30. Juni 2009

Vor 75 Jahren: Die Mordnacht vom 30. Juni 1934. Kein "Röhm-Putsch", sondern der Abschluß von Hitlers Machtergreifung

Vor 75 Jahren, am 30. Juni 1934, fand die Mordnacht statt, die noch immer irreführend als "Röhm- Putsch" bezeichnet wird. Ein Röhm- Putsch war das genauso wenig, wie die November- Pogrome von 1938 eine "Reichskristallnacht" waren.

In den deutschen Medien fand der diesjährige Jahrestag bisher wenig Beachtung. Und dort, wo auf ihn hingewiesen wurde - zum Beispiel im Deutschlandradio Berlin und in "Focus-Online" -, wird diese "Nacht der langen Messer" nur als eine Abrechnung Hitlers mit den ehemaligen Weggefährten aus der SA dargestellt. Auch in dem Artikel von Ernst Piper in "Spiegel- Online" ist von einer "blutige[n] Abrechnung unter Nazis" die Rede; immerhin wird dort erwähnt, daß nicht nur Nazis die Opfer waren.

In der Tat war es weder ein "Röhm- Putsch" noch eine Abrechnung unter Nazis. Es war eine Blutnacht, in der nach einer vorbereiteten Liste alle diejenigen liquidiert werden sollten, die Hitlers absolutem Machtanspruch noch hätten gefährlich werden können.

Hitler und der wesentlich mitbeteiligte Göring waren geschickt genug, das Augenmerk der Öffentlichkeit nur auf die Opfer aus der SA zu lenken; vermutlich weil deren Schläger im Volk verhaßt waren und weil sich aus der Homosexualität von Röhm propagandistisches Kapital schlagen ließ.

Tatsächlich stammten die Opfer der Mordnacht aus allen Gruppen, in denen sich noch Widerstand regte. Es gab kommunistische Opfer wie Erich Gans, Walter Häbich und Adam Hereth, die am 1. Juli im KZ Dachau erschossen wurden. Und es gab Opfer vor allem aus zwei Gruppen:
  • Konservative aus jenen Kreisen, die Hitler 1933 "einzurahmen" versucht hatten, also ihn durch Machtbeteiligung zu neutralisieren.

    Dazu gehörte der ehemalige Reichskanzler Kurt Schleicher und seine Ehefrau Elisabeth sowie der Oberregierungsrat Herbert von Bose, Referent von Franz v. Papen; ebenso dessen Mitarbeiter Edgar Julius Jung. v. Papen selbst hatte ebenfalls auf der Mordliste gestanden, wurde aber auf Wunsch Görings von dieser gestrichen und in in "Schutzhaft" genommen, bald aber wieder freigelassen.

    Selbst der ehemalige Kronprinz Wilhelm von Preußen hatte ermordet werden sollen; auch er verdankte sein Leben der Fürsprache von Goebbels.

  • Personen aus dem katholischen Widerstand. Auf diese Opfer geht heute ein amerikanischer Autor ein, Bruce Walker im American Thinker. Er ist Spezialist für dieses Thema; Autor eines Buchs "The Swastika and the Cross: The Nazi war on Christianity" (Das Hakenkreuz und das Kreuz: Der Krieg der Nazis gegen das Christentum).

    Erschossen wurden in der Mordnacht unter anderem Erich Klausener aus dem katholischen Widerstand, Adalbert Probst, Leiter des Dachverbands der katholischen Turn- und Sportvereine, und der katholische Publizist Fritz Gerlich, einer der wenigen Journalisten, die im Jahr 1934 noch journalistischen Widerstand leisteten.
  • Bei der Beurteilung der Blutnacht wird oft übersehen, daß der Beginn der "Machtergreifung" damals erst knapp eineinhalb Jahr zurücklag. Der erste Schritt war die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler gewesen, am 30. Januar 1933. Dann folgte als der zweite Schritt das Ermächtigungsgesetz vom 23. März.

    Erst von da an konnten die Nazis wirklich mit dem "Gleichschalten" und der Unterdrückung jedes Widerstands beginnen. Aber in den Redaktionen, in den Verwaltungen, in den Vereinen saßen ja immer noch viele Demokraten; auch noch 1934. v. Papen und Schleicher waren immer noch gefährliche Gegner der Nazis; auch der ebenfalls am 30. Juni ermordete Gregor Strasser.

    Auf sie war die Mordnacht vom 30. Juni gezielt; mindestens so sehr wie auf die SA. Danach gab es keinen sich offen artikulierenden Widerstand mehr. Die Machtergreifung war abgeschlossen.



    Bruce Walker weist nicht nur auf die Bedeutung der Opfer aus dem konservativen und katholischen Widerstand hin, sondern er räumt auch mit einer weit verbreiteten Legende auf: Daß mit dem Vorgehen gegen die SA die NSDAP zugleich ihren linken Flügel ausgeschaltet hätte und endgültig zum "Büttel des Kapitals" geworden sei.

    Wie Walker im einzelnen darlegt, begann die NSDAP im Gegenteil nach der Mordnacht, sich nach links zu bewegen:
  • Zwei Wochen nach der Blutnacht sagte ein hoher Beamter aus dem Wirtschaftsministerium, Graf von der Golz, vor Vertretern der Wirtschaft, jede Arbeitgeber- Organisation sei ab sofort verboten; wer sich nicht an das Verbot halte, werde strafrechtlich verfolgt werden.

  • Im Oktober 1934 wurde der Spitzensteuersatz von 40 auf 56 Prozent erhöht. Im Dezember 1934 wurde ein Aktiengesetz erlassen, das Aktionäre zwang, Dividende in Staatsanleihen anzulegen; diese wurden also faktisch enteignet.

  • So ging es weiter. 1936 wurden die Unternehmenssteuern von 20 auf 25 Prozent erhöht, vom Jahr 1937 an auf 30 Prozent. 1938 wurde für Unternehmensgewinne über 100.000 Reichsmark eine Sondersteuer von 35 Prozent eingeführt, von 1939 an von 40 Prozent. Im März 1939 wurde eine zusätzliche Reichensteuer eingeführt.
  • Sie waren eben Sozialisten, die Nationalsozialisten. Röhm und seine SA wurden von Hitler am 30. Juni 1934 ausgeschaltet, weil sie ein Hindernis auf seinem Weg zur absoluten Macht waren; nicht, weil sie ihm zu links gewesen wären.

    Und sie waren eben keineswegs das einzige Hindernis. Die Blutnacht galt allen, die dem Abschluß des Prozesses der Machtergreifung noch hätten gefährlich werden können.

    Die Nazi-Propaganda hat das durch die Sprachregelung vom "Röhm-Putsch" verschleiert. Seltsam, daß auch nach 75 Jahren viele noch diese von den Nazis verordnete Sichtweise übernehmen.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Adolf Hitler im Juni 1934. Bundesarchiv, Bild 102-03643A; frei uner Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0. Ausschnitt, bearbeitet.

    Zitat des Tages: "Konservative und Nazis haben so viel gemeinsam wie das Flötenkonzert von Sanssouci mit dem Horst-Wessel-Lied"

    Der Kampf gegen rechts, der einmal der Abwehr des Rechtsextremismus dienen sollte, ist längst ein Mittel geworden, das politische Gleichgewicht immer weiter nach links zu verschieben. (...) Rechts im Sinne von konservativ hat mit dem Nationalsozialismus so viel gemein wie das Flötenkonzert von Sanssouci mit dem Horst- Wessel- Lied, um den inzwischen verfemten Gerhard Ritter zu zitieren.

    Alexander Gauland im Deutschlandradio Kultur.



    Kommentar: Das "Deutschlandradio Kultur" ist im wesentlichen aus einem Zusammenschluß des ehemaligen RIAS und des "Deutschlandsenders Kultur" hervorgegangen, der in der Nach- Wendezeit aus Teilen des Rundfunks der DDR entstanden war.

    Die freiheitliche Tradition des RIAS ist in seinem Programm immer noch spürbar; es können dort politische Sendungen ausgestrahlt werden, die anderswo im öffentlich- rechtlichen Rundfunk dem Rotstift linker Redakteure zum Opfer fallen würden. Das gilt vor allem für das früh am Morgen ausgestrahlte "Politische Feuilleton".

    Alexander Gauland war unter anderem Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen" und Chef der Hessischen Staatskanzlei. Jetzt ist er freier Publizist.

    Der Text, dem ich das Zitat entnommen habe, ist meines Erachtens unbedingt lesenswert. Allein daß eine Initiative gegen den Rechtsextremismus als "Kampf gegen Rechts" firmieren kann, ohne daß das in der Öffentlichkeit beanstandet wird, zeigt, wie sehr es der linken Propaganda gelungen ist, konservative Rechte und Rechtsextreme in einen Topf zu werfen.

    Was ebenso absurd ist, als würde man Peer Steinbrück mit Sarah Wagenknecht in einen Topf werfen, nur weil sie beide Mitglieder einer linken Partei sind. Oder Helmut Schmidt mit dem Befürworter "illegaler Arbeit" und Verherrlicher der Gewalt Rudi Dutschke; ich habe über ihn und seine politischen Pläne hier geschrieben.

    Nach diesem Dutschke aber kann in Berlin eine Straße benannt werden, schreibt Gauland, während es beanstandet wird, daß ein Preis den Namen des konservativen Historikers Gerhard Ritter trägt.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Werner Stenzig.

    29. Juni 2009

    Marginalie: Wie die Bundesrepublik im Jahr 1984 mit Ausreisewilligen aus der DDR verfuhr

    Ich glaubte mich verhört zu haben, aber es wurde tatsächlich gemeldet.

    Vergangene Nacht wiederholte Bayern Alpha den "Wochenspiegel" der ARD vom 1. Juli 1984. Darin eine Meldung darüber, daß DDR- Bürger, die ihr sozialistisches Vaterland verlassen wollten, sich wieder einmal in großer Zahl in die "Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Deutschen Demokratischen Republik" in Ostberlin geflüchtet hatten; also die de- facto- Botschaft der Bundesrepublik.

    Man sah in dem Bericht die gläserne Tür der Ständigen Vertretung, hinter der sich die Menschen stauten. Man sah einen kleinen - laut Kommentar achtjährigen - Jungen, der kurz vor diese Tür kam. Man sah vor dieser Tür einen Eimer im Freien stehen.

    Dazu sagte der Kommentar, daß die Flüchtlinge "die Notdurft ... auf einem Eimer vor der Tür verrichten" mußten. Es war kein "Kübel", wie er früher einmal im Gefängnis zu finden war, mit Sitzgelegenheit. Sondern es war ein ganz normaler großer Eimer; Blech oder Plastik. Es gab keinen Sichtschutz, nichts. Der Eimer stand im Freien vor der Tür, Richtung Straße.

    Unfaßbar? Dann nehmen Sie, lieber Leser, zur Kenntnis, was in dem Satz gesagt wurde, der den Erläuterungen zum Eimer vorausging: Daß die Ständige Vertretung den Flüchtlingen "keinerlei Nahrung zukommen" lasse. Damit sollte erreicht werden, daß sie aufgeben und "freiwillig" in die DDR zurückkehren.

    Einige kündigten - auch das wurde in dem Bericht erwähnt - für den Fall, daß sie in die DDR zurück müßten, ihren Selbstmord an.



    Natürlich waren die Kommunisten für die Zustände in der DDR verantwortlich. Aber ohne westliche Politiker und Diplomaten wie diejenigen, die solche Maßnahmen zu verantworten hatten, hätten die Kommunisten es ungleich schwerer gehabt, ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten.

    Man hätte damals seitens der Bundesrepublik nicht anders handeln können? Natürlich hätte man. Man hätte die Menschen, die in die Ständige Vertretung geflüchtet waren, wenigstens menschenwürdig behandeln können; wenn man ihnen denn schon nicht zur Freiheit verhelfen konnte.

    Bundeskanzler war damals Helmut Kohl. Minister für Innerdeutsche Beziehungen war Heinrich Windelen, ebenfalls CDU. Leiter der Ständigen Vertretung war im Jahr 1984 der Karrierediplomat Hans- Otto Bräutigam, später deutscher Botschafter bei der UNO.



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    28. Juni 2009

    Mal wieder ein kleines Quiz: "Glückwunsch, Präsident Ahmadinedschad!"

    Hier sind Auszüge aus zwei Kommentaren zum angeblichen Wahlergebnis im Iran. Der eine erschien in einem extrem linken, der andere in einem extrem rechten Blog. Welcher ist welcher?
    Text A:

    Glückwunsch, Ahmadinedschad!

    Der Präsident hat klar gewonnen. Und die Leute, die dagegen demonstrieren, sind erkennbar eine kleine Minderheit: Die Jubelperser von USA und NATO. (...)

    Hier wollen Discomiezen, Teheraner Drogenjunkies und die Strichjungen des Finanzkapitals eine Party feiern. Gut, dass Ahmidenedschads Leute ein bisschen aufpassen und den einen oder anderen in einen Darkroom befördert haben. (...)

    In diesem Sinne: Salemaleikum, Präsident! Auf weitere vier friedliche Jahre!



    Text B:

    Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl, Herr Präsident!

    Die Islamische Republik Iran hat ihren Präsidenten gewählt. Und siehe da, entgegen aller eilfertigen Prognosen und frohlockenden Bekundungen der westlichen Medien, wurde der bereits abgeschriebene Amtsinhaber mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt. (...)

    Sicherlich, die selbsternannte Geldelite, die pfiffigen Kaufleute und westlich orientierten und vermögenden Angehörigen der Teheraner Oberschicht mögen ihn nicht gewählt haben. (...)

    Ein "Straßenfegen" im Iran und insbesondere in Teheran ist dringend angeraten. (...) Die Unbestechlichen des Systems, die Pasdaran (Revolutionsgarden) und die Bassidsch (Freiwilligenverbände) stehen sicherlich hinter dem Präsidenten und haben ihre Besen schon längere Zeit bereit.



    Welcher Text dem extrem linken und welcher dem extrem rechten Blog entnommen ist, erfahren Sie zusammen mit den Quellenangaben wie immer in "Zettels kleinem Zimmer".

    27. Juni 2009

    Wahlen '09 (4): Wahlhilfe für Merkel aus dem Weißen Haus. Aber wo bleibt die Wahlkampfstimmung?

    Ein Herz und eine Seele sind sie auf einmal, der Barack und die Angela. Aus Washington berichtet Gregor Peter Schmitz für "Spiegel- Online" über den Präsidenten:
    Er beginnt mit "Willkommen" auf Deutsch, er lobt Merkels "Weisheit" und "Direktheit", er erinnert an seinen Besuch der Dresdner Frauenkirche Anfang Juni, deren Wiederaufbau der ganzen Welt zeige, was mit vereinten Kräften möglich sei. Obama begrüßt "meine Freundin Angela Merkel". Deutschland, schwärmt er, werde einen besonderen Platz in seinem Herzen behalten, wegen des freundlichen Empfangs in Berlin als Präsidentschaftskandidat vor 220.000 Menschen im Juni 2008.
    Womit wir beim Thema sind.

    Nein, das ist nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Zwischen Obamas kühlem wenn nicht rüdem Verhalten gegenüber der Kanzlerin bei seinem Kurzbesuch in Deutschland vor drei Wochen und dem jetzigen Überschwang - wie immer bei Obama mit einem Stich ins Kitschige - hat sich nur allerdings etwas verändert: Die Umfragewerte für die deutschen Parteien.

    Fast durchweg zeigen die Daten der Institute im Juni eine abfallende Tendenz für die SPD und das linke Lager und einen spiegelbildlichen Anstieg der Werte für Schwarzgelb. Bei der Forschungsgruppe Wahlen zum Beispiel lag Schwarzgelb Ende Mai bei 48 und die Volksfront bei 47 Prozent; Mitte Juni war es 50 zu 44 Prozent. Ähnlich sehen die Daten der anderen Institute aus.

    Solche Umfragen verfolgt man natürlich auch in Washington. Präsident Obama muß gegenwärtig davon ausgehen, daß er auch für den Rest seiner Amtszeit nicht den Wunschpartner Steinmeier als deutsches Gegenüber haben wird, sondern die Kanzlerin Merkel. Es kann also nicht schaden, sie sich zu verpflichten, indem er ihr im Wahlkampf hilft. Es kostet Obama nichts; es wird ihm später nützen. Und die Kanzlerin nimmt dieses Geschenk natürlich gern entgegen.

    Eigentlich sollte der Höhepunkt des Besuchs der gemeinsame Auftritt im Rosengarten des Weißen Hauses sein, mit wunderschönen Fotos und Filmaufnahmen für den CDU- Wahlkampf. Da spielte nun leider das Wetter nicht mit; aber daß der Präsident die Kanzlerin lobte, bleibt ja dennoch - siehe "Spiegel- Online" - in Deutschland nicht ungehört.

    Ob Obamas Urteil über Merkel ("Chancellor Merkel is smart, practical, and I trust her when she says something" - sie sei smart, praktisch und er glaube ihr, wenn sie etwas sagt) nun allererste Sahne war, darüber kann man streiten; in einem Arbeitszeugnis wäre das wohl eher ein Minimallob. Aber solche versteckten Feinheiten werden gern überhört; für den Wahlkampf zählt nur das grobe Bild, wie es in die Medien gelangt.

    Und das ist positiv. Obama benimmt sich eindeutig geschickter als Merkel selbst im vergangenen Jahr ihm gegenüber, als sie die Rede vor dem Brandenburger Tor verhinderte. Denn auch damals, Ende Juli 2008, zeichnete sich schon der Wahlsieg Obamas ab. An seinen Auftritt in Berlin hat Obama gestern erinnert; auch das wohl eine kleine, aber feine Spitze gegen Merkel.



    Sicher war Obamas Wahlsieg damals natürlich noch bei weitem nicht. Sicher ist auch heute, drei Monate vor den Wahlen, natürlich der Sieg von Schwarzgelb nicht.

    Aber es läuft gut. Es läuft weit besser als im Vorwahlkampf Ende März, als vieles für eine Niederlage von Schwarzgelb sprach.

    Dazwischen liegen die Europawahlen, die der Union und der FDP Auftrieb gaben und die SPD in ein Stimmungstief stürzten; dazwischen liegt auch das erfolgreiche Management der Opel-Krise und der sich ausbreitende Eindruck, das Schlimmste sei in der Rezession überstanden. (Daß bei der Arbeitslosigkeit das Schlimmste noch bevorsteht, daß wir mit einer Inflation rechnen müssen, ist vielen Wählern wohl noch nicht klar).

    Es herrscht in Deutschland in diesen Tage eine Stimmung des "Es wird schon irgendwie gut gehen". Man weiß sich bei dieser vernünftigen, starken Kanzlerin in guten Händen, sozusagen. Keine Experimente, diese Haltung scheint sich auszubreiten.

    Das ist eine Momentaufnahme, so wie die Ende März. Seither ist ein Vierteljahr vergangen, und ein Vierteljahr dauert es noch bis zur Wahl. Das Pendel kann in dieser Zeit auch wieder zurückschwingen. Der eigentliche Wahlkampf liegt ja noch vor uns.

    Und das ist das vielleicht Seltsamste an dieser Wahl: Dreizehn Wochen vor dem Wahltag wird sie immer noch kaum wahrgenommen. Drei Monaten vor den US-Wahlen, Anfang August 2008, war der Wahlkampf schon auf seinem Höhepunkt. Bei uns gibt es ihn so richtig noch gar nicht.

    Das liegt nicht an einem Unterschied in der Mentalität oder den Umständen der Wahl zwischen Deutschland und den USA. Es ist eine Besonderheit dieses Wahljahrs.

    Schauen Sie sich zum Vergleich einmal die Galerie der Titelbilder des "Spiegel" im Wahljahr 1976 an. Schon im Januar "Tendenzwende?" mit Helmut Schmidt als Titelboy. Im Februar "Machtwechsel?", jetzt mit Helmut Kohl. Im März "Wandel in der CDU" mit dem CDU- Hoffnungsträger Albrecht auf dem Titel. Im April "Jungwähler - Schwenk zur CDU", mit einem Gespräch mit Helmut Schmidt über die Wahlaussichten der sozialliberalen Koalition. Ebenfalls im April "Was will die FDP?" über die Möglichkeit eines Koalitionswechsels der FDP nach den Wahlen. Und so fort, bis es dann in den Wochen vor der Wahl kaum noch andere Titelthemen gab.

    Es muß wohl schon diese heiter- resignierende Gelassenheit sein, mit der wir Deutschen diese Krise durchleben, daß wir in diesem Jahr so gar nicht in Stimmung fürs Kämpfen kommen, und sei es auch nur das Wahlkämpfen.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Der Reichstag. Vom Autor Norbert Aepli unter Creative Commons Attribution 2.5 - Lizenz freigegeben. Ausschnitt.

    Zitat des Tages: Die USA - bald europäischer als die Europäer?

    There has been much talk recently that the US is becoming more like Europe. To be more technically accurate, we should say that the US is becoming more like what Europe used to be. In the meantime, Europe is un-Europeanizing. We are about to make France look like a holdout for rugged individualism.

    (Es wird neuerdings oft gesagt, daß die USA Europa immer ähnlicher werden. Sachlich richtiger ist es, zu sagen, daß die USA immer mehr so werden, wie Europa einmal war. Mittlerweile de-europäisiert sich Europa. Wir sind dabei, Frankreich zu einer Trutzburg wilder Individualisten zu machen.)

    Randall Hoven im American Thinker.

    Kommentar: Um diese Aussage richtig zu verstehen, muß man berücksichtigen, daß wir Deutschen die Franzosen zwar für Individualisten halten, daß das aber ein großer Irrtum ist. (Ich habe darüber in der Anfangszeit dieses Blogs einmal einen Artikel geschrieben).

    Trotz aller Revolutions- Rhetorik sind die meisten Franzosen nicht nur staatsgläubig, sondern geradezu staatsfromm. Wenn sie gegen den Staat wettern, dann nicht etwa, um dessen Befugnisse einzuschränken, sondern um ihn dazu zu bringen, seine Macht zugunsten ihrer jeweiligen Interessen einzusetzen.

    In den USA sieht man das traditionell sehr viel realistischer als in Deutschland. Dort gelten die Europäer generell als Etatisten; allen voran aber die Franzosen.

    Das ist, behauptet Hoven, dabei, sich zu ändern. Die USA rücken nach links, während Europa immer liberaler wird. Er belegt das mit interessanten Zahlen, zum Beispiel zur Staatsquote, also dem Anteil der Staatsausgaben am Brutto- Sozialprodukt (BSP). Er lag in Europa 1993 bei einem Spitzenwert von 52,2 Prozent, ist aber inzwischen auf 46,2 Prozent gefallen. Nur noch vier Länder liegen über 50 Prozent: Ungarn, Dänemark, Schweden - und Frankreich.

    In den USA aber geht der Trend in die umgekehrte Richtung. 2007 lag der Anteil der Ausgaben der US-Bundesregierung am BSP noch bei 20 Prozent; im Haushaltsentwurf Obamas für 2009 wird er auf 28,5 Prozent steigen. Zusammen mit den Ausgaben der Bundesstaaten und der Kommunen liegt die Staatsquote dann bei mindestens 46 Prozent.

    Hoven erwähnt nicht die besonderen Bedingungen der Wirtschaftskrise, die ja auch in Europa die Staatsausgaben für 2009 in die Höhe treiben. Das relativiert sicherlich die Zahlen für 2009.

    Aber Obamas Wirtschaftspolitik ist ja nicht nur für den Tag gemacht. Er nutzt die Krise, um via Subventionen die Wirtschaft zu steuern; Investitionslenkung nannten das die Linken in den siebziger Jahren.

    In welchem Ausmaß Obama die USA auf den Weg hin zu einer staatlich gelenkten Wirtschaft bringen will, habe ich Anfang Mai in diesem Artikel über Obamas Sonderberater Van Jones und seine Vision von einer "grünen Ökonomie" beschrieben.

    Dort zitiere ich auch Charles Krauthammer, der diesen radikalen Politikwechsel in den USA wieder einmal als einer der ersten erkannte; schon im Dezember 2008, als Obama noch gar nicht sein Amt angetreten hatte.



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    26. Juni 2009

    Zitat des Tages: Eine getürkte Meldung. Leber "Berliner Art"

    In Berlins Restaurants gibt es immer noch zu wenig genießbares Essen. Die Köche gelangen auch noch zu selten über das Niveau von Jägerschnitzel mit fettigen Pommes hinaus, so das Ergebnis der jüngsten Inspektionen in 152 Berliner Restaurants. Demnach gibt es auch noch zu selten den gezielten Versuch, wenigstens eine internationale Küche anzubieten.

    Die Inspektoren stellen den Restaurants unterm Strich jedoch ein positives Zeugnis aus: Die Speisekarte sei meist gut strukturiert, die Preisangaben eindeutig und gut lesbar. Die Teller und Bestecke seien meist sauber, die Räume böten ausreichend Sitzgelegenheiten.


    Kommentar: Diese Meldung (Hervorhebung von mir) ist getürkt. Oder genauer gesagt: Sie ist verfremdet. Ich habe eine dpa-Meldung von gestern, 19:51 Uhr, die ich aus Gründen des Copyrights nicht vollständig zitieren kann, ein wenig verfremdet.

    In der Meldung geht es um die Inspektion nicht von 152 Berliner Restaurants, sondern von 152 Berliner Schulen. Die Inspektoren kritisieren "immer noch zu wenig Anleitung zu selbstständigem [sic] Lernen", zu wenig Förderung der Medien- und Methodenkompetenz, zu seltene individuelle Förderung der leistungsstarken Schüler.

    Und dann heißt es: "Die Inspektoren stellen den Schulen unterm Strich jedoch ein positives Zeugnis aus". Denn der Unterricht sei gut strukturiert. Die Aufgaben, die den Schülern gestellt würden, seien "eindeutig und erfüllbar". Auch werde "die Zeit meist gut genutzt" und die Schulräume böten eine "förderliche Lernatmosphäre".

    Bei ihren zentralen Aufgaben versagen die Schulen, konstatieren die Inspektoren also. Das Essen der Restaurants ist beklagenswert. Aber immerhin - die Lehrer bereiten sich vor, sie fordern nichts, was die Schüler nicht bewältigen könnten, sie halten den Stundenplan ein und in den Räumen sieht es nett aus.

    Also ein positives Zeugnis. Die Leber "Berliner Art" wird schließlich auf sauberen Tellern serviert.



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    25. Juni 2009

    Zettels Meckerecke: Bravo, Dresden! Und eine UNESCO-Funktionärin ist "sichtlich bewegt"

    Es ist ja nicht nur die Brüsseler Bürokratie, die überall hineinzuregieren versucht. Darüber thront die Bürokratie aller Bürokratien, diejenige der UNO. Mit ihren vielen Organisationen, wie zum Beispiel der UNESCO.

    Diese nun also hat in ihrer Weisheit dem Elbetal bei Dresden heute den Status als Weltkulturerbe aberkannt. Die Bürokraten haben's gegeben (erst 2004 übrigens), die Bürokraten haben's genommen. Der Name der Bürokraten sei gelobt.

    Wegen der Waldschlößchen- Brücke, bekanntlich, ist das Elbetal nun also kein Weltkulturerbe mehr. Zwar gibt es sie noch gar nicht, diese Brücke. Aber die Dresdner haben sich erdreistet, sie zu planen, ohne auf die warnenden Stimmen aus der UNESCO zu hören. Das mögen Bürokraten gar nicht.

    Also haben sie sich hingesetzt und vor ihrem geistigen Auge entstehen lassen, oder auf ihrem Bildschirm, wie erschröcklich denn das Elbetal mit dieser Brücke aussehen würde. Also nix Kulturerbe mehr.

    Das einzig wirklich Ärgerliche an dieser Posse ist, daß deutsche Politiker - Tiefensee, Bernd Neumann, Steinmeier - mitspielen. Statt der UNESCO zu signalisieren, ihre verstaubte Ästhetik könne Deutschland gestohlen bleiben, übt man sich im Kotau.



    Und das einzige wirklich Ärgerliche an dieser Entscheidung der Beckmesser, die gerade im schönen Sevilla tagen, ist das Klischeehafte ihres Denkens.

    Daß eine architektonisch gelungene Brücke eine Landschaft auch bereichern kann; daß der Reiz einer Landschaft ja nicht in ihrer stilistischen Einförmigkeit, sondern gerade in der Vielfalt dessen besteht, was man ihn ihr antrifft; daß man beispielsweise den Reichstag in Berlin nicht verhunzt, sondern verschönert hat, als man ihm eine moderne Kuppel anfügte - das geht diesen Bürokraten nicht in den Schädel.

    Wahrscheinlich war auch noch niemand von ihnen im Hof des Louvre und hat gesehen, wie schön sich dort die moderne gläserne Pyramide einfügt.

    Aber darum ging es ja nicht. Es ging darum, daß die UNESCO entschlossen war, ihre Hoheit über das, was schön und förderungswürdig ist, durchzusetzen. Das wollen wir doch einmal sehen, ob die Stadt Dresden es wagt, sich unserer höheren ästhetischen Einsicht zu widersetzen - das ist die Denke solcher Banausen.

    "Sichtlich bewegt" sei sie gewesen, die Funktionärin María Jesús San Segundo, als sie die Entscheidung verkündete. Ich nehme an, vor Freude darüber, wieder einmal die Macht der UNESCO demonstriert zu haben.



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    Zettels Meckerecke: Solarstrom aus der Sahara? Und schon sind die Ideologen am Werk

    Warum soll man nicht in der Sahara Solarstrom erzeugen, der dann über Hochspannungsleitungen nach Europa gelangt?

    Wenn es technisch realisierbar ist, wenn es sich kaufmännisch rechnet, ist dagegen so wenig einzuwenden wie gegen den Bau neuer Atomkraftwerke. Wie man Energie erzeugt, ist schließlich eine technische und eine wirtschaftliche Frage.

    Ach nein, das ist sie nicht. Sondern in dieser zunehmend durchideologisierten Gesellschaft, in der wir leben, ist es eine Frage von Gut und Böse. Atomenergie ist böse, Solarenergie ist gut.

    Also wird nicht sachlich das Für und Wider abgewogen, sondern die grünen Ideologen begeben sich, sobald eine solche Frage auftaucht, sofort in ihre Schützengräben, aus denen sie ihre Salven gegen jeden abfeuern, der sachlich zu diskutieren versucht.



    Zu besichtigen an einem Interview zur Solarenergie aus der Sahara, das heute in "Spiegel- Online" erschienen ist. Unter Verantwortung des Ressorts Wirtschaft; aber wirtschaftliche Erwägungen kommen überhaupt nicht vor. Ob sich das Projekt rechnet, interessiert weder den anonymen Interviewer noch seinen Interviewpartner.

    Diesen freilich braucht es auch nicht zu interessieren. Wolfram Lacher ist nämlich kein Ökonom, sondern "Analyst beim internationalen Beratungsunternehmen Control Risks". Er wurde interviewt, um Auskunft geben, wie sicher eine solche Stromversorgung aus der Sahara wäre.

    Wägt er das Für und Wider ab, äußert er sich differenziert? Nein. Er reiht die Argumente aneinander, die für eine hohe Sicherheit sprechen. Das Interview will augenscheinlich gar nicht informieren, sondern es ist eines der Geschütze, mit denen aus den grünen Schützengräben gefeuert wird.

    Schon der Vorspann macht das klar:
    Lobbyisten behaupten, die Wüste sei terrorgefährdet. Unsinn, sagt Nordafrika- Experte Wolfram Lacher.
    Auf der einen Seite finstere "Lobbyisten", die etwas "behaupten". Auf der anderen Seite ein "Experte", der "sagt", wie es ist.

    Nun spricht er in dem Interview keineswegs von "Unsinn". Das hat sich der "Spiegel- Online"- Redakteur ausgedacht. Sondern er sagt, er halte die Gefahr terroristischer Anschläge "für nicht wahrscheinlich". Und: "Ich halte das Projekt Sahara- Sonne für ziemlich terrorresistent".

    Ziemlich. Daraus bastelt die Redaktion von "Spiegel- Online" die Überschrift "'Die Sahara-Sonne ist terrorresistent'".

    Ja, die Sonne freilich schon. Ob auch eine solche Anlage, ob auch die Hochspannungs- Leitungen, weiß niemand. Auch nicht der Experte Lacher, der das ja auch nicht behauptet. Man hat ihn zu einem Interview gebeten, in dem er offensichtlich vortragen sollte, was alles zugunsten einer sicherheitspolitischen Unbedenklichkeit gesagt werden kann. Das hat er getan.

    Einseitig genug. Aber was dann die Redaktion daraus gemacht hat - "Unsinn", "Die Sahara-Sonne ist terrorresistent" - , das dürfte er wohl nicht erwartet haben.

    Es gilt halt, aus den Schützengräben zu feuern. Es gilt, die öffentliche Meinung im Sinn der grünen Ideologen zu beeinflussen. Darin war "Spiegel- Online" schon immer sehr gut.



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    Zitat des Tages: Richard Herzinger zur Lage im Iran. Aber gestern wurde ein Brief Obamas an den Ayatollah Chamenei bekannt

    Vor allem aber muss die Vorstellung aufgegeben werden, der Westen habe sich mit einer Parteinahme gegen das Regime zurückzunehmen, um den Führern in Teheran keinen Vorwand zu geben, die Oppositionsbewegung als westlich gesteuert hinzustellen. Auf diese Vorstellung stützte sich die Zurückhaltung von US-Präsident Barack Obama, von der er jetzt endlich deutlich abzurücken beginnt.

    Richard Herzinger als Fazit einer vorzüglichen Analyse der Lage im Iran in "Welt- Online".

    Kommentar: Ich empfehle sehr den Artikel von Herzinger, der wie so oft mit den Illusionen seiner "linksliberalen" Kollegen souverän aufräumt.

    Was die Motive für Obamas Verhalten angeht, bedarf es aber einer Ergänzung, nein einer Korrektur: Es gab für Obamas "Zurückhaltung" ein ganz anderes Motiv als das von Herzinger genannte.

    Zwischen dem vierten und dem zehnten Mai dieses Jahres wurde - so wird undementiert berichtet - unter Vermittlung der Schweizer Botschaft in Teheran ein Schreiben zugestellt, in dem der Präsident Obama dem Ayatollah Chamenei eine "Kooperation auf regionaler und bilateraler Ebene" vorschlägt.

    An diesem Schreiben war monatelang gefeilt worden; nämlich seit Obamas Amtsantritt im Januar. Und jedenfalls der Entwurf vom Januar enthielt Zusicherungen (assurances), daß Washington "nicht den Sturz des Islamischen Regimes beabsichtigt".

    Nachdem er - sehr wahrscheinlich - gerade erst diese Garantie gegeben hatte (die er schon im Herbst 2007 als Kandidat in Aussicht gestellt hatte), konnte sich Obama ja nicht gut gegen das Regime aussprechen. Selbst wenn er es gewollt hätte. Nicht, solange dies das Regime gefährdet hätte und damit seiner Garantie widersprochen hätte.

    Einzelheiten mit Zitaten und Nachweisen in Zettels kleinem Zimmer.



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    24. Juni 2009

    Barack der Redner redet wieder. Aber woran ist die iranische Revolution gescheitert? Die Antwort von George Friedman

    Hätte die iranische Revolution siegreich sein können, wenn im Weißen Haus ein Präsident von Format regiert hätte, statt Barack der Redner?

    Eine Woche lang schien im Iran alles möglich zu sein. Das Regime wirkte unsicher, es schien zu wanken. In dieser Zeit duckte sich der amerikanische Präsident; er sah weg wie ein Passant, der miterlebt, wie jemand zusammengeschlagen wird, der aber so tut, als bemerke er nichts.

    Jetzt, nachdem alles entschieden ist, läuft der Redner Obama wieder zur gewohnten Hochform auf. "Dramatisch härter" sei er jetzt in seinen Äußerungen, schrieb Helen Kennedy gestern in den New York Daily News.

    Wie wir das von diesem Mann kennen, an dem alles nur Rhetorik ist, können jetzt, nachdem das Schicksal der Revolution besiegelt ist, die Worte gar nicht hochtrabend genug sein: "Appalled and outraged" sei man in den USA; erschüttert und zornig. Nun "trauert" er, der Präsident, der nichts tat; ja "herzzereißend" sei das Video vom Tod Neda Soltans.

    Und nun auf einmal gibt es auch Zuspruch: "... those who stand up for justice are always on the right side of history"; wer sich für Gerechtigkeit erhebe, sei immer auf der richtigen Seite der Geschichte. Das Regime, dem Barack Obama schon 2007 das Versprechen in Aussicht stellte, es nicht zu stürzen, hat ja auch gesiegt. Keine Rede mehr davon, daß die USA sich zurückhalten müßten, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie mischten sich ein.



    Vor Tisch las man's anders. Aber genug von diesem Präsidenten, der sich - ich habe es am Sonntag beschrieben - täglich mehr decouvriert. Er hat jedenfalls keine Hand gerührt, um die iranischen Demokraten zu unterstützen, solange sie eine Chance hatten zu siegen. Ob sie es mit der Unterstützung der USA geschafft hätten, wird man nie wissen.

    Gab es andere Ursachen für das Scheitern? In Stratfor hat George Friedman dazu einige Überlegungen angestellt.

    Revolutionen, schreibt Friedman, verlaufen in drei Phasen: Zuerst rebelliert ein kleines Segment der Bevölkerung, meist in der Hauptstadt. Dann breitet sich der Aufstand in andere Teile der Gesellschaft hinein und auf das flache Land aus. In der dritten Phase kann das Regime seines Militärs nicht mehr sicher sein. Wenn dann die Sicherheitskräfte nicht mehr gehorchen und zu den Aufständischen überlaufen, hat die Revolution gesiegt.

    Revolutionen scheitern, wenn sie nicht über die erste Phase hinausgelangen. Das, meint Friedman, sei in Peking 1989 der Fall gewesen. Und daran sei auch die Revolution im Iran gescheitert.

    Die internationale Berichterstattung habe übersehen, daß der Aufstand immer auf ein kleines Segment der Bevölkerung - die gut Ausgebildeten, die Studenten, die Twittering Classes - beschränkt geblieben sei. Die Revolutionsgarden, die jetzt den Aufstand niederschlagen, hätten für diese Personen so wenig Verständnis wie ein Boy aus einer Kleinstadt in Alabama für einen Wissenschaftler an der Universität Harvard.

    Aus der Sicht Friedmans findet der eigentliche Machtkampf im Iran zwischen zwei Fraktionen des Regimes selbst statt: Dem Klerus, der das Regime seit 1979 dominiert und der über die Jahre reich geworden ist; und auf der anderen Seite Ahmadinedschad, der diese herrschende Schicht als Anwalt der kleinen Leute bekämpft. Die westlich orientierten Städter, die jetzt Träger des Aufstands waren, seien nur eine kleine Fraktion, die von den beiden anderen in ihrem Machtkampf benutzt werde.

    In der Sicht Friedmans geht es also nicht um "Fundamentalisten" gegen "gemäßigte" oder gar "liberale" Kleriker wie angebich Rafsandschani. Es gehe um die Fleischtöpfe der Macht.



    Schwer zu beurteilen, ob Friedman recht hat. Wir wissen eben erschreckend wenig über den Iran. Friedmans Analyse hat etwas von einer Rückschau, in der man, nachdem man weiß, wie es ausgegangen ist, den Finger hebt und nachträglich erklärt, warum es so kommen mußte.

    Vor allem darüber, wie die Bevölkerung außerhalb der großen Städte denkt, ist kaum etwas bekannt. Und wie sich das Militär verhalten hätte, wenn die Revolution noch eine Woche länger hätte durchhalten können, weiß niemand.

    Zumindest vertretbar zu sein scheint mir die Ansicht, daß es eine Woche lang Spitz auf Knopf stand. Eine Revolution mit der Rückendeckung der USA hätte vielleicht eine wirkliche Chance zum Sieg gehabt. Aber die iranischen Demokraten hatten das Pech, daß jemand im Weißen Haus sitzt, dessen Politik - anders als die seines Vorgängers - nicht die Ausbreitung der Demokratie ist, sondern das Paktieren mit den Herrschenden.

    Vor allem denen in islamischen Ländern.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Hossein Mussawi. Vom Autor Mardetanha unter GNU Free Documentation License freigegeben.

    Marginalie: Kabinettsumbildung in Frankreich. Warum geht das nicht auch in Deutschland? Nebst einer Anregung für Schwarzgelb

    Als Präsident Sarkozy am Montag vor dem Congrès de Versailles sprach, einem Gremium aus den Abgeordneten der Nationalversammlung und den Senatoren, da erwähnte er mehrfach le prochain gouvernement, die kommende Regierung.

    Kommende? Ja, hat Frankreich denn nicht eine Regierung?

    Was Sarkozy meinte, das hat jetzt stattgefunden: Eine tiefgreifende Kabinettsumbildung, ein remaniement en profondeur, wie der Nouvel Observateur titelt.

    Premierminister François Fillon bleibt im Amt, wie auch Außenminister Kouchner. Insofern mögen die Ergebnisse dieses Stühlerückens in Deutschland wenig Interesse finden. Kurz also nur dieses:

    Die Allzweckwaffe Michèle Alliot- Marie, einst Verteidigungs-, dann Innenministerin, wechselt ins wichtige Justizministerium und erhält zugleich den Ehrentitel Ministre d'État, den außer ihr nur noch der Umweltminister Jean- Louis Borloo trägt. Dessen Ministerium wird um die Kompetenzen für das Meer, grüne Technologie und Klimaverhandlungen erweitert.

    Das zeigt den Sinn Sarkozys für das Populäre; ebenso, wie die Ernennung von Frédéric Mitterrand zum Kultusminister. Die Einbindung dieses Neffen des einstigen sozialistischen Staatspräsidenten ist wieder einmal eine Geste in Richtung Linke; wie schon nach Sarkozys Wahl die Ernennung des Sozialisten Kouchner zum Außenminister.

    Machtpolitisch wichtiger dürfte der Aufstieg des engen Vertrauten von Sarkozy Brice Hortefeux vom Arbeits- zum Innenminister sein. Und Stirnrunzeln wird es wohl auslösen, daß die schwarze Vorzeige- Frau Rama Yade ihr Amt als Beauftragte für Menschenrechte verliert; als Sportministerin bleibt sie aber im Kabinett. Das Amt wird abgeschafft.



    Nicht wahr, da könnte Angela Merkel neidisch werden?

    Als Michael Glos nicht mehr Wirtschaftsminister sein mochte, hat er nicht sie, die Kanzlerin, sondern seinen Parteivorsitzenden Seehofer gebeten, ihn von diesem Amt zu entbinden. Generell sind im heutigen Deutschland die Kabinettsposten eine Beute der Parteien, die bei den Koalitionsverhandlungen verteilt wird. Sie und nicht die Kanzlerin bestimmen, wer welches Amt erhält.

    Und theoretisch können Parteien natürlich auch "ihre" Minister zurückziehen. Das ist bisher aber noch nie vorgekommen. Wer in Deutschland einmal einen Ministersessel erhält, der hockt in der Regel die ganze Legislaturperiode lang darauf wie eine Glucke auf einem Gelege, in dem partout niemand schlüpfen will. Eher könnte die Kanzlerin einen schönen Sommer herbeizaubern, als daß es ihr gelingen könnte, ihr Kabinett umzubilden.

    Diese Situation ist keineswegs gottgegeben, noch nicht einmal von der Verfassung vorgesehen. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik waren Kabinettsumbildungen, manchmal in Anlehnung an die Diplomatensprache Revirements genannt, gang und gäbe. Es war selbstverständlich der Kanzler, der sie in eigener Verantwortung vornahm; wenn auch natürlich nicht ohne Anhörung der Vorsitzenden der Koalitionsparteien.

    Irgendwann ist das auf der Strecke geblieben, als die Bundesrepublik sich immer mehr in Richtung Parteienstaat entwickelte. Der "Koalitionsvertrag" - ein in der Verfassung so wenig vorgesehenes Dokument, wie diese einen "Koalitionsausschuß" kennt - bindet den Kanzler. Und er bindet ihn nicht nur in personeller Hinsicht, sondern die Gesetzesvorhaben der Regierung werden ja ebenso durch dieses seltsame Dokument festgelegt.

    Was tun? Eine unnatürliche Koalition nach den Wahlen, also eine Ampel, Jamaika oder noch einmal Schwarzrot, wird gar nichts tun. Eher wird man bei drei oder gar vier Partnern noch mehr Einzelheiten als bisher vertraglich festzurren, bevor es ans Regieren geht.

    Aber angenommen, wir haben Glück und bekommen nach dem 27. September eine schwarzgelbe Regierung - könnten dann zwei vernünftige, einander politisch nahestehende Parteien nicht auch die Größe aufbringen, sich von dieser Fesselung der Regierungsarbeit durch einen "Koalitionsvertrag" weitgehend zu befreien?

    Könnte man es nicht wieder so machen wie in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik: Man einigt sich in den Koalitionsverhandlungen über die Grundzüge der Regierungs- und Personalpolitik, hält das in einem Protokoll fest - und macht sich dann gemeinsam an die Arbeit?

    Spätere Kabinettsumbildung nicht ausgeschlossen.



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    Zitat des Tages: Sind "aktive Netzwerke und Suffixbäume weitgehend unvereinbar"? Lachen Sie nicht

    The synthesis of the Ethernet is a confusing grand challenge. Given the current status of knowledgebased archetypes, statisticians particularly desire the refinement of superpages, which embodies the practical principles of software engineering. In order to address this riddle, we investigate how web browsers can be applied to the construction of the Ethernet.

    We proceed as follows. We motivate the need for e-commerce. Along these same lines, to answer this quagmire, we concentrate our efforts on disconfirming that active networks and suffix trees are largely incompatible. To achieve this intent, we concentrate our efforts on confirming that the WorldWideWeb can be made electronic, empathic, and decentralized. Finally, we conclude.


    (Die Synthese des Ethernet ist eine verwirrende, große Herausforderung. Angesichts des gegenwärtigen Standes wissensbasierter Archetypen streben vor allem Statistiker die Verfeinerung von Superpages an, worin sich die praktischen Prinzipien des Software Engineering verkörpern. Um diesem Rätsel nachzugehen, untersuchen wir, wie Webbrowser zur Konstruktion des Ethernet verwendet werden können.

    Wir gehen folgendermaßen vor: Wir motivieren die Notwendigkeit des E-Commerce. Auf dieselbe Weise konzentrieren wir unsere Bemühungen, auf diesen Schlamassel zu reagieren, darauf, zu widerlegen, daß aktive Netzwerke und Suffixbäume weitgehend unvereinbar sind. Um diese Absicht zu realisieren, konzentrieren wir unsere Anstrengungen darauf, daß das WorldWideWeb elektronisch, empathisch und dezentralisiert gemacht werden kann. Zum Schluß folgern wir.)


    Zusammenfassung (Abstract) eines wissenschaftlichen Manuskripts, das - wie der Autor in dem Blog The Scholarly Kitchen berichtet - Anfang dieses Monats von der Fachzeitschrift für Dokumentation und Informatik The Open Information Science Journal zur Publikation angenommen wurde, nachdem es, so die Zeitschrift, von Fachleuten begutachtet worden war.


    Kommentar: Sie hatten, lieber Leser, Schwierigkeiten, diese Zusammenfassung zu verstehen?

    Vielleicht haben Sie nur meine Übersetzung gelesen, und ich hatte heute einen schlechten Tag als Übersetzer?

    Ich fürchte aber, auch diejenigen von Ihnen, die das englische Original gelesen haben, hatten ihre Schwierigkeiten.

    Das ist allerdings kein Wunder. Denn der Text ist reiner Nonsense. Generiert wurde er von der Software SCIgen, die der Doktorand Philip Meir Davis benutzte, einer der Autoren des "Manuskripts". Dieses Programm erzeugt grammatisch richtige Sätze, in die Wörter nach Zufall eingefügt werden.

    Solche Scherze sind inzwischen nicht selten, seit im Jahr 1996 der Physiker Alan Sokal ein solches Nonsense- Manuskript erfolgreich in einer sozialwissenschaftlichen Zeitschrift publizierte.

    Aber damals war das eben eine sozialwissenschaftliche Zeitschrift; und daß der Scherz gelang, wurde oft als Beleg dafür betrachtet, daß im Jargon der Dekonstruktivisten Sinn und Unsinn ohnehin nicht zu unterscheiden seien. Auch hatte die Zeitschrift Social Text damals kein Peer Reviewing, also die Begutachtung eingereichter Manuskripte durch Fachleute.

    Die Zeitschrift The Open Information Science Journal aber wendet sich an Informatiker; mit Beiträgen wie zum Beispiel diesen. Und sie erklärt ausdrücklich, daß die dort veröffentlichten Manuskripte einem Peer Reviewing unterzogen würden.

    Das müssen hier wohl Peers minderer Qualität gewesen sein. Der Herausgeber der Zeitschrift jedenfalls kündigte inzwischen seinen Rücktritt an. Das Manuskript sei vom Verlag Bentham Science Publishing ohne sein Wissen angenommen worden.



    Die Sache hat aber noch einen anderen Aspekt. Für Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften wird in der Regel kein Honorar bezahlt; aber auch die Autoren müssen für die Publikation nicht bezahlen. Es gibt jedoch Zeitschriften, die eine Bezahlung verlangen; oft wird sie mit der Verpflichtung des Autors kaschiert, eine bestimmte Zahl von Sonderdrucken zu kaufen.

    Der Doktorand Philip Meir Davis hätte für die Publikation seines Machwerks 800 Dollar zahlen müssen. Er ist dem allerdings entgangen, indem er, nachdem die Zusage eingegangen war, das Manuskript zurückzog. Begründung: "We have discovered several errors in the manuscript"; die Autoren hätten in dem Manuskript diverse Fehler entdeckt.



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    23. Juni 2009

    Zitat des Tages: "Es ist schlimm". Über Informationsmangel im Zeitalter weltweiter Kommunikation. Nebst Hinweisen auf Quellen zum Iran

    It’s bad. You’d prefer to have the information.

    (Es ist schlimm. Man hätte doch schon gern die Informationen).

    Ein hochrangiges Mitglied der US-Regierung, das nicht namentlich genannt werden wollte, gegenüber der New York Times über die Informationslage zum Iran.

    Kommentar: Wir haben uns in diesem Jahrhundert daran gewöhnt, jederzeit umfassend über alles informiert zu werden, was irgendwo auf der Welt geschieht. Selbst von den Vorgängen in China, auf Cuba und in den wenigen anderen verbliebenen Diktaturen meinen wir doch immerhin eine gewisse Vorstellung zu haben.

    Gut, Nordkorea ist ein ein kleiner weißer Fleck auf dieser Weltkarte umfassenden Informiertseins. Ein winziges, meist kaum bemerktes Skotom, sozusagen.

    Und nun der Iran. Mit einigen wenigen Maßnahmen - ausländischen Journalisten wird schlicht das Berichten verboten; die meisten werden ausgewiesen oder ihr Visum wird nicht verlängert - gelingt es einem totalitären Regime, nahezu perfekt zu verbergen, was im Land eigentlich vor sich geht.

    Es nicht nur gegenüber der Weltöffentlichkeit zu verschleiern, sondern auch gegenüber den Regierungen. Davon handelt der Bericht von Mark Landler und Mark Mazzetti in der heutigen New York Times, dem ich das Zitat entnommen habe.

    Die beiden Autoren haben sich in der Regierung Obama und bei ehemaligen Mitgliedern der Regierung Bush umgetan. Offiziell wollte sich kaum jemand äußern. Off the record aber erfuhren die Autoren, daß die US-Regierung offenbar weitgehend im Dunklen tappt:
    As President Obama and his advisers watch the drama unfolding in Tehran, they are having to cope with a frustrating lack of reliable information (...)

    With no diplomatic relations and with foreign journalists largely expelled from the country, an administration that was already struggling to make sense of Iran finds itself picking up tidbits about the crisis in the same ways private citizens do: viewing amateur videos on YouTube and combing posts on social networking sites like Twitter and Facebook.

    Während Präsident Obama und seine Berater dem Drama zusehen, das sich in Teheran entwickelt, müssen sie mit einem frustrierenden Mangel an zuverlässigen Informationen zurechtkommen. (...)

    Es fehlen die diplomatischen Beziehungen. Ausländische Journalisten wurden weitgehend des Landes verwiesen. So findet sich eine Administration, die ohnehin damit kämpft, sich ein Bild vom Iran zu machen, in der Situation, daß sie häppchenweise Informationen über die Krise sammelt; und zwar genauso, wie das der Privatmann tut: Indem man sich Videos auf YouTube ansieht und Beiträge zu sozialen Netzen wie Twitter und Facebook miteinander kombiniert.
    Der Bericht geht dann auf die Möglichkeiten ein, die es für die US-Regierung gibt, Informationen auf anderen Wegen zu gewinnen. 2006 hat Präsident Bush im US-Konsulat in Dubai eine kleine Gruppe - gerade mal ein halbes Dutzend Mann - einrichten lassen, die Informationen über den Iran sammeln soll. Im CIA gibt es eine Iran- Abteilung, von deren Spionen und V-Leuten vor Ort aber viele gefaßt und gefangengesetzt oder hingerichtet wurden.

    Vor allem aber, berichtet die New York Times, würden zu wenige Informationen über die Machtstruktur, über politische und gesellschaftliche Trends im Iran gesammelt. Die Dienste seien überwiegend damit ausgelastet, Informationen zu besorgen, die kurzfristig für die Truppen im Irak und in Afghanistan benötigt würden.



    Berichte wie dieser der New York Times können einen schon ernüchtern. Man stelle sich das vor - die Regierung des mächtigsten Landes der Welt guckt YouTube und liest Twitter, um etwas darüber zu erfahren, was eigentlich im Iran vorgeht!

    Das können, wer weiß, interneterfahrene Blogger am Ende besser als die Schlapphüte in Washington. In der Tat habe ich den Eindruck, daß man - sofern man die Zeit dazu hat - sich durch Blogs so gut über die Lage und die Vorgänge im Iran informieren kann, wie das unter den gegebenen Bedingungen überhaupt möglich ist. Dazu nun ein paar Hinweise:

    Auf die beiden trotz der Namen deutschsprachigen Blogs Wind in the Wires und Free Iran Now habe ich schon am Samstag aufmerksam gemacht. Auch im teilweise von Exilpersern geschriebenen Blog Iran Baham Blog findet man aktuelle Informationen. Zuverlässig und kompetent wie immer berichtet auch das Transatlantic Forum seit Beginn des Aufstands über den Iran.

    Besonders hervorheben möchte ich The Outside of the Asylum, auch dies ein deutschsprachiger Blog. Dort hat zum Beispiel gestern Califax den besten Überblick über die aktuelle Entwicklung gegeben, den ich irgendwo gelesen habe.

    Auch in "Zettels kleinem Zimmer" berichten Califax und andere, die die Lage im Iran beobachten, fortlaufend über das Neueste aus dem Iran.

    Und dann gibt es die zahlreichen englischsprachigen Blogs. Eine Liste findet man zum Beispiel in Free Iran Now. Hervorheben möcht ich The Daily Dish von Andrew Sullivan.



    Nachtrag um 21.45: Die Termine für die Demonstrationen an den kommenden Tagen hat in "Zettels kleinem Zimmer" Popeye hier zusammengestellt.



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    22. Juni 2009

    Kurioses, kurz kommentiert: "Weder Verdienste noch Leistungen spielen eine Rolle". Wie sich der Berliner Bildungssenator Gerechtigkeit vorstellt

    Zöllner: Ganz allgemein garantiert das Los eine völlige Gleichbehandlung. Das ist die wissenschaftliche Umsetzung des Zufallsprinzips: Bei der Entscheidung spielen andere Faktoren keine Rolle, weder Verdienste noch Leistungen.

    SPIEGEL ONLINE: Ist es nicht ungerecht, wenn leistungsstarke Kinder, die sich angestrengt, aber wenig Losglück haben, nicht an ihre Wunschschule dürfen, weil weniger begabte oder faule mit mehr Glück ihnen den Platz wegschnappen?

    Zöllner: Ich halte es für gerecht, dass jeder die gleichen Chancen bekommt.


    Aus einem Interview von "Spiegel-Online" mit dem Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner. Es geht um den Beschluß der Volksfront- Regierung Berlins, dort künftig 30 Prozent der Plätze an Gymnasien unter allen Bewerbern zu verlosen.

    Kommentar: Als Califax vor zwei Wochen auf dieses Vorhaben aufmerksam machte, habe ich das zunächst für einen Witz gehalten. Es war aber keiner; und in "Zettels kleinem Zimmer" gab es dann über dieses für die Betroffenen gar nicht witzige Gesetz eine lebhafte Diskussion.

    Ich greife das Thema jetzt noch einmal auf, weil die Äußerungen des Senators Zöllner ein Schlaglicht darauf werfen, was die Volksfront unter Gerechtigkeit versteht. Nämlich das Gegenteil von dem, was wir normalerweise darunter verstehen.

    Wann sehen wir beispielsweise den Ausgang eines Fußballspiels als gerecht an? Wenn die bessere Mannschaft gewinnt.

    Nach dem Gerechtigkeitsbegriff des Senators Zöllner ist das aber überhaupt nicht gerecht. Gerecht wäre es, wenn der Schiedsrichter nach dem Spiel eine Münze werfen würde, um zu entscheiden, wer die Punkte bekommt. Bei Adler die Heimmannschaft, bei Zahl die Gäste. Und wenn die Münze auf der Kante stehen bleibt, dann werden die Punkte geteilt.

    So stellt sich dieser Senator, stellen sich offenbar die Sozialdemokraten und Kommunisten dieses Berliner Senats soziale Gerechtigkeit vor. Leistung soll keine Rolle spielen. Die wahre Gerechtigkeit ist erst dann erreicht, wenn es den Dummen und Faulen genauso gut geht wie denen, die begabt sind, die sich anstrengen und etwas leisten.

    Alle sollen sie dieselbe Chance haben, aufs Gymnasium zu gehen. Freilich ist das erst ein Anfang. Vorerst kommen nur 30 Prozent in den Genuß der wahren Gerechtigkeit. Die Kommunisten hatten - im Einvernehmen mit dem Gerechtigkeits- Theoretiker Zöllner - 50 Prozent gefordert. Und noch soll es nur beim Zugang zum Gymnasium gerecht zugehen. Konsequent wäre es, dort dann auch die Noten zu verlosen.

    Konservative und liberale Kritiker haben den Sozialisten und Kommunisten schon immer vorgeworfen, daß sie diesen egalitären Begriff von sozialer Gerechtigkeit haben. Aber daß einer von ihnen, noch dazu einer ihrer führenden Bildungspoltiker, es so ungehemmt sagt, das finde ich schon kurios.



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    Zitat des Tages: "Ein Versprechen, keinen Regimewechsel anzustreben". Der Kandidat Obama im Jahr 2007 über seine Iranpolitik als Präsident

    Senator Barack Obama says he would "engage in aggressive personal diplomacy" with Iran if elected president and would offer economic inducements and a possible promise not to seek "regime change" if Iran stopped meddling in Iraq and cooperated on terrorism and nuclear issues. (...)

    "We are willing to talk about certain assurances in the context of them showing some good faith," he said in the interview at his campaign headquarters here. "I think it is important for us to send a signal that we are not hellbent on regime change, just for the sake of regime change, but expect changes in behavior. (...)"


    (Senator Barack Obama erklärt, daß er sich im Fall seiner Wahl zum Präsidenten "in energischer persönlicher Diplomatie" gegenüber dem Iran engagieren würde. Er würde wirtschaftliche Anreize und die Möglichkeit eines Versprechens anbieten, keinen "Regimewechsel" anzustreben, falls der Iran sich nicht mehr im Irak einmischt und beim Terrorismus sowie in Sachen Atomenergie zur Zusammenarbeit bereit ist. (...)

    "Wir sind willens, im Zusammenhang damit, daß sie einen gewissen guten Willen zeigen, bestimmte Zusicherungen zu geben", sagte er in dem Interview in seinem hiesigen Wahlkampfzentrum. "Ich glaube, es ist wichtig, ein Signal zu übermitteln, daß wir nicht darauf versessen sind, einen Regimewechsel um des Regimewechsels willen zu erreichen, daß wir aber Änderungen im Verhalten erwarten. (...)").


    Aus einem Bericht der New York Times vom 2. November 2007 über ein Interview mit dem damaligen Senator und Präsidentschaftskandidaten Barack Obama.


    Kommentar: Es ist diesmal also nicht taufrisch, das "Zitat des Tages". Aber aktuell scheint es mir schon zu sein.

    Der Kandidat Obama wollte dem Regime der Mullahs das "Versprechen" und "Signale" anbieten, daß die USA nicht an seinem Sturz arbeiten würden.

    Mir scheint, das macht das jetzige Verhalten des Präsidenten Obama verständlicher.



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    21. Juni 2009

    Marginalie: Wie wird man Revolutionsführer? Mussawi, Washington, Dubček

    Es gibt, grob gesprochen, zwei Arten von Revolutionären.

    Die einen bereiten sich gezielt, oft viele Jahre lang, auf die Revolution vor und warten auf ihre Stunde. Sie wissen dann, was sie wollen; sie verwirklichen das, was sie sich im Untergrund, im Wartestand sozusagen, ausgedacht hatten. Lenin, Mao, Ho Tschi-Minh, Pol Pot waren Revolutionäre dieses Typus.

    Es gibt aber auch die anderen, denen nicht in die Wiege gelegt war, daß sie einmal zum Führer einer Revolution werden würden.

    Der aristokratische Pflanzer George Washington wurde 1775 zum Oberkommandierenden der Continental Army ernannt; vielleicht nicht gegen seinen Willen, aber jedenfalls trotz seines Zögerns. Am Ende wurde er der Führer der Amerikanischen Revolution und der erste Präsident der ersten modernen Republik.

    Andere waren treue Diener des Systems gewesen, gegen das sie dann eine Revolution anführten.

    Imre Nagy, der Führer der gescheiterten ungarischen Revolution von 1956, war ein Altkommunist, der schon an der Oktoberrevolution teilgenommen und in der Roten Armee gedient hatte. Pál Maleter, der wie er nach dem Scheitern des Aufstands von den Kommunisten ermordet wurde, hatte als kommunistischer Untergrundkämpfer gegen die Nazis gekämpft.

    Ähnlich war es beim gescheiterten "Prager Frühling" von 1968. Deren Held Alexander Dubček war in der Sowjetunion aufgewachsen, hatte die Parteischule in Moskau besucht, in der ČSSR eine lupenreine Funktionärs- Karriere hinter sich gebracht und bis zum Januar 1968, als er zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei aufstieg, nie etwas anderes gewollt als die Herrschaft der Kommunistischen Partei. Sein Mitstreiter Ludvik Svoboda, Staatspräsident während des "Prager Frühlings", hatte es in der Roten Armee bis zum Brigadegeneral gebracht und besaß die sowjetische Staatsbürgerschaft.

    Ähnlich ist es jetzt - Ulrike Putz macht heute in "Spiegel-Online" darauf aufmerksam - mit Hossein Mussawi; Islamist der ersten Stunde, Weggefährte des Ayatollah Khomeini, hoher Funktionär in diversen Staatsämtern der Islamischen Republik. Und jetzt Anführer derer, die dieses Regime bekämpfen.



    Wie wird man ein Revolutionär dieses Typus? Es gibt da wohl eine eigenartige Dynamik.

    Die betreffenden Personen zeichneten sich schon zuvor durch eine gewisse Eigenwilligkeit, eine Selbständigkeit des Denkens aus. Das veranlaßte sie, Reformen anzustreben.

    Damit werden sie populär. Sie treten sozusagen in den Dialog mit dem Volk ein. Und dessen Vertrauen, die Hoffnung, die es in diese Personen setzt, scheint sie nicht nur zu beflügeln, sondern auch ihr Denken zu verändern. Sie radikalisieren sich, auch wenn sie schon im fortgeschrittenen Alter sind. Es gibt für sie kein Zurück mehr. Mag sein, daß sie sich auch selbst an der revolutionären Stimmung berauschen, die das Volk in einer solchen Situation erfaßt.

    Freilich - sind diese Revolutionäre wider Willen auch erfolgreiche Revolutionäre? George Washington war es. Die meisten anderen nicht. Und auch Hossein Mussawi scheint nicht derjenige zu sein, der den im Iran Herrschenden ein Widerpart sein kann.

    Gestern habe ich drei mögliche Entwicklungen im Iran skizziert und geschrieben, daß ich einen Mißerfolg der gestrigen Demonstration für das Wahrscheinlichste halte.

    Diese hatte einerseits nicht mehr den Zulauf wie die vorausgegangenen Demonstrationen und ist andererseits mit äußerster Brutalität niedergeschlagen worden. Ich fürchte, sie war ein Mißerfolg, und das Regime hat sein Ziel erreicht.

    Hossein Mussawi wird vielleicht, wenn er Glück hat, aus der Politik ausscheiden und wieder als Architekt und Maler arbeiten dürfen. Wenn er Pech hat, trifft ihn die Rache der Mullahs.



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    Zitate des Tages: "Der Unterschied zwischen Ahmadinedschad und Mussawi ist gar nicht so groß". Das beschämende Verhalten des Präsidenten Obama

    Although there is amazing ferment taking place in Iran, the difference between Ahmadinejad and Mousavi in terms of their actual positions may not be as great as has been advertised.

    (Wenn es im Iran auch erstaunlich gärt, dürfte der Unterschied zwischen Ahmadinedschad und Mussawi, was ihre tatsächlichen Positionen angeht, nicht so groß sein, wie es an die Wand gemalt wird).

    Präsident Barack Obama laut Washington Post am Dienstag vergangener Woche gegenüber CNBC.


    To say there's not a bit of difference between the two candidates is beside the point. The Iranian people, obviously, think there's some difference, or tens or hundreds of thousands of them wouldn't be in the streets.

    (Zu behaupten, daß es kein bißchen von einem Unterschied zwischen den beiden Kandidaten gebe, geht an der Sache vorbei. Das iranische Volk sieht offenbar schon einen Unterschied, sonst wären Zehn- oder Hunderttausende ja nicht auf der Straße.)

    Senator John McCain am Mittwoch laut derselben Quelle als Antwort auf die Aussage Präsident Obamas.


    Millions of Iranians take to the streets to defy a theocratic dictatorship that, among its other finer qualities, is a self- declared enemy of America and the tolerance and liberties it represents. The demonstrators are fighting on their own, but they await just a word that America is on their side. And what do they hear from the president of the United States? Silence. Then, worse. Three days in, the president makes clear his policy: continued "dialogue" with their clerical masters.

    (Millionen Iraner gehen auf die Straße, um der theokratischen Diktatur die Stirn zu bieten, die neben ihren anderen edleren Eigenschaften der selbsternannte Feind Amerikas und der Toleranz und der Freiheiten ist, für die es steht. Die Demonstranten kämpfen auf sich allein gestellt, aber sie warten auf doch wenigstens ein Wort, daß Amerika auf ihrer Seite steht. Und was hören sie vom Präsidenten der Vereinigten Staaten? Schweigen. Und schlimmer: Nach drei Tagen macht der Präsident seine Politik deutlich - Fortführung des "Dialogs" mit ihren Herren aus dem Klerus.)

    Charles Krauthammer am Freitag in seiner Kolumne in der Washington Post


    Kommentar: Die angemessene Bezeichnung für das Verhalten Präsident Obamas ist das Wort "beschämend".

    Ausgerechnet dieser Mann, der ständig von Moral spricht, versagt in der ersten Situation in seiner Präsidentschaft, die es verlangt hätte, moralisches Rückgrat zu zeigen. Er eiert herum, er will sich nicht festlegen, er zeigt eine erbärmliche Variante von dem, was auch im Englischen "Realpolitik" genannt wird.

    Oder genauer: Eine Woche lang hat er sich so verhalten. Über eine Woche hinweg, in der eine klare Stellungnahme der USA der Opposition hätte Mut machen, in der sie die Machthaber vor einem harten Durchgreifen hätte warnen können.

    Und jetzt, ausgerechnet jetzt, nachdem Chamenei in seiner Freitagspredigt verkündet hat, daß die Würfel zugunsten einer harten Lösung gefallen sind - jetzt auf einmal kommt Obama aus der Deckung und gibt den Verteidiger der Menschenrechte.

    Für mich bestätigt dieses Verhalten das Bild von diesem Mann, das ich im Lauf des Wahlkampfs gewonnen habe: Obama ist ein Opportunist, ein - so habe ich ihn in diesem Artikel genannt - Chamäleon, das sich jeder Umgebung, jeder Situation perfekt anpaßt.

    Solange er damit rechnen konnte, daß die Proteste nach ein paar Tagen unter der Kontrolle des Regimes sein würden, tat er nichts, um sie zu ermutigen. Er konnte erwarten, dafür die Zustimmung der Mehrheit der Amerikaner zu haben. Jetzt schlägt das Regime brutal zu, und die Öffentliche Meinung in den USA reagiert darauf.

    Und auf diese Öffentliche Meinung reagiert er nun seinerseits, der Präsident Obama. Jetzt, nachdem es vermutlch zu spät ist, wo eine Ermunterung der Opposition dieser kaum noch helfen kann - allenfalls um den Preis eines blutigen Aufstands -, stellt sich dieser Präsident auf einmal auf ihre Seite.

    Nein, er denkt so wenig an die Demokraten im Iran wie im Lauf der vergangenen Woche. Er denkt aber an seine Popularität bei den Amerikanern.



    Noch ein Satz aus der Kolumne von Charles Krauthammer: "This from a president who fancies himself the restorer of America's moral standing in the world". - "Dies von einem Präsidenten, der sich einbildet, derjenige zu sein, der Amerikas moralisches Ansehen in der Welt wieder herstellt".



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    20. Juni 2009

    Marginalie: Nachrichtensperre im Iran. Wird der Machtkampf heute entschieden? Mit einem Nachtrag

    In diesen Stunden entscheidet sich wahrscheinlich, wie der Machtkampf im Iran ausgehen wird.

    Eine von zwei geplanten Demonstrationen in Teheran ist für 16 Uhr Ortszeit angekündigt, also 13.30 MEZ. Sie wurde von der Polizei offiziell verboten. Wie CNN berichtet, verbreiten die staatlichen Medien die Nachricht, die Demonstration sei daraufhin abgesagt worden.

    Ebenfalls laut CNN dürfen ausländische Journalisten jetzt überhaupt nicht mehr frei berichten; jeder einzelne Bericht muß angemeldet werden und wird zensiert. SMS-Dienste sind abgeschaltet, zahlreiche WebSites blockiert. Das Telefon funktioniert nur noch zum Teil.

    Der zentrale Platz in Teheran, an dem eine der beiden Demonstrationen stattfinden soll, ist von Polizei umstellt.

    Wie CNN soeben meldet, haben mindestens zwei oppositionelle Organisationen ihre Teilnahme an der Pro- Mussawi- Demonstration abgesagt. Die Veranstalter halten aber, soweit bisher bekannt, an der Durchführung fest.

    Twitter ist offenbar noch zugänglich. Dort hat heute eine Iranerin den Vorschlag gemacht, daß alle Teilnehmer an der Demonstration einen Koran bei sich tragen und ihn hochhalten sollten. Das würde sie vor Schüssen der Sicherheitskräfte schützen, weil es eine Todsünde sei, einen Menschen zu töten, der den Koran hochhält.

    Kommentar: Seit faktisch eine Nachrichtensperre verhängt wurde, ist es noch schwerer als schon während der ganzen vergangenen Woche, zu beurteilen, was wirklich im Iran vor sich geht. Joe Klein, Kolumnist von Time Magazine, sagte gestern in CNN, niemand könne vorhersagen, wie sich die Lage entwickeln werde.

    Soweit ich sehe, könnte es eine von diesen drei Entwicklungen geben:
  • Es findet eine große Demonstration statt, und es kommt nicht zu einer blutigen Repression. Dann hat die Opposition ihren wichtigsten Sieg errungen und gute Chancen, einen Macht- wenn nicht einen Systemwechsel zu erreichen.

  • Es findet eine große Demonstration statt, die blutig unterdrückt wird. Dann ist die Lage völlig offen. Entscheidend dürfte dann sein, ob das Militär dem Regime die Treue hält oder in Teilen zur Opposition überläuft.

  • Die heutigen Demonstrationen werden zu einem Mißerfolg. Nach den massiven Drohungen bleibt die Zahl der Teilnehmer gering, oder die Demonstrationen werden ganz abgesagt. Dann hat Chamenei gewonnen. Ich halte das für die wahrscheinlichste Entwicklung.



  • Soeben (13.30 Uhr) zeigte Al Jazeera ein Statement des stellvertretenden Polizeichefs von Teheran, der bündig erklärte, daß jede heutige Demonstration illegal sei und mit Polizeigewalt aufgelöst werde.

    Auf CNN sagte Christiane Amanpour, die bisher im Iran war und jetzt in London ist, aus Telefonaten mit Teheran entnehme sie, daß Viele zögerten, sich jetzt noch der Gefahr einer Teilnahme auszusetzen.



    Nachtrag um 20.45 Uhr: Inzwischen gibt es Berichte über die heutigen Ereignisse, die zusammenfassen, was aus persischen Quellen zu erfahren ist. Besonders informativ ist der Artikel in Wind in the Wires, der auch bei Free Iran Now zu lesen ist, das ich bei dieser Gelegenheit als Quelle für Nachrichten aus dem und über den Iran empfehlen möchte. (Beide Blogs trotz der Titel deutschsprachig).

    Was die drei oben genannten möglichen Entwicklungen angeht: Die erste ist leider offensichtlich nicht eingetreten. Was passiert ist, scheint irgendwo zwischen der zweiten und der dritten Möglichkeit zu liegen. Wieviele Menschen tatsächlich demonstriert haben und wie schwer die Repression war, ist trotz dessen, was aus dem Iran durchsickert, noch weitgehend unklar.

    Neue Informationen findet man fortlaufend auch in Zettels kleinem Zimmer.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Mr. Moe von der "Zeitung für Schland", auf dessen Aktion ich aufmerksam machen möchte.

    Neues aus der Forschung (3): H1N1 - Ursprung und Karriere eines Virus

    Als die Schweinegrippe in die Schlagzeilen kam, dauerte es nicht lange, bis der Verdacht geäußert wurde, das Virus H1N1 stamme aus einem Labor, dem es sozusagen entkommen sei. Solche Gerüchte sind vermutlich unvermeidlich, denn in ihnen realisiert sich das Klischee, äußert sich auch die Urangst vor der wildgewordenen Wissenschaft, die uns alle gefährdet. Doktor Mabuse lebt; er ist vermutlich ebenso unsterblich wie Dr. Caligari und der Viktor Frankenstein.

    In den Labors ist zwar H1N1 nicht entstanden; aber in Labors weltweit sucht man seit Ausbruch der Seuche herauszufinden, wo es denn eigentlich herkommt.

    Und das ist die Geschichte von einer detektivischen Forschungsarbeit. In der aktuellen Ausgabe von Science News (Bd. 175, Nr. 13; 20. Juni 2009, S. 12) schildert Tina Hesman Saey einen Teil dieser Geschichte; einen anderen Teil hat in der Internet-Ausgabe der Zeitschrift Laura Sanders beschrieben.



    Wie kann man herausfinden, wie ein Virus entstanden ist? Im Prinzip ist diese Aufgabe vergleichbar der Rekonstruktion der Evolution von Tieren oder Pflanzen.

    Das Grundprinzip ist, daß man Ähnlichkeiten ermittelt, aus ihnen auf Verwandschaft schließt und aus dem Grad der Verwandschaft wiederum so etwas wie einen Stammbaum rekonstruiert.

    Geschwister sind einander ähnlicher als Vettern; Vettern erstens Grades mehr als Vettern zweiten Grades. Das gilt nicht nur für das Aussehen, also den Phänotypus, sondern auch für den Genotypus. Je enger man verwandt ist, umso mehr genetische Übereinstimmungen gibt es.

    Also läßt sich im Umkehrschluß aus genetischen Übereinstimmungen auf die Enge der Verwandtschaft schließen. Man kann das für einzelne Menschen tun, aber auch für ganze Populationen. Die Paläoanthropologie nutzt solche genetischen Analysen, um zum Beispiel die Wanderungswege der Frühmenschen zu rekonstruieren.

    Ähnlich geht man bei Viren vor. Man kann nicht nur Verwandtschaften analysieren, sondern man kann sogar in Realzeit zurückrechnen, weil bekannt ist, wie oft es im Schnitt zu Mutationen kommt. Je mehr Mutationen zwischen zwei Varianten eines Virus liegen, umso größer ist also wahrscheinlich der zeitliche Abstand zwischen ihrer jeweiligen Entstehung.



    Was hat man nun mit dieser Methodik über den Ursprung und die Karriere des Virus der Schweinegrippe H1N1 herausgefunden?

    Am Anfang stand vermutlich die Spanische Grippe von 1918. Drei Gene von H1N1 - darunter das Hemagglutinin- Gen (das H in H1N1) - gehen auf sie zurück.

    Diese Gene haben sich relativ unverändet in einem Schweinevirus gehalten. Dort gibt es weniger Mutationen, weil Schweine nur ein kurzes Leben haben. Mutationen an Viren entstehen nämlich vorzugsweise dann, wenn ein Organismus, der bereits immunisiert ist, erneut infiziert wird und das Virus sich dann ändert und dadurch das Immunsystem überwinden kann. Für eine Reinfektion reicht ein Schweineleben selten.

    Dieses ursprüngliche Virus also hielt sich seither in Schweinen, ohne bemerkt zu werden. Es hatte nicht jene Merkmale des damaligen Erregers der Spanischen Grippe - und inzwischen des Vogelgrippe- Virus H5N1 -, die deren Überspringen auf den Menschen ermöglichten. Diese könnten eher von einem anderen Virus stammen, das H1N5 ähnlich ist und das vermutlich 1979 von Vögeln auf Schweine übersprang.

    H1N1 ist also ein rechter Bastard. Eine Variante, die mit der jetzigen zu mehr als 90 Prozent übereinstimmt, dürfte in Populationen von Schweinen seit 9 bis 17 Jahren existiert haben. Die jetzige Variante scheint entstanden zu sein, als sich eine Variante, die in Nordamerika verbreitet war, mit einer Variante verband, die aus dem eurasischen Raum stammt. Vermutlich geschah das, als lebende Schweine von Amerika nach Europa oder umgekehrt transportiert wurden.



    Diese Geschichte vom Ursprung und der Karriere eines Virus illustriert, wie ungeheuer mutationsfähig Viren sind. Sie ändern sich spontan, sie nehmen aber auch Gene von anderen Viren auf.

    Diese Mutationsfähigkeit ist für sie ungefähr so lebenswichtig wie für den Hochstapler die Fähigkeit zur Verstellung. Denn ein Virus, das sich nicht ändert, ist bald ein Opfer der Immunabwehr. Nur Änderung sichert ihm einen Vorsprung vor dieser, bis sie aufgeholt und die passenden Antikörper entwickelt hat.

    Das nun führt zu einer praktischen Konsequenz: Die Gefahr, die aus der Schweinegrippe kommt, ist keineswegs gebannt. Im Augenblick ist H1N1 nur hochinfektiös - die Gefahr einer Ansteckung ist groß, weil es in unserem Immunsystem an Antikörpern fehlt -, aber es ist nur schwach pathogen (führt in der Regel nicht zu einer schweren Erkrankung oder gar zum Tod). Aber mit jeder Mutation kann die Pathogenität drastisch zunehmen. Und die Immunabwehr ist dann immer noch schwach gegen H1N1.

    Am besten wäre es, wenn wir jetzt alle an der gegenwärtigen leichten Form erkranken würden; dann wären wir sehr wahrscheinlich gegen eine mögliche schwere Form der Schweinegrippe geschützt.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Galileo Galilei, gemalt im Jahr 1605 von Domenico Robusti. Ausschnitt

    19. Juni 2009

    Zitat des Tages: "Schmutzige Zionisten". Auszüge aus der Freitagspredigt des Ayatollah Chamenei

    The enemies are trying through their media - which is controlled by dirty Zionists.(...)

    The race has ended. Whoever has voted for these candidates will receive divine reward. They all belong to the state. (...)

    The legal mechanism in our country won't allow any cheating. Those are involved in the election process are aware of this fact.

    Just observe the hands of the enemy. They are hungry wolves ambushing and removing the diplomacy cover from their faces. (...)

    It was said on behalf of the US president that he was waiting for a day that people came out to streets. Inside the country their agents started their action, they started to cause riots in the street, they caused destruction, burnt houses, theft and insecurity prevailed. The people felt unsafe and insecure. This has nothing to do with supporters of the candidate, this is the servants of the westerners.


    (Die Feinde versuchen es mittels ihrer Medien - die von schmutzigen Zionisten kontrolliert werden. (...)

    Der Wettbewerb ist zu Ende. Wer für diese Kandidaten gestimmt hat, der wird von Gott belohnt werden. Sie alle gehören zum Staat. (...)

    Die gesetzlichen Mechanismen in unserem Land machen keinerlei Betrug möglich. Wer am Wahlvorgang beteiligt war, der kennt diese Tatsache.

    Blicken Sie nur auf die Hände des Feindes. Sie sind hungrige Wölfe, die im Hinterhalt liegen und die diplomatische Maske vom Gesicht nehmen. (...)

    Im Namen des amerikanischen Präsidenten wird gesagt, daß er auf den Tag wartete, an dem die Menschen auf die Straße gehen würden. In unserem Land begannen ihre Agenten ihre Aktion, sie begannen, Aufruhr auf den Straßen zu verursachen, sie verursachten Zerstörung, zündeten Häuser an, es breiteten sich Diebstahl und Unsicherheit aus. Die Menschen fühlten sich unsicher und ungeschützt. Das hat nichts mit den Unterstützern der Kandidaten zu tun; dies sind die Lakaien des Westens.)


    Aus der heutigen Freitagspredigt des Ayatollah Chamenei. Den Text habe ich in PasteBay gefunden. Er ist lückenhaft und basiert teils auf dem persischen Original, teils auf der Simultanübersetzung in dem iranischen Propagandasender Press TV.

    Kommentar: Die Hinhaltetaktik hat also eine Woche gehalten. Chamenei fühlt sich jetzt stark genug für die Konfrontation.

    Bemerkenswert ist, wie völlig im Hintergrund Ahmadinedschad bleibt. Chamenei erwähnte ihn nicht (anders als zum Beispiel Rafsandschani). Man sah ihn in der Übertragung betend, knieend, in der ersten Reihe. Seit seiner Rückkehr aus Rußland ist er ansonsten nicht in der Öffentlichkeit aufgetreten.

    Chamenei scheint entschlossen, den Demonstrationen ein Ende zu machen. Daß er sein Vertrauen in Ahmadinedschad setzt, sehe ich im Augenblick nicht. Chameneis Strategie ist es offenbar, die Unruhen als das Werk von Zionisten hinzustellen und die nationale Einheit zu betonen.

    Eine Möglichkeit ist, daß er Mussawi und den anderen Kandidaten - und vor allem Rafsandschani, den er ausdrücklich lobte - ein Angebot macht, sie an der Macht zu beteiligen, wenn sie vorläufig den "Sieg" Ahmadinedschads anerkennen. Haben sich die Wogen erst einmal geglättet, kann man diesen immer noch aus dem Verkehr ziehen.

    Jedenfalls ist das Regime zum Kampf entschlossen; daran ließ diese Predigt keinen Zweifel.



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    Marginalie: Wie sehen die Israelis Obamas Politik? Eine aktuelle Umfrage

    Von den jüdischen Wählern in den USA haben im vergangenen November 77 bis 78 Prozent für Barack Obama gestimmt. Ob sie dabei auch an die Interessen des Staates Israel gedacht haben?

    Heute erschien in der Jerusalem Post eine Umfrage, in der 500 jüdische Israelis befragt wurden. Eine der Fragen lautete, ob Obama pro-Israel, pro-Palästinenser oder neutral sei.

    36 Prozent hielten Obamas Nahostpolitik für neutral. 50 Prozent sahen sie als pro-Palästinenser an. Ganze 6 Prozent entschieden sich für die Antwort "pro-Israel".

    Das mag eine Momentaufnahme sein; mit beeinflußt durch die Kairoer Rede Obamas und Netanyahus Antwort darauf. Aber daß Obama jedenfalls kein zweiter George W. Bush ist, das hat sich in Israel offenbar herumgesprochen.

    Im vergangenen Monat hat man in einer Umfrage dieselbe Frage in Bezug auf Bush gestellt. Im Rückblick sagten 88 Prozent, die Regierung Bush sei pro-Israel gewesen, 7 Prozent hielten sie für neutral und 2 Prozent bezeichneten sie als pro-Palästinenser.

    John McCain aber, der mit großer Wahrscheinlichkeit die Nahost- Politik von Präsident Bush fortgesetzt hätte, erhielt die Stimmen von gerade einmal 21 Prozent der amerikanischen Juden.



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    Gedanken zu Frankreich (31): "Ist es absurd, das Unmögliche zu erstreben?" In Frankreich tobt das Abitur. Und Politiker denken mit

    Es ist schon Tradition in diesem Blog, auf das französische Abitur aufmerksam zu machen, das Baccalauréat, meist kurz Bac genannt.

    Vor zwei Jahren habe ich über den Charakter und den Ablauf dieser feierlichen Prüfung berichtet, die über Tage hinweg eines der Hauptthemen in der französischen Öffentlichkeit ist. Im vergangenen Jahr ging es um die Themen des Aufsatzes in Philosophie. Ihn muß jeder Abiturient - egal welchen Zweiges - schreiben; und er eröffnet traditionell Mitte Juni die schriftlichen Prüfungen. Gestern wurde diese Épreuve écrite de Philosophie geschrieben.

    Wie letztes Jahr finde ich die Themen interessant genug, um sie mitzuteilen. Zum einen, weil sie zeigen, welche intellektuellen Ansprüche jeder französische Abiturient erfüllen muß. Ansprüche, von denen ich nicht sicher bin, ob viele deutsche Abiturienten ihnen genügen könnten. Zum anderen, weil einige dieser Fragen ja recht nachdenkenswert sind.

    Und drittens, weil eine von ihnen gestern auch einer Reihe von Politikern vorgelegt wurde. Sie brauchten sich freilich nicht an einem Aufsatz abzumühen, sondern sie durften frisch von der Leber weg sagen, was ihnen gerade so einfiel. Aber auch das war zum Teil gar nicht so schlecht.



    Ab gestern Morgen um 8 Uhr wurden die Aufsätze geschrieben. Gestern Abend um 17:59 Uhr stellte der Nouvel Observateur die Themen ins Netz; jedenfalls diejenigen des Allgemeinen Abiturs; die des Technologischen Abiturs fehlen noch.

    Auf dem Weg zum Allgemeinen Abitur kann man zwischen drei Zweigen wählen: Dem geisteswssenschaftlichen (Série Littéraire), dem naturwissenschaftlichen (Série Scientifique) und dem wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen (Série Economique et Social). Die betreffenden Kandidaten haben im Philosophie- Aufsatz unterschiedliche Themen zur Auswahl; und dessen Ergebnis geht mit unterschiedlichem Gewicht in ihre Abiturnote ein.

    Hier sind die diesjährigen Themen:

    Geisteswissenschaftlicher Zweig:
  • L'objectivité de l'histoire suppose-t-elle l'impartialité de l'historien?
    Bedingt die Objektivität der Geschichte die Unparteilichkeit des Historikers?

  • Le langage trahit-il la pensée?
    Ist die Sprache eine Verräterin des Denkens?

  • Expliquer un extrait du "Monde comme volonté et comme représentation" de Schopenhauer.
    Erläuterung eines Auszugs aus "Die Welt als Wille und Vorstellung" von Schopenhauer
  • Naturwissenschaftlicher Zweig:
  • Est-il absurde de désirer l'impossible?
    Ist es absurd, das Unmögliche zu erstreben?

  • Y a-t-il des questions auxquelles aucune science ne répond?
    Gibt es Fragen, auf die keine Wissenschaft eine Antwort hat?

  • Expliquer un extrait de "La démocratie en Amérique" d'Alexis de Tocqueville.
    Erläuterung eines Auszugs aus "Über die Demokratie in Amerika" von Alexis de Tocqueville
  • Wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Zweig:
  • Que gagne-t-on à échanger?
    Was gewinnt man durch den Austausch?

  • Le développement technique transforme-t-il les hommes ?
    Verändert die technische Entwicklung die Menschen?

  • Expliquer un extrait de "Essai sur l'entendement humain" de John Locke.
    Erläuterung eines Auszugs aus dem "Versuch über den menschlichenn Verstand" von John Locke.
  • Wie immer wird jedem Zweig also ein fachphilosophisches Thema angeboten - Schopenhauer steht in hohem Ansehen; er war auch letztes Jahr schon mit dabei. Die beiden anderen Themen sind das, was man in Deutschland früher "Besinnungsaufsätze" nannte; meist als Frage formuliert.

    Obwohl es sich um Themen von allgemeinem Interesse handelt, geht man auf die Spezialisierungen in dem jeweiligen Zweig ein. Die Naturwissenschaftler werden meist nach einem philosophischen Aspekt der Wissenschaft gefragt; bei den Sozialwissenschaftlern geht es oft um gesellschaftliche Themen im weiteren Sinn.



    Das also erregt in Frankreich die Öffentlichkeit in diesen Juni- Wochen. Wenn ich in der Überschrift sage, daß das Abitur "tobt", dann ist das nur wenig übertrieben. Die linke Tageszeitung Libération hatte gestern ein ganzes Dossier zu diesem Thema. Und einer der vielen Blogs zum Abitur, Mention très bien bei der Tageszeitung Le Monde, berichtete über den Vorabend des Philosophie- Aufsatzes: "chacun 'retenait son souffle'"; jeder hielt den Atem an.

    Bei soviel nationalem Interesse an einem Thema kann natürlich auch die Politik nicht schweigen. Der Nouvel Observateur hat einer Reihe von Politikern die Frage vorgelegt: "Ist es absurd, das Unmögliche zu erstreben?".

    Der Sozialist François Hollande, einst Lebensgefährte von Ségolène Royal und selbst als Kandidat für die Präsidentschaft gehandelt, meinte, nein, das sei nicht absurd - "Mais à une condition, réussir le possible"; aber nur unter der Bedingung, daß man das Mögliche erreicht. Naja.

    Schon deutlich philosophischer antwortete François Bayrou, der auch einmal Präsident hatte werden wollen und der jetzt der kleinen liberalen Partei MoDem vorsteht: " ... c'est purement et simplement la vie des hommes. C'est cela qui fait l'humanité. Ce n'est donc pas absurde : c'est vital!" - das Unmögliche zu erstreben, das sei schlicht und einfach das Leben des Menschen. Dies sei es, was das Menschsein ausmache. Es sei also nicht absurd - es sei lebensnotwendig.

    Die dümmste Antwort gab, wen wundert's, der Vertreter der Parti de Gauche, des französischen Franchise- Partners der deutschen Partei "Die Linke". Dieser Jean- Luc Mélenchon also antwortete: "... vivre est absurde, selon Camus et tant d'autres. On doit donc imaginer Sisyphe heureux. Ce serait ça, mon plan". Leben sei, laut Camus und so vielen anderen, absurd. Man müsse sich also Sisyphus als glücklich vorstellen. Das wäre, sagte der Vorsitzende Mélenchon, "sein Plan".

    Warum diese Antwort die dümmste sei, fragen Sie, lieber Leser? Denken Sie darüber nach! Sie müssen ja nicht gleich einen Philosophie- Aufsatz schreiben.



    Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple (1830); Ausschnitt. In der Public Domain, da das Copyright erloschen ist.