt hatten, sondern in das sie hineinbefördert worden waren. Am Ende der eine wie der andere Opfer einer Medienkampagne (Ist Christian Wulff ein zweiter Heinrich Lübke? Respektlosigkeit im Umgang mit dem Bundespräsidenten und Krisen der Bundesrepublik Deutschland; ZR vom 19. 12. 2011).

An dieser Charakterisierung habe ich nichts zu ändern. Es ist ihr aber jetzt ein Nachtrag hinzuzufügen.

4. Januar 2012

Marginalie: Wulffs Interview. Welch ein Jammerschauspiel. Transkript der Kernsätze. Eine Bemerkung zur Person Christian Wulff

Seit 19 Uhr sind Ausschnitte aus dem Interview mit Wulff als Video zu sehen.

Ein Jammerschauspiel. Wulff meist mit gesenktem Haupt, den Blick à la Dackel schräg nach nach oben gerichtet, mit einem eingefrorenen Lächeln um die Lippen. Seine Stimme brüchig, kieksend, oft nachgerade gepreßt. Der personifizierte ertappte und nun Reue demonstrierende Sünder.

Drei Millionen


Heute kurz vor 17 Uhr ist zum dreimillionsten Mal in ZR eine Seite aufgerufen worden.

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (8): Iowa hat gewählt. Romney stark. Bachmann am Ende. Wird Rick Santorum der neue Obama? Über "momentum"

Die beste mathematische Aufarbeitung von Umfragedaten, die exaktesten Vorhersagen von Wahlergebnissen in den USA findet man in Nate Silvers Blog FiveThirtyEight. Während gestern in Iowa die Caucuses im Gang waren, veröffentlichte er einen Artikel, der wieder einmal die Qualität seiner Arbeit zeigt.

Leider kam diese Analyse zu spät, als daß ich sie noch für meinen gestrigen Artikel mit Hintergrundinformationen zu diesen Caucuses hätte verwerten können. (Falls Sie diesen Artikel noch nicht gelesen haben, sollten Sie es vielleicht jetzt vor dem Weiterlesen tun; denn ich beziehe mich im folgenden auf die dortigen Informationen).

Silvers Artikel trägt den Titel "Why I'd bet on Santorum (and against my model)" - Warum ich auf Santorum wetten würde (und gegen mein Modell).

3. Januar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (7): Iowa wählt. Wie stehen die Chancen der Kandidaten? Was steht auf dem Spiel? Und was ist eigentlich ein Caucus?

Heute vor genau vier Jahren, am 3. Januar 2008, begann der Aufstieg des Kandidaten Barack Obama, der ihn schließlich ins Weiße Haus führte. Er begann mit Obamas überraschendem Sieg in den Caucuses von Iowa.

Zuvor hatte Hillary Clinton als die sichere Siegerin nicht nur in Iowa ausgesehen, sondern überhaupt als die Kandidatin, deren Durchmarsch durch die Vorwahlen, stracks bis zur Nominierung, so gut wie sicher schien. Dann, kurz vor den Caucuses in Iowa, sagten verschiedene Umfragen einen knappen Sieg Obamas vorher (siehe Barack, Hillary und der Caucus; ZR vom 2. 1. 2008). Am Ende gewann Obama souverän mit 37,6 Prozent. Hillary Clinton kam sogar nur auf den dritten Platz; mit 29,4 Prozent knapp hinter John Edwards.

Als ich dieses Wahlergebnis damals kommentiert habe, bin ich auf das spezielle Verfahren bei einem Caucus der Demokraten in Iowa eingegangen, das Obama zugutekam:

Marginalie: Wann tritt Christian Wulff zurück?

Die "Süddeutsche Zeitung" hat in ihrer Online-Ausgabe sueddeutsche.de im Augenblick auf der Startseite die folgenden Artikel; in dieser Reihenfolge:

2. Januar 2012

Zettels Meckerecke: "Anonymous", die Spanner aus dem Hinterhalt. Verlotterung der politischen Sitten. Die "Jagd auf Neonazis" und was dahintersteckt

Zu hart, diese Überschrift, finden Sie? Nein; es ist leider so. "Verlotterung der politischen Sitten" ist eigentlich noch zu milde formuliert. Es handelt sich um den Versuch, mit kriminellen Methoden Politik zu machen.

Eigentlich hatte ich gedacht, zu den Leuten, die das tun, das Erforderliche geschrieben zu haben; zu den Mitgliedern von Anonymous, die sich wie Spanner verstecken und tarnen, die aber die persönlichen Daten ihrer Mitbürger ohne Skrupel ausspähen und veröffentlichen (Zettels Meckerecke: Die Leute von Anonymous - ein Fall nur für die Polizei? Oder auch für den Psychologen? Über Rumpelstilzchen und Peeping Toms; ZR vom 27. 12. 2011). Aber jetzt ist doch noch eine Bemerkung zu ihnen angebracht.

Heute kann man Meldungen lesen wie diese in der "Frankfurter Rundschau":

Gedanken zu Frankreich (39): Sarkozy am Ende? Frankreich steht vor einem beispiellosen Linksrutsch

In diesem Jahr werden in den beiden für Deutschland wichtigsten Ländern neue Präsidenten gewählt: Am 6. November in den USA; bereits am 22. April und 6. Mai in Frankreich.

Während aber über den Vorwahlkampf zu den noch fernen Wahlen in Amerika in unseren Medien ständig berichtet wird, erfährt man vergleichsweise wenig über das, was von der Wahl des Präsidenten in bereits gut einem Vierteljahr in Frankreich zu erwarten ist. Dabei steht das Land vor einer dramatischen Veränderung; vor einer Machtverschiebung, wie es sie seit der Gründung der Fünften Republik am 4. Oktober 1958 nicht gegeben hat.

1. Januar 2012

Marginalie: Die Lage am persischen Golf spitzt sich zu. Informationen zu den Hintergründen. Nebst einer Anmerkung zur bedrohten Informationsfreiheit

Die Lage am Persischen Golf spitzt sich stündlich zu. Der Iran benimmt sich bereits, als sei er der Herr der Region, was in der Tat nicht mehr weit von der Realität entfernt ist.

Wenn Sie ZR regelmäßig lesen, dann wird die jetzige Entwicklung für Sie nicht überraschend gekommen sein. Vielleicht mögen Sie zum Hintergrund der aktuellen Ereignisse das eine oder andere aus diesen Artikeln noch einmal nachlesen:

Zitat des Tages: "Der Westen muß darauf beharren, daß sein Wesenskern nicht zur Disposition steht". Heinrich August Winkler über Abendland und Orient

Historisch betrachtet ist der Westen: das lateinische Europa. Jener Teil Europas, der im Mittelalter und darüber hinaus sein spirituelles Zentrum in Rom hatte. Denn das ist der Teil Europas, in dem die Geschichte der Gewaltenteilung beginnt. Die Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, auch die von fürstlicher und ständischer Gewalt. (...) Und nur dort, wo es diese Vorgeschichte gab, konnte sich die Trennung von gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt durchsetzen. Nur im Okzident gab es die großen Emanzipationsprojekte, die Renaissance, die Reformation, die Aufklärung. (...)

Die Einwanderung aus nichtwestlichen Ländern kann der Westen sehr gut bewältigen, wenn er darauf beharrt, dass sein Wesenskern nicht zur Disposition steht: die unveräußerlichen Menschenrechte, der Rechtsstaat, die Gleichberechtigung von Mann und Frau. (...) Der Westen würde seine Glaubwürdigkeit und seine Selbstachtung verlieren, wenn er den Anspruch auf die universale Geltung der Menschenrechte leugnen würde.
Der Historiker Heinrich August Winkler in einem Interview mit dem FAZ-Redakteur Claudius Seidl.

Kommentar: Dies scheint mir ein treffendes Zitat zum Jahreswechsel zu sein. Denn die Frage nach unserer westlichen Identität, nach unserem abendländischen Selbstverständnis wird nach meiner Überzeugung die politische Grundfrage der kommenden Jahrzehnte für uns sein.